Protocol of the Session on March 22, 2013

Wichtig ist aber auch, dass wir die Gruppierungen der Salafisten identifizieren und uns mit deren menschenfeindlicher Ideologie auseinandersetzen, dass wir Aufklärungsarbeit leisten, dass Lehrerinnen und Lehrer, Betreuerinnen und Betreuer sowie Familienangehörige rechtzeitig erkennen, wodurch sich Salafisten auszeichnen oder wenn jemand Gefahr läuft – insbesondere ein junger Mensch –, von dieser Ideologie gefangen genommen zu werden.

Das Innenministerium hat dazu eine Präventionsinitiative gestartet, die mit verschiedensten zivilgesellschaftlichen und sozialen Einrichtungen ein Angebot erarbeitet, um dieser Ideologie frühzeitig zu begegnen. Darüber hinaus sollten wir – wie immer, wenn es um Extremismus geht – weiter nach den Ursachen suchen und diese angehen.

Ich bin mir sicher, dass das, was wir hier in Nordrhein-Westfalen tun – beste Bildung und Aufklärung, Betreuung –, dafür sorgt, dass wir eine weltoffene, demokratische Gesellschaft bleiben und uns erfolgreich gegen diese salafistischen Tendenzen zur Wehr setzen können. Beste Bildung und gute Berufschancen sind immer noch die besten Mittel gegen Extremismus, gleich welcher Art.

Deswegen wäre ich Ihnen sehr dankbar, liebe Kolleginnen und Kollegen auch von der Opposition, wenn Sie unseren Innenminister und diese Landesregierung dabei unterstützen würden, den Salafismus zu bekämpfen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, erlauben Sie mir an dieser Stelle eine persönliche Bemerkung zum Thema „NPD-Verbot“. Ich glaube, bei einem genauen Blick auf die Salafisten erkennt man, welche Ideologie dahinter steckt. Man erkennt, dass sie – genau wie die NPD – unseren Staat bekämpfen, dass sie das bekämpfen, wofür unser Staat steht, dass sie unser Wertesystem bekämpfen, dass sie einen anderen Staat wollen, als den, den wir haben. Man erkennt, dass die Unterschiede zwischen der NPD und den Salafisten nicht allzu groß sind.

Deswegen verstehe ich nicht, warum die FDP sich gegen ein NPD-Verbotsverfahren ausgesprochen hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben es in Ihrem Programm auch die „Freiheit des Individuums“ genannt. Die Freiheit des Menschen ist bei Ihnen hoch angesiedelt. Die NPD will diese verbieten.

Die Redezeit.

Sie will dagegen kämpfen. Die Salafisten sehen das genauso. Als die salafistischen Vereine verboten worden sind, habe ich von der FDP nichts gehört.

Jetzt kann man natürlich eine Partei und einen Verein nicht miteinander vergleichen. Aber es ist dieselbe Ideologie, und deswegen wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie darüber noch einmal nachdenken würden, welche Gefahren von den Salafisten oder von der NPD für uns ausgehen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Yetim. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Schäffer.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am vergangenen Mittwoch hat der Bundesinnenminister drei salafistische Vereine in Hessen und in Nordrhein-Westfalen verboten. Außerdem wurden die Anschlagspläne von vier nordrhein-westfälischen Salafisten vereitelt.

Ich denke, dass diese Ereignisse in der letzten Woche uns allen deutlich gemacht haben, welche Gefahren von salafistischen Bestrebungen für unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft ausgehen. Die Fragen nach Ursachen und nach Bekämpfungsstrategien des gewaltorientierten und verfassungsfeindlichen Salafismus beschäftigen uns

schon länger.

