Herr Dr. Stamp, ich weiß, dass Sie sich mit gutem Gewissen auf kommunaler Ebene einsetzen. Ich kann Sie nur alle auffordern, dass wir uns an den Stellen, an denen wir in den Kommunen tätig sind, dafür einsetzen, die demokratische Grundordnung zu verteidigen, genauso wie es der Verfassungsschutz macht. Genauso haben wir es jetzt erlebt. Natürlich brauchen wir diese Verteidigungsbereitschaft der Demokratie.
Lassen Sie mich noch einmal ein Wort zur CDU sagen. Von Ihnen habe ich nichts über Pro NRW gehört. Pro NRW hat sich erdreistet, in den letzten beiden Wochen vor Flüchtlingsheimen mit fragwürdigen Parolen zu demonstrieren. Da zeigt sich die deutsche Zivilgesellschaft, die Sie anscheinend noch nicht erkannt haben, meine Herren.
Da sind Menschen jedweden Glaubensbekenntnisses, jedweder Hautfarbe und jedweder Herkunft auf die Straße gegangen und haben gesagt: Nein, das wollen wir nicht, wir leben in guter Nachbarschaft.
Im Rahmen dieser guten Nachbarschaft fordere ich Sie auf, bei aller Abgrenzung zu jeder extremistischen Auslegung von Religion diese Sache hier gemeinsam zu behandeln und sich nicht in irgendwelchen Diffamierungen zu ergehen.
Ich möchte meine Redezeit damit beenden, wie meine Vorredner eine Lanze für die vielen Millionen Musliminnen und Muslime zu brechen, die in diesem Land leben und die man nicht für das verhaften sollte, was andere tun. Auch das sage ich an die Adresse von Herrn Yetim. Genauso wie wir uns von jeder Art fundamentalistischer Religionsausübung abgrenzen, müssen wir das als Demokraten tun. Ich möchte nicht für Auswüchse meiner Religionsgemeinschaft verhaftet werden. Das sollte man an anderen Stellen auch nicht tun.
In diesem Sinne wünsche ich uns demnächst gute Beratungen und eine aufrechte demokratische Kultur in diesem Hause. – Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Ich bin ein bisschen entsetzt, insbesondere von der CDU und von der FDP. Herr Minister Jäger, Ihre Rede hat mir heute sehr gut gefallen, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind und auch häufig aneinanderstoßen.
Sie reden hier viel über Muslime, viel über Islam. Sie reden hier viel über Salafisten. Aber ganz ehrlich: Ich habe in diesem Bereich eher den Eindruck, dass Sie wie Blinde von der Farbe reden. Sie haben überhaupt keine Ahnung, wovon Sie reden. Wie viele Muslime kennen Sie eigentlich persönlich?
Herr Stamp, mal eine Moschee anschauen, das reicht nicht. Sie müssen solche Erlebnisse, die Muslime hier in Deutschland haben, einfach einmal persönlich erfahren.
Ich sage es einmal so: Die Leute sind gefährlich. Das stimmt. Sie sind auch radikal, und sie müssen bestraft werden. Keine Frage! Aber wir müssen uns schon die Frage stellen: Warum sind sie so geworden? Und wie können wir verhindern, dass sie so werden?
Viele von Ihnen wissen es vielleicht, viele auch nicht: Ich gehe damit nicht unbedingt hausieren, aber ich bin einer dieser berühmten Konvertiten, über die wir hier auch reden. Ich bin nicht salafistisch, und ich bin auch nicht radikal. Ich bin da sehr gemäßigt, und ich bin eigentlich auch christlich erzogen worden. Meine Frau ist gebürtige Marokkanerin. Meine gesamte Schwiegerfamilie kommt dementsprechend natürlich auch aus diesem Land. Meine Schwiegermutter trägt Kopftuch. Gehen Sie einmal mit meiner Schwiegermutter, die ein Kopftuch trägt, und meinem Schwiegervater durch die Innenstadt einkaufen! Die Blicke, die Sie erhaschen, sind echt ein Witz!
Gehen Sie einmal an den Bahnhof, wo sich mein Schwiegervater, der 40 Jahre hier hart gearbeitet hat und jetzt in Rente ist, von dem Bodensatz dieser Gesellschaft anpöbeln lassen muss, er solle gefälligst nach Hause gehen. Dann wundern Sie sich, dass sich diese Menschen radikalisieren? Das ist nun echt ein Witz.
