Protocol of the Session on March 20, 2013

Ich habe es früher schon einmal gesagt: Es gibt Sekten, die haben einen eigenen kodierten Sprachgebrauch und erkennen sich gegenseitig an diesen Codes. Alle anderen verstehen das nicht, aber für die FDP ist Entfesselungsimpuls etwas, bei dem sie ganz glücklich gucken und strahlen, denn sie wissen, was gemeint ist. Aber einen derart lächerlichen Antrag zu stellen, 25 Millionen € Einnahmen in diesem Jahr zu fordern und zugleich die Landesregierung zu beauftragen, die entsprechenden Schritte zur Entlastung der Wirtschaft einzuleiten:

(Heiterkeit von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Liebe Leute, da ist Voodoo seriöser als Anträge von der FDP.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Und das bleibt ja nicht bei den 25 Millionen €. Das ist ja aufwachsend: 70 Millionen, 85 Millionen, 100 Millionen! Ich frage mich: Warum haben Sie nicht viel früher entfesselt? Warum entfesseln Sie nicht im Bund?

(Christian Lindner [FDP]: Haben wir doch!)

Nein! Jetzt kommen wir genau an die gleiche böse Stelle, die eben schon Herr Römer angesprochen hat. Sie Entfesselungskünstler sind im Bund gerade dabei, reihenweise industrielle Projekte hier im Land kaputtzumachen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Christian Lindner [FDP]: Das sagen ausge- rechnet Sie!)

Ja, ausgerechnet ich! Gehen Sie mal ein paar Meter weiter zu den Stadtwerken Düsseldorf und fragen Sie den Vorstand, ob er vor wenigen Tagen ein Projekt im Volumen von 50 Millionen € hat kippen müssen, weil Sie die Rahmenbedingungen dafür gefährden. Und das tun Sie in bösartigster Weise mit Ihrer Energiepolitik in Berlin, dass solche Projekte jetzt reihenweise kaputtgehen.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Und Sie machen das mit Absicht! Ich kenne viele dieser Projekte.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sie brauchen heutzutage, wenn Sie einen Windpark bauen, drei bis vier Jahre. Ein Windpark mit zehn Windrädern liegt heute bei 50 Millionen € Investitionsvolumen. Eine Bundesregierung, die ankündigt, dass sie rückwärts die Einspeisekonditionen verschlechtern will, die bricht Wort. Das ist wirklicher Wortbruch, weil Leute auf diese gesetzlichen Zusagen vertraut haben.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Sie sind eine Partei, die das rückwärts kaputtmachen will und nach vorne kein anderes Ziel hat, als genau diese Investitionen abzuwürgen, gleichzeitig aber in der Bundesregierung ist und sagt: Wir machen die Energiewende, wir tragen die Klimaschutzziele mit. – Das ist nicht entfesseln, das ist auch nicht einmal mehr fesseln, das ist ganz gezielt das Kaputtmachen von Bereichen, die sich hervorragend entwickelt haben. Das ist Ihre Strategie.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Sigrid Beer [GRÜNE]: Christian Houdini! – Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Herr Kollege Lindner, aber was will ich von einer Partei erwarten, die in bösartigster Tradition von Verhältnissen, die weit im Osten geherrscht haben, ausgeht und Wahrheiten nicht mehr ausdrücken lassen will?

Es gab ein Desaster um den Armutsbericht der Bundesregierung. Da stand drin: „Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt.“ Da stand auch drin: „Die Einkommensspreizung hat zugenommen.“

(Christian Lindner [FDP]: Stimmt ja nicht!)

Veto: Rösler, FDP. Jetzt steht drin: „Die Ungleichheit der Einkommen nimmt derzeit ab.“

(Christian Lindner [FDP]: So ist es! Seit 2006 stimmt das! – Dietmar Bell [SPD]: Selektive Wahrnehmung! – Weitere Zurufe von der SPD)

Das ist die FDP. So macht sie sich die Wahrheit zurecht, und so unterdrückt sie das, was tatsächlich passiert.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Letzte Anmerkung zur FDP – das verspreche ich –: Herr Rösler, der Bundesvorsitzende der FDP – ich habe eben den stellvertretenden Bundesvorsitzenden gehört, herzlichen Glückwunsch zum neuen Arbeitsauftrag –,

(Christian Lindner [FDP] nickt.)

hat gesagt, man solle keinen Verbotsantrag für die NPD stellen, denn man könne Dummheit nicht verbieten. Ich lese jetzt die ersten Sätze aus dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor, in denen sich Michael Bertrams, ehemaliger Präsident des Verfassungsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen, dazu äußert:

„‚Dummheit kann man nicht verbieten‘, sagt der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler und begründet damit die ablehnende Haltung seiner Partei zu einem NPD-Verbotsantrag. Doch diese Begründung verkennt das Problem, diese Begründung ist abwegig.