Wir wissen, dass der Salafismus eine der schnell wachsenden Strömungen ist, die sich im letzten Jahr auf 1.000 Personen in Nordrhein-Westfalen verdoppelt hat, von denen etwa 100 gewaltbereite Dschihadisten sind. Dieser politische, gewaltorientierte Salafismus richtet sich gegen die parlamentarische Demokratie und gegen ein pluralistisches Gesellschaftsmodell. Damit ist er antidemokratisch, er ist verfassungsfeindlich und durch seine Gewaltbereitschaft eine Gefahr für die freiheitlich

demokratische Grundordnung.

Deshalb ist es richtig, dass die Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen diese verfassungsfeindlichen salafistischen Gruppen beobachten. Darum muss sich auch die Politik mit diesem Thema beschäftigen. Aber nur dann, wenn wir wirklich differenziert an diese Problematik herangehen, werden wir den verfassungsfeindlichen und gewaltorientierten Salafismus wirksam bekämpfen.

(Beifall von der SPD)

Für diese Differenzierung möchte ich hier werben.

Da hilft es aus meiner Sicht überhaupt nicht weiter, wenn in der Regel konservative Politikerinnen und Politiker, allen voran der Bundesinnenminister Friedrich, eine Vereinfachung bei der Ausweisung von gewaltbereiten Fundamentalisten fordern. Denn die größte Zahl – das muss man sich einfach einmal ansehen – der Salafisten sind Deutsche, darunter sowohl Konvertiten ohne Migrationshintergrund als auch deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Insofern betreibt der Bundesinnenminister, der sich wahrscheinlich ein paar Monate vor der Bundestagswahl als Hardliner präsentieren will, eine reine Schaumschlägerei, ohne irgendwelche Lösungsansätze parat zu haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Widerspruch und Zurufe von der CDU und der FDP)

Zweifelsohne ist die dynamische Zunahme der salafistischen Bestrebungen erschreckend. Natürlich müssen wir uns als Demokratinnen und Demokraten fragen …

(Zuruf von Holger Müller [CDU])

Ja, Herr Müller, Sie können schreien, wie Sie wollen. Ich verstehe Sie hier sowieso nicht, hören Sie mir einfach einmal zu! Auch Sie müssen sich die Fragen stellen: Warum gibt es denn diese Zunahme bei den salafistischen Bestrebungen? Wie kann es sein, dass junge Menschen, meistens junge Männer, sich von der demokratischen Gesellschaft abwenden, dass sie sich hier nicht geborgen fühlen? Wie kann es sein, dass wir ihnen nicht das bieten, was sie suchen, sodass sie Anerkennung und Gemeinschaftsgefühl in diesen Bestrebungen suchen?

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Auch wenn ich die Durchführung von Vereinsverboten politisch richtig finde – wobei man auch hier darüber diskutieren muss, wie wirksam die Repression in diesem Bereich ist, man bräuchte meines Erachtens noch viel mehr Begleitforschung, um es wirklich evaluieren zu können –, die Bekämpfung des Salafismus ist nicht nur eine sicherheitspolitische Frage, sondern sie ist auch eine Frage von gesellschaftlicher Teilhabe und von Anerkennung.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Nur wenn wir es schaffen, diesen jungen Männern eine Alternative in der demokratischen Gesellschaft zu geben, werden wir diesen fundamentalistischen Bestrebungen, die auf die Abschaffung unserer freiheitlichen Grundordnung aus sind, auch die Anziehungskraft nehmen. Deshalb sprechen wir hier von einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, die alle Politikbereiche, das heißt uns alle hier im Parlament, betrifft.

Wir reden hier zum Beispiel über die demokratische Jugendarbeit, wir reden hier über politische Bildungsarbeit, wir reden aber auch über Bereiche wie zum Beispiel die Justiz. Denn gerade in der Haft – das wissen wir – können Radikalisierungsprozesse stattfinden.

