Sie sind mit dieser Politik so weit gekommen, dass in diesem Jahr auf unser Land Nordrhein-Westfalen 60 % aller Kredite entfallen, die die 16 Bundesländer insgesamt aufnehmen. Sie sind so weit gekommen, dass 22 % der deutschen Gesamtbevölkerung – die Einwohner unseres Landes – 60 % der Verschuldung aller Länder zu verantworten haben.
Sie haben darüber hinaus den Menschen im öffentlichen Dienst viel versprochen. Noch im Jahre 2011 sind Briefe von Frau Kraft verschickt worden, in denen es heißt, dass es keine weiteren Einschnitte bei der Beamtenschaft gebe.
„Sie wissen, dass die Landesregierung bereits mehrfach verkündet hat, Beamte, Richter, Staatsanwälte und Versorgungsempfänger zukünftig nicht weiter von der Lohnentwicklung abzukoppeln. Dazu gehört, dass gute Arbeit angemessen bezahlt wird.“
Meine Damen und Herren, und was erleben wir jetzt? Was erleben wir in dieser Woche? Da haben Sie im Jahre 2013 einen Haushalt mit den höchsten Steuereinnahmen – und Sie können aufgrund Ihrer Wahlgeschenke die Tariferhöhungen in diesem Bereich nicht, wie Sie es versprochen haben, eins zu eins umsetzen! Das ist doch die Wahrheit!
Die Wahrheit ist auch – was hier jeder Parlamentarier weiß –, dass es in einer Demokratie Gott sei Dank nichts Transparenteres gibt als den Haushalt. Wenn eine Regierung neu ins Amt kommt – ich habe es selbst erlebt –, dann wird zunächst immer ein
Kassensturz gemacht. Wahr bleibt jedoch: In unserem Landeshaushalt gibt es nichts, worüber nicht jeder Abgeordnete informiert sein könnte. Der Landeshaushalt ist absolut transparent. Keine Landesregierung kann Gelder ausgeben, für die es nicht eine entsprechende Haushaltsstelle gibt.
Frau Kraft, als Sie noch Oppositionsführerin waren und dann 2010 an die Regierung kamen, haben Sie die Finanzsituation dieses Landes genau gekannt. Sie haben sich trotzdem für diese Wahlgeschenke entschieden, weil Sie die Wahl gewinnen wollten. Das kann man ja machen. Dass Sie seinerzeit den Beamten versprochen haben, jede Lohnerhöhung eins zu eins umzusetzen, und dieses Versprechen jetzt nicht halten können, beweist jedoch, dass Sie schon damals in diesen Briefen bewusst getäuscht haben!
Natürlich haben Sie bei den Wahlen auch auf die vielen Stimmen aus dem öffentlichen Dienst geschielt. Sie haben aber gewusst, dass das Verteilen von Wahlgeschenken in Höhe von 1 Milliarde € – die Sie vorhin noch so beklatscht haben – Ihnen die Spielräume zum Beispiel für diese Anpassung nimmt.
Trotzdem haben Sie den Leuten etwas anderes gesagt. Und jetzt werden Sie erleben, dass diese Menschen enttäuscht sein werden.
Ich habe davon gehört, dass sogar einige Vertreter Ihrer Partei noch am Montag dem Gewerkschaftsrat gesagt haben, dass eine Lösung gefunden werde, und schon am Dienstag wurde dann das Gegenteil verkündet. So geht ihr miteinander um! Ich bin froh, dass ich kein Genosse bin.
Lassen Sie mich lhnen nur eines sagen: Ich habe das Ganze selbst schon einmal erlebt. Meine Partei hat den Beamten 2005 ebenfalls versprochen, Lohnerhöhungen und Tarifsteigerungen eins zu eins umzusetzen. Während unserer Regierungszeit haben wir dann einmal eine solche Erhöhung erst ein halbes Jahr später umgesetzt. Ich kann Ihnen sagen: Das haben die Leute uns nie vergessen. Und ich sage Ihnen: Ihnen werden sie es auch nicht vergessen. Bei Ihnen kommt aber noch eines hinzu: Sie haben den Leuten im Jahr 2011 noch ganz bewusst etwas gesagt, von dem Sie wussten, dass Sie es 2013 nicht würden einhalten können.
Ich will noch einer anderen Frage nachgehen. Wir debattieren im Jahr 2013 über einen Haushalt mit den höchsten Steuereinnahmen bei einer guten Konjunktur und einem Höchststand an Beschäftigung. Was wollen Sie den Vertretern des öffentlichen Dienstes eigentlich für 2015 sagen? Glauben Sie, dass Sie 2015 eine finanzielle Situation haben, die Ihnen das Umsetzen von Tarifergebnissen eher ermöglicht als heute, und das vor dem Hintergrund, dass Sie wegen Ihrer Wahlgeschenke sich jedes Jahr wiederholende Belastungen im Haushalt haben?
