Protocol of the Session on March 20, 2013

Frau Ministerpräsidentin, zum dritten Mal hat unser Verfassungsgericht Ihre Haushaltspolitik für verfassungswidrig erklärt. Drei Mal in knapp drei Jahren

hat das höchste Gericht deutlich gemacht, dass Ihre Schuldenpolitik sich nicht mit Recht und Gesetz unseres Landes übereinbringen lässt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben es in der Landesregierung schon mit einer denkwürdigen Truppe zu tun, finde ich. Da gibt es einen Justizminister, der unbedingt ein Gesetz machen möchte, um die Abgeordnetenbestechlichkeit besser ahnden zu können, obwohl wir mit der Antwort auf die Kleine Anfrage 588 erfahren haben, dass es keinen einzigen Fall von Abgeordnetenbestechung gibt. Aber was macht ein Justizminister eigentlich mit einer Landesregierung, bei der der Verfassungsbruch in der Haushaltspolitik zu einer Reihengeschichte wird, weil ständig die Verfassung gebrochen wird?

(Beifall von der CDU und der FDP)

In der Urteilsbegründung des Gerichts heißt es – auch schon beim Urteil 2011 –, dass die Abwägung, ob eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorliegt, nicht nur frei von Willkür erfolgen muss, sondern dass die Argumentation, dass eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorliegt, auch nachvollziehbar und vertretbar sein muss.

Um es etwas einfacher auszudrücken: Das Gericht hat sehr deutlich gemacht, dass man dann, wenn man mehr Geld braucht, nicht einfach hier im Landtag erklären kann: Wir haben eine schlechte Konjunktur; der Art. 83 unserer Landesverfassung interessiert uns nicht mehr.

Diese Aussage des Gerichts macht deutlich, dass Tricksen und Täuschen mit unserer Landesverfassung nicht geht!

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Das Gericht hat auch deutlich gemacht, dass der Art. 83 Satz 2 der Landesverfassung – ich zitiere – „dem Schutz künftiger Generationen vor unbeschränkter Vorwälzung staatlicher Lasten“ dient. Weiter: „Bürger und Parlamente der Zukunft sollen davor bewahrt werden, den zur Bewältigung dann anstehender Probleme nach ihren Maßstäben benötigten finanziellen Handlungsspielräume zu verlieren …“

Ich bin dankbar, dass wir einen Verfassungsgerichtshof haben, der in dieser Deutlichkeit den Art. 83 Satz 2 als einen Schutz für die zukünftigen Generationen auslegt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Frau Ministerpräsidentin, wenn man sich Ihre Finanzpolitik anschaut, dann muss man sagen, dass dieser Art. 83 Satz 2 mittlerweile zum wichtigsten Kinderschutzartikel unseres Landes und unserer Verfassung geworden ist.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Um es deutlicher zu sagen: Bei mir zu Hause würde man sagen, dass eine Mutter, die auf Kosten ihrer Kinder gestaltet, eine Rabenmutter und keine Landesmutter ist.

(Beifall von der CDU)

Wir haben diese Verschuldung in den letzten Jahren erlebt. Im Jahre 2011 hat diese Landesregierung rund 3 Milliarden € neue Schulden gemacht, obwohl sie aufgrund der guten Konjunktur 2,7 Milliarden € Mehreinnahmen hatte. 2012 haben Sie 3,7 Milliarden € neue Schulden gemacht, obwohl Sie aufgrund der Konjunktur 5,4 Milliarden € Mehreinnahmen hatten. Und für dieses Jahr planen Sie sage und schreibe 3,4 Milliarden € neue Schulden, obwohl Sie im Vergleich zur Finanzplanung 2010 5,3 Milliarden € Mehreinnahmen haben.

Das heißt, in diesen drei Jahren nehmen Sie rund 10 Milliarden € neue Kredite auf, obwohl Sie gegenüber der alten Finanzplanung 16 Milliarden € Mehreinnahmen haben. Das ist keine solide Politik. Das ist keine nachhaltige Politik. Das ist die alte Verschuldungspolitik, die unser Land jetzt an die Grenzen der Handlungsfähigkeit gebracht hat.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Politik dieser Regierung sollte ja immer die Überschrift haben „Kein Kind zurücklassen“. In der Regierungserklärung vom 15. September 2010 sagte die Ministerpräsidentin:

„Wir stehen für eine nachhaltige Finanzpolitik. … Wir bekennen uns offen und selbstbewusst dazu, dass dies zunächst höhere Ausgaben und gegebenenfalls zusätzliche Schulden bedeutet.“

Und dann weiter:

„Nur eine mutige Politik, die auf die Stärkung von Familien, auf Prävention, auf beste Bildung von der Kita bis zur Hochschule zielt, führt im zweiten Schritt zu Wirtschaftswachstum, höheren Steuereinnahmen …“

Meine Damen und Herren, mit dieser Aussage soll das Prinzip des Schuldenmachens auch noch ein soziales Aushängeschild bekommen. Mit dieser Aussage soll das Prinzip des Schuldenmachens auch noch als mutige Politik dargestellt werden.