Wichtig ist uns aber auch die Zusammenarbeit mit den Moscheegemeinden, mit den muslimischen Verbänden, die für unsere Anliegen auch wichtige Verbündete sind. Ich will in diesem Zusammenhang noch einmal ganz deutlich sagen, dass die Salafisten mit dem Islam und der Großzahl der Musliminnen und Muslime in unserer Gesellschaft, die hier friedlich leben und für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stehen, nicht in einen Topf geworfen werden dürfen.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Personen und Gruppen, die mit Hinweis auf den gewaltorientieren, verfassungsfeindlichen Salafismus versuchen, Ressentiments gegen Musliminnen und Muslime zu schüren, müssen wir als Demokratinnen und Demokraten gemeinsam klar entgegenstehen. Deshalb dürfen wir es Pro NRW auch nicht durchgehen lassen, dass sie jetzt versuchen, sich als Opfer einer salafistischen Kampagne darzustellen, ohne dabei das geplante Mordattentat verharmlosen zu wollen.

Aber Pro NRW provoziert immer wieder ganz gezielt in der Gesellschaft und trägt auch mit dazu bei, dass sich Anhänger von Pro NRW und dem salafistischen Spektrum gegenseitig hochschaukeln. Dabei ist Pro NRW eine eindeutig menschenverachtende, eine rassistische, eine verfassungsfeindliche Partei, die immer wieder rassistische Hetze gegen Musliminnen und Muslime und momentan ganz aktuell mit ihrer Kampagne gegen Flüchtlinge betreibt.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Deshalb bin ich froh – ich will es hier noch einmal deutlich sagen –, dass es so viele Menschen gibt, die in diesen Tagen gegen Pro NRW auf die Straße gehen. Denn das ist ein wichtiges Zeichen für eine demokratische und pluralistische Gesellschaft, die wir sowohl gegen rassistische Hetze von Pro NRW und anderen Nazis als auch gegen die antidemokratischen Pläne der Salafisten verteidigen müssen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Sieveke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die

Fraktionen der SPD und der Grünen haben die heutige Aktuelle Stunde damit begründet, dass angesichts der jüngsten Ereignisse der Landtag Nordrhein-Westfalen eindeutig Stellung gegen den verfassungsfeindlichen Salafismus Stellung beziehen müsse. Dem ist voll umfänglich zuzustimmen, auch wenn der letzte Wortbeitrag mich schon sehr verärgert hat, weil er in meinen Augen genau in die falsche Richtung zielte.

(Beifall von der CDU und Ralf Witzel [FDP])

Was wir uns aber sparen können, meine Damen und Herren, ist die Differenzierung in verfassungsfeindliche und vermeintlich nicht verfassungsfeindliche Salafisten. Herr Yetim, Sie haben eben in meinen Augen ausdrücklich und eindrucksvoll vorgestellt, dass man diese Unterscheidung nicht vornehmen sollte.

Ihr Appell, dass wir den Innenminister unterstützen sollen, ist natürlich richtig. Wir haben immer schon gesagt: Jeder Extremist ist Mist, und man sollte auf keinem Augen blind sein. Wenn man das dann vorantreibt, werden wir das auch weiterhin unterstützen.

Aber Ihr Redebeitrag, Frau Schäffer, ging genau nicht in diese Richtung.

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

Salafismus, wenn schon der Name so viel bedeutet wie die Altvorderen, sich also auf eine veraltete Form des Islam bezieht, die so vermeintlich von den ersten Generationen von Muslimen gelebt und praktiziert worden sein soll, dann haben wir es hier mit einem ganz bewussten, gänzlich absichtlichen Rückwärtsgewandtsein zu tun. Und das steht in einem fundamentalen Widerspruch zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Denn die ist mit gesellschaftlichen Wertevorstellungen von vor 1.400 Jahren mit keiner Religion und keiner Region der Welt vereinbar.

Lassen Sie uns unterscheiden zwischen Salafisten und Islamisten auf der einen Seite und zwischen modernen und weltoffenen deutschen Staatsbürgern und hier lebenden Mitmenschen muslimischen Glaubens auf der anderen Seite.

(Beifall von der CDU)