Wir werden uns auch im Bereich des öffentlichen Dienstes mit der Frage beschäftigen müssen, woher wir bei immer weniger jungen Menschen qualifiziertes Personal für den öffentlichen Dienst bekommen sollen. Wir stehen da mit allen anderen Arbeitsmarktbereichen in Konkurrenz.
Deswegen glaube ich, dass es richtiger wäre, in den nächsten Jahren Strukturveränderungen im Bereich des öffentlichen Dienstes des Landes NordrheinWestfalen durchzuführen. Nur einen in Strukturen veränderten öffentlichen Dienst können wir so mit Finanzmitteln ausstatten, dass wir im Wettbewerb mit anderen Bereichen des Arbeitsmarktes unsere Leute angemessen bezahlen können.
Diese Erkenntnis ist übrigens kein Geheimnis. Schon die sogenannte Hartmann-Kommission, die zu Zeiten von Schwarz-Gelb Vorschläge erarbeitet hat, wie man Konsolidierung und öffentlichen Dienst in Übereinstimmung bringen kann, hat damals sehr deutlich gesagt: Es gibt im Grunde nur eine Chance, nämlich durch Strukturveränderung.
Mit ein wenig Stolz möchte ich darauf hinweisen, dass wir bei den Haushaltsberatungen 2013 in Änderungsanträgen Strukturveränderungen vorge
schlagen haben. Wir haben Ihnen Strukturveränderungen bei der Polizei mit Polizeiassistenten, bei der Schule mit Schulassistenten, beim Arbeitsschutz, bei den Demografiegewinnen vorgeschlagen.
Sie wollen keine Strukturveränderungen. Deswegen können Sie die Leute nicht mehr bezahlen. Das ist die Wahrheit!
Schreien Sie ruhig rum. Sie sind jetzt in der finanzpolitischen Sackgasse, aus der Sie nicht mehr herauskommen.
Wenn ein Sozialdemokrat Tariferhöhungen nicht umsetzt, dann ist Matthäus am Letzten. Das weiß doch jeder in diesem Land.
Jetzt will ich Ihnen noch ein paar andere Sachen sagen, die mir in den letzten Wochen aufgefallen sind.
Da gibt es ein Gerichtsurteil, wonach unsere Lehrerinnen und Lehrer jetzt einen Anspruch darauf haben, dass die Kosten, die bei Klassenfahrten entstehen, der Dienstherr bezahlen muss. Ich muss Ihnen ganz offen gestehen: Dass die Lehrerinnen und Lehrer in unserem Land so lange teilweise die Kosten für Klassenfahrten selber getragen haben, sollte man auch einmal anerkennen. Ich war einmal Minister. Hätte ich in meinem Ministerium gesagt, ihr sollt irgendwohin fahren, und hätte die Kosten dafür nicht bezahlt, hätten die meisten mir einen Vogel gezeigt.
Ich wollte ja nur einmal sagen, dass wir vielleicht einmal anerkennen sollten, dass unsere Lehrerinnen und Lehrer über viele Jahrzehnte und Generationen von Lehrern diese Kosten zum Teil selber übernommen haben. Dafür sollten wir auch einmal Dankeschön sagen.
Aber dass dann, wenn so ein Urteil da ist, eine Landesregierung acht Wochen braucht, um ein paar Millionen für die Finanzierung dieser Angelegenheit zu finden, macht doch deutlich, dass Sie keine Handlungsspielräume mehr haben.
Vor dem Landtag stehen einige Hundert junge Frauen, die in diesem Land PTA werden wollen. Die hatten ja immer schon eine Schulform, bei der es erhebliche Eigenbeteiligungen gab. Das Land will jetzt bei 2.000 PTAs in diesem Haushalt 500.000 € und im nächsten Jahr 700.000 €, also im Ganzen 1,2 Millionen € einsparen. Das Land zieht sich aus der Finanzierung dieser Schulen völlig zurück. Ich sage Ihnen ganz offen, Frau Kraft und die gesamte Landesregierung, ich verstehe die Logik nicht, dass Sie stolz darauf sind, dass ein Apotheker in diesem Land keine Gebühren für sein Studium bezahlen muss, aber seine PTA jetzt einfach im Stich gelassen wird.
dass der Apotheker sein Studium auf Kosten der Steuern der PTA finanziert und die PTA ihre Ausbildung selber bezahlen muss, dann möchte ich auf diese neue soziale Gerechtigkeit in NordrheinWestfalen gerne verzichten.