Protocol of the Session on March 22, 2013

Durch die gute Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz ist es gelungen, einen terroristischen Anschlag zu verhindern. Dass dieser Anschlag dem Vorsitzenden der rechtsradikalen Gruppierung Pro NRW gegolten hätte, schmälert das Unrecht und die kriminelle Energie derjenigen nicht, die diesen Anschlag geplant haben. Wir alle wissen, dass Pro NRW Muslime regelmäßig auf unsägliche Weise provoziert und den öffentlichen Frieden so gefährdet. Terroristische Antworten darauf sind jedoch in keinster Weise akzeptabel. Gewalt darf niemals zu einem Mittel der politischen Auseinandersetzung in unserem Land werden.

(Beifall von der SPD und der CDU)

Meine Damen und Herren, nach dem bundesweiten Verbot der salafistischen Vereinigung Millatu Ibrahim im Jahr 2012 wurde jetzt auch deren als harmloser Spendensammler getarnter Ableger, der in Gladbeck ansässige Verein An-Nussrah verboten. Das war auch richtig so.

Wir müssen alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um extremistischen Umtrieben dieser Art rechtzeitig Einhalt zu gebieten. Leider handelt es sich im salafistischen Milieu aber nicht selten um lockere Zusammenschlüsse von Personen, also um Gruppierungen jenseits des Vereinsrechts, was ein entschlossenes rechtsstaatliches Vorgehen gegen sie natürlich erschwert.

Nach heutigen Erkenntnissen – das ist eben auch schon öfter angesprochen worden – gibt es in Nordrhein-Westfalen rund 1.000 Salafisten, die als extremistisch einzustufen sind, von denen ca. 100 dem besonders extremen dschihadistischen Salafismus zuzurechnen sind, Tendenz extrem steigend. Dieser bekennt sich offen dazu, unsere verfassungsrechtliche Ordnung gewaltsam zu zerstören.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das werden wir nicht zulassen.

Den extremistischen Salafisten und sonstigen gewaltbereiten Islamisten stehen Millionen gesetzestreue Muslime gegenüber, die bei uns leben und mit den fundamentalistischen Fanatikern nichts im Sinn

haben. Wir sollten uns daher hüten, diese überwältigende Mehrheit friedliebender Muslime für islamistische Exzesse mitverantwortlich zu machen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir müssen vielmehr alles vermeiden, was insbesondere junge Muslime in die Arme der Extremisten treiben könnte. Wir müssen an die Ursachen heran. Das hat Frau Schäffer eben in ihrer Rede ganz deutlich gesagt. Die Ursachen müssen in der Bekämpfung ganz deutlich nach vorne gestellt werden.

Ganz entscheidend für die Bekämpfung jeder Art ist eine optimale Kooperation und Vernetzung unserer Sicherheitsbehörden, auch über die Ländergrenzen hinweg.

Meine Damen und Herren, die Beobachtung durch den Verfassungsschutz muss sich vor allem auf den sogenannten politischen Salafismus konzentrieren, der ein wichtiges Rekrutierungsbecken für die besonders radikalen, gewaltorientierten Zellen ist. Besonders im Fokus müssen die Internetaktivitäten der verschiedenen Gruppierungen stehen. Diese sind primär auf junge Menschen zugeschnitten, die angesprochen und radikalisiert werden sollen.

Als ehemaliger Soldat weiß ich, dass die Verteidigung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nach innen wie auch nach außen eine wehrhafte Demokratie voraussetzt. Der Innenminister hat bereits im Januar zu Recht darauf hingewiesen, dass wir bei der Bekämpfung der verfassungsfeindlichen Salafisten gleichermaßen auf Repression und Prävention setzen müssen.

Die repressiven Möglichkeiten, die das Straf-, Polizei- und Ausländerrecht bieten, sind konsequent auszuschöpfen. Nicht weniger wichtig ist der präventive Ansatz. Die Präventionsinitiative des MIK zielt in die richtige Richtung.

Unbedingt unterstützt werden müssen staatliche und zivilgesellschaftliche Initiativen, die darauf gerichtet sind, das Abdriften junger Menschen in die salafistische Szene zu verhindern. Ebenso notwendig sind Ausstiegshilfen für Personen, die bereits in der Szene verstrickt sind.

Nur wenn wir das Problem an der Wurzel bekämpfen, haben wir hoffentlich eine Chance, den Salafismus dauerhaft einzudämmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu Recht wird immer darauf hingewiesen, dass es letztlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, Extremismus, in welcher Form auch immer, Einhalt zu gebieten. Dass unsere nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden ihren Beitrag weiterhin gewissenhaft und erfolgreich leisten werden, davon bin ich überzeugt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Heinrichs, insbesondere auch vielen Dank für Ihre Jungfernrede.

(Allgemeiner Beifall)

Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Herr Dr. Stamp.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass das ein wichtiges und sehr komplexes Thema ist, mit dem wir uns hier heute Vormittag beschäftigen.

Frau Kollegin Schäffer, Sie haben es sich zu einfach gemacht, wenn Sie in der Conclusio Ihrer Rede die überwiegende Schuld am Thema Salafismus bei der Bundesregierung abladen. Das ist einfach zu verkürzt, und dafür ist das Thema zu komplex.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

Sie protestieren. Aber ich möchte an der Stelle sagen:

(Zuruf von den GRÜNEN)

Es ist einfach sehr störend, dass die Grünen permanent den Anspruch erheben, selbst alles in Gut und Böse einteilen zu können.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das erinnert stark an das Freund-Feind-Denken von Carl Schmitt. Und das war nun wirklich nicht der Wegbereiter der parlamentarischen Demokratie in Deutschland.