Ich sage Ihnen: Ihre Schuldenpolitik ist nicht mutig, sondern ist der alte sozialdemokratische Schlendrian, der seit 40 Jahren in diesem Land herrscht und uns fast jede Handlungsfähigkeit genommen hat!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie sind nicht bereit, in diesem Land Strukturen zu verändern. Und weil wir keine Strukturen verändern, sind wir nicht in der Lage, eine nachhaltige Haushaltspolitik zu betreiben.

Ich persönlich bin fest davon überzeugt, dass die beste Zukunftsprävention darin besteht, dass wir das, was wir uns heute an öffentlichen Leistungen

gönnen, auch heute finanzieren, dass wir immer daran denken, dass wir mit jedem Euro Schulden die Handlungsspielräume der nächsten Generation in diesem Parlament einschränken.

(Beifall von der CDU)

Jede Maßnahme, die wir ergreifen, muss daraufhin geprüft werden, ob sie wirklich so notwendig ist, dass wir deswegen die Handlungsfähigkeit einer uns nachfolgenden Generation in diesem Parlament und in dieser Gesellschaft so einschränken dürfen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Politik – Sie haben zu Beginn Ihrer Regierungszeit mit der Bewilligung Ihrer Wahlgeschenke über 1 Milliarde € verplempert – für Nordrhein-Westfalen nicht gut ist, dass diese Politik die Zukunft unseres Landes und der nachfolgenden Generation verfrühstückt.

Das Schlimmste ist aber: Sie tun so, als wäre die Bereitschaft zu neuen Schulden das Erkennungszeichen einer sozialen Politik, einer Politik der Prävention, der Nachhaltigkeit und der Generationengerechtigkeit. „Kein Kind zurücklassen“ – das ist der Spruch, mit dem Sie sich gegen den Vorwurf der Schuldenmacherei wehren.

Sie spielen Haushaltskonsolidierung und Politik für unsere Kinder gegeneinander aus. Sie spielen Haushaltskonsolidierung und Politik für sozial Schwache gegeneinander aus. Und Sie spielen Haushaltskonsolidierung und Armutsbekämpfung gegeneinander aus. Ich sage Ihnen: Das ist unredlich, das ist unsozial, und das ist zutiefst ungerecht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich möchte Ihnen heute in diesem Parlament auch sagen, dass es kein Alleinstellungsmerkmal der Politik der Regierung Kraft ist, dass wir kein Kind zurücklassen wollen. Ich kenne keine ernsthafte Politikerin und keinen ernsthaften Politiker in diesem Landtag, unabhängig von Parteizugehörigkeit und Fraktionszugehörigkeit, der bzw. dem nicht das Wohl der nachfolgenden Generation sehr am Herzen liegt.

(Beifall von der CDU und der FDP – Stefan Zimkeit [SPD]: Sie haben gerade das Gegen- teil unterstellt!)

Wir haben hier aber auch eine Verantwortung. Das bedeutet, dass wir alles tun müssen, damit unsere Kinder, egal, in welchen Familien sie geboren werden, welche Förderung sie von zu Hause erhalten können, eine faire Chance haben, in unserem Land einen sozialen Aufstieg und die soziale und gesellschaftliche Integration zu schaffen.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu gehört, dass wir auf Dauer einen handlungsfähigen Staat haben. Dazu gehört, dass wir in der Lage sind, das dafür Notwendige zu tun. Und dazu gehört eben nicht, in dem Umfang Wahlgeschenke zu ver

teilen, wie Sie es nach der Landtagswahl 2010 getan haben.

(Beifall von der CDU)

Ich will Ihnen noch einmal sagen, wofür Sie das Geld ausgegeben haben: Studiengebühren: 250 Millionen €,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

beitragsfreies Kindergartenjahr: 140 Millionen €

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

jetzt hören Sie mal auf zu klatschen! –,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Rücknahme der Konsolidierungen: 400 Millionen €. – Im Ganzen haben Sie über 1 Milliarde € ausgegeben, und Sie sind heute nicht mehr in der Lage, die notwendigen Gestaltungen vorzunehmen – darauf komme ich gleich noch zu sprechen –, was Sie auch alle wissen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie sind mit dieser Politik so weit gekommen, dass in diesem Jahr auf unser Land Nordrhein-Westfalen 60 % aller Kredite entfallen, die die 16 Bundesländer insgesamt aufnehmen. Sie sind so weit gekommen, dass 22 % der deutschen Gesamtbevölkerung – die Einwohner unseres Landes – 60 % der Verschuldung aller Länder zu verantworten haben.