Beim NPD-Verbotsantrag geht es nicht um das Verbot von ‚Dummheit‘, sondern darum, einer Partei das Handwerk zu legen, deren neonazistische Programmatik ganz wesentlich von Rassismus, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit geprägt ist und die darauf zielt, die freiheitlich demokratische Grundordnung unseres Landes zu beseitigen. Eine solche Programmatik ist nicht ‚dumm‘, eine solche Programmatik ist menschenverachtend, demokratiefeindlich und verfassungswidrig.“

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Sie können über die Aussicht eines Verbotsantrags streiten – das ist in Ordnung –,

(Christian Lindner [FDP]: Das ist doch ein Grund!)

aber die Qualifizierung der NPD als „dumm“ missachtet in ganz grober Weise, was angerichtet worden ist. In NRW ist jemand durch die NSU umgebracht worden. Das kommt aus dem Sumpf. Das wollen Sie nicht wahrhaben. Deswegen hat sich Ihr Bundesvorsitzender da disqualifiziert.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf von Christian Lindner [FDP])

Sie hätten das eben als stellvertretender Bundesvorsitzender klarstellen und dazu ein klärendes Wort sagen können.

Ich kann den beiden Fraktionen, die die Bundesregierung stellen, Folgendes nicht ersparen: Wir können uns in den nächsten Jahren anstrengen. Was wir jetzt mit dem Haushalt gemacht haben, wird nicht das Ende sein, sondern wir werden in der weiteren Arbeit da noch mehr tun müssen – auch mit Blick auf die Einsparungen. Das wird nicht einfach sein; das ist uns klar.

Aber klar ist doch auch: Die strukturelle Benachteiligung des Landes Nordrhein-Westfalen vor allen Dingen im Verkehrsbereich ist mittlerweile auch durch die Industrie- und Handelskammern sowie die Wirtschaftsverbände anerkannt.

(Ralf Witzel [FDP]: Rot-Grün sorgte doch da- für, dass es keine baureifen Projekte zu fi- nanzieren gibt!)

Auch sie sagen, dass NRW mit 500 Millionen € pro Jahr unterfinanziert sei. Wir werden darum kämpfen müssen, unsere hervorragende bestehende Infrastruktur zu erhalten und minimal – dafür ist kaum Geld da – auszubauen.

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Dazu gibt es auch bei der Industrie die Erkenntnis, dass der Bund an dieser Stelle dieses große Transitland entsprechend der Notwendigkeiten und dem Königsteiner Schlüssel nicht ausreichend unterstützt. Da hätten Sie Unterstützung leisten sollen, haben das aber nicht getan.

(Ralf Witzel [FDP]: Sie verhindern doch jedes neue Verkehrsprojekt! Das ist doch absurd!)

Folgendes will ich ganz klar sagen: Es wird notwendig sein, im Bund den Soli Ost in eine Regelung zu überführen, die nicht mehr an Himmelsrichtungen, sondern tatsächlich an Notwendigkeiten gebunden ist.

Heute las ich in der Agenturmeldung von Herrn Lindner die Kritik daran, dass in NRW überproportional vor allem Schulden in den Kommunen bestünden. Das hat mit lang anhaltenden Strukturproblemen in Nordrhein-Westfalen zu tun. Bei uns sind vor allen Dingen im Ruhrgebiet und im Bergischen Dreieck etwa 1,5 bis 2 Millionen Arbeitsplätze in einem ganz langen Strukturwandel verlorengegangen.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Damit haben wir zu kämpfen. Dafür brauchen wir Unterstützung und keine Minderbeteiligung an dem, was der Bund ansonsten für Länder in Süddeutschland macht.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich will etwas sagen, das meine Fraktion vielleicht erstaunt, weil ich viele Jahre lang Energiepolitik gemacht habe. Für mich ist bei der Bundestagswahl nicht die energiepolitische Frage ganz entscheidend, sondern für mich ist diese Bundestagswahl – sie wird für uns wichtig sein – eine ganz entscheidende Auseinandersetzung um die Frage der sozialen Gerechtigkeit. Das ist der entscheidende Punkt.

(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich sage ehrlich: In der Bundesregierung Schröder/Fischer ist Hartz IV beschlossen worden; auch

andere Reformen sind gemacht worden wie die Zusammenführung von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe. Das war richtig.

(Beifall von Eva Voigt-Küppers [SPD])