Meine Damen und Herren, Muslime sind Teil der Gesellschaft. Darum gehören sie auch in die Mitte der Gesellschaft. Darum gehören auch ihre Gebetshäuser integriert. Darum wollen wir offene, transparente und auch repräsentative Moscheen und nicht Hinterhofmoscheen. Dafür arbeiten wir vor Ort in den Kommunen genauso wie Sie. Da müssen Sie nicht glauben, dass Sie uns etwas voraus haben.

Ich sage Ihnen aber auch dazu, Frau Schäffer: Sie sind da an der einen oder anderen Stelle vielleicht auch ein Stück weit zu naiv. Denn wir werden von vielen säkularen Muslimen angesprochen oder auch von gläubigen Muslimen, die ihre Religion privat leben. Die sind nicht damit einverstanden, dass es Moscheegemeinden gibt, die die Abgrenzung eben nicht vollziehen. Ich kann Ihnen das aus Bonn berichten. Kommen Sie uns einmal besuchen. Gucken Sie sich das einmal an. Wir sind leider auch Hochburg des Salafismus. Wir erleben, dass es in einzelnen Gemeinden eben keine entsprechende Abgrenzung gibt.

Deswegen möchte ich, dass wir hier im Landtag klar bekennen: Egal, ob katholisch, fundamentalistisch, evangelikal oder islamistisch, das spielt überhaupt keine Rolle – niemand darf seinen Glauben über

unsere Verfassung stellen. Das muss für alle gelten. Da muss es einen klaren Strich geben.

(Beifall von der FDP und der CDU – Verein- zelt Beifall von der SPD)

Herr Minister Jäger, obwohl wir hier eigentlich das Thema Salafismus debattieren wollten, habe Sie das NPD-Verbotsverfahren eben noch einmal breit diskutiert. Ich möchte deswegen darauf eingehen und darauf aufmerksam machen, dass die FDP im gesamten Diskussionsprozess um das NPD-Verbot klargemacht hat, dass wir das Prozessrisiko als viel zu hoch einschätzen und der NPD nachher mit einem verlorenen Prozess nicht die Bühne bereiten wollen.

(Beifall von der FDP)

Das haben wir von Anfang an bekannt. Das hat der Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn im Bundesrat für die FDP erklärt. An dieser Stelle möchte ich auch einmal deutlich sagen: Auch die Bundestagsfraktion der Grünen teilt unsere Auffassung.

(Beifall von der FDP)

Deswegen ist es vollkommen unangemessen, hier Empörung als Wahlkampfschlager zu intonieren. Herr Minister, ich sage Ihnen, der Vergleich zu Otto Wels und der Bezug auf die bewegende und ausgezeichnete Rede unserer Landtagspräsidentin heute Morgen ist ahistorisch. Sie werden damit der Leistung und dem Mut von Herrn Wels in der damaligen Debatte überhaupt nicht gerecht.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, ich hatte mir zu diesem Thema eine sachliche Debatte erhofft und gedacht, dass man über diese Facetten miteinander diskutieren und Dinge erörtern könnte. So, wie Sie die Debatte intoniert und Schuldige für den Salafismus in unseren Reihen gesucht haben, stärkt man am Ende nur die politischen Extremisten. Das kann nicht das Interesse dieses Hauses sein. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Stamp. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Abgeordnete Velte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich möchte gerne an das anknüpfen, was Herr Dr. Stamp zum Schluss gesagt hat. Genau das hätte ich mir auch gewünscht. Ich hätte mir gewünscht, dass wir in diesem Hause eine sachliche Diskussion führen können, eine Diskussion, die nach vorne führt, eine Diskussion, die genau diese Facetten beleuchtet, die im Rahmen der Redebeiträge herausgearbeitet worden sind, nämlich die Frage der Prävention auf

der einen Seite und der Repression auf der anderen Seite.

Was erlebe ich? Ich erlebe Diffamierungen. Ich erlebe rückwärtsgewandte Polemik. Herr Biesenbach richtet sich auf und erzählt, Prävention sei wichtig. Er erzählt aber die ganze Zeit etwas über Repression, Repression, Repression. In diesem Zusammenhang ist auch die Aussage von Frau Schäffer zu werten. Sie sagte: Innenminister Friedrich spricht von ausweisen, ausweisen, ausweisen. Damit werden wir doch dem Problem, über das wir heute sprechen, an keiner Stelle gerecht.

(Zurufe von der FDP)

Der Minister hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der größte Teil des Personenkreises, über den wir heute sprechen, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Es ist also kein Problem von irgendwelchen auswärtigen Ländern, in die wir diejenigen ausweisen könnten. Es ist ein Problem, was in Solingen, in Bonn und in den anderen Städten existiert. Dessen müssen wir uns annehmen. Es geht doch nicht an, dass Sie mit diffamierenden Äußerungen gegenüber Frau Schäffer versuchen, dieses Problem politisch zu instrumentalisieren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dieses Problem geht uns alle gleichermaßen an, weil es ein gesellschaftspolitisches Problem ist. Dazu gehört selbstverständlich das, was Sie alle gesagt haben. Es gehören die Netzpolitik, die Jugendarbeit, die Moscheegemeinden und die Politik dazu. Es gehört aber doch nicht dazu, mit ewig gestrigen, rein repressiven Vorstellungen aufeinander einzuhacken.

(Beifall von den GRÜNEN)