Mein Schwager, ein junger, intelligenter Mensch, hat Abitur und studiert jetzt. Er hat versucht, vor seinem Studium einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Das ist verdammt schwer gewesen. Versuchen Sie einmal, als Frau mit Kopftuch irgendwo einen Garten zu bekommen. Das können Sie vergessen. Das ist Ausgrenzung in Reinformat.
Das ist einfach so! – Natürlich radikalisiert sich deswegen nicht jeder. Das ist nicht die Frage. Aber die Tendenz geht in die Richtung.
Herr Jäger hat es eben sehr gut dargestellt: Das ist derselbe Effekt wie bei den Rechten: Da sind junge, verwirrte Menschen, die können in die eine oder in die andere Richtung gehen – je nachdem, wer gerade zuerst kommt. Das ist genau dieser Effekt.
Nur in diesem Fall ist es das Problem, dass es auch – nicht hauptsächlich, aber auch – auf der verfehlten Integrationspolitik von CDU und FDP basiert.
(Daniel Sieveke [CDU] [einen Vogel zeigend]: Weil es auch deutsche Konvertiten sind, die dabei sind!)
Ja, nicht nur. Aber es geht um die Radikalisierung. Und es ist Ihre Stimmungsmache, die schon seit Jahrzehnten und auch heute wieder dazu beiträgt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte heute Morgen, als die Präsidentin mahnende und auch wichtige Worte an uns gerichtet hatte, eigentlich den Eindruck, das sei der richtige Beginn einer Debatte über religiös und politisch motivierten Extremismus und über die Art und Weise, wie man dagegen vorgehen kann. Leider ist in Teilen diese Debatte an ein paar Stellen – das ist jetzt keine Schuldzuweisung, sondern vielleicht am Ende einer Aussprache der Versuch, die Dinge wieder zusammenzubringen – in eine Richtung abgeglitten, die ich nicht für richtig halte.
Zum Beispiel auf die Regierungsbank zu schauen und zu fragen, wer bei diesem wichtigen Thema fehlt, ist angesichts der Tatsache, dass wir alle wissen, dass heute eine Bundesratssitzung ist, niveaulos, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Darüber hinaus ist auch der Versuch, sich wechselweise entweder fehlende Konsequenz beim Einsatz repressiver Mittel oder aber fehlendes Verständnis für die Notwendigkeit von Prävention in dem Bereich zu unterstellen, eine ziemlich schwierige Veranstaltung. Wenn Sie unseren Text genau gelesen hätten, liebe Kolleginnen und Kollegen, hätten Sie davon ausgehen müssen, dass wir beides meinen. Das haben sowohl Frau Schäffer als auch andere Vertreterinnen und Vertreter der Koalition hier deutlich gemacht.
Natürlich dürfen wir Salafismus nicht verharmlosen. Uns ist allen klar, dass dieser Salafismus eine religiöse Extremismusform ist, die menschenverachtend, frauenfeindlich, demokratiefeindlich, ja insgesamt zu verurteilen ist. Und dort, wo sie gegen geltendes Recht verstößt und unser demokratisches Gemeinwesen gefährdet, ist sie natürlich auch mit repressiven Mitteln zu bekämpfen.
Aber – das geht jetzt in die andere Richtung – diejenigen, die so werden, die zum Teil als deutsche Konvertiten so werden und dann irgendwo auffällig werden als Menschen und die eine solche Gesinnung nach außen tragen, fallen nicht vom Himmel, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die werden zum Teil hier geboren, und an irgendeiner Stelle entscheiden sie sich dafür, sich politisch radikalisieren.
Ich glaube, dann ist es zu kurz gegriffen, dass wir an der Stelle nur über Repression reden. Wir müssen überlegen, warum es unserer Gesellschaft nicht gelungen ist, solche jungen Menschen, insbesondere junge Männer, zu integrieren, aufzunehmen und davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, für die demokratischen Werte unserer Gemeinschaft einzustehen. Das ist eine der Kernfragen.
Wir haben in unserem Anliegen beide Dinge miteinander vereinigen wollen. Wir halten es für gut und richtig, dass beide Aspekte betont werden. Deshalb möchte ich darum bitten, dass wir die heutige Aktuelle Stunde dazu nutzen, um die Gemeinsamkeiten in dieser Frage nach vorne zu tragen, uns unterhaken und gemeinsam dann für die Rechte in unserem demokratischen Gemeinwesen eintreten
Dazu gehört dann auch – damit will ich gerne schließen – der Blick darauf, was sich am rechten Rand unserer Gesellschaft abspielt.
Veranstaltung. Klammer auf: Mit großem Bedauern habe ich feststellen müssen, dass da offensichtlich auch Symbole der Kolleginnen und Kollegen der Piraten missbraucht worden sind.