Protocol of the Session on December 13, 2012

Und, um dies auch zu betonen: Wir müssen in Nordrhein-Westfalen schauen, dass wir unsere Standortbedingungen insgesamt verbessern und nicht verschlechtern. Deshalb, meine Damen und Herren, ist es gerade bei diesem Thema so wichtig, dass wir eben nicht den Weg, den diese Landesregierung einschlägt, weiterverfolgen und den Standort durch neue unnötige Gesetze schlechtmachen – wie mit dem Klimaschutzgesetz, dem Wasserentnahmegesetz

(Dietmar Bell [SPD]: Zum Thema, Herr Bro- ckes!)

und anderen Themen. Mit einer solchen Politik werden Sie nicht dafür sorgen, dass sich neue, attraktive, innovative Unternehmen in Nordrhein-Westfalen ansiedeln.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Hören Sie endlich auf, den Standort schlechtzumachen – im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, nicht nur in Bochum, sondern in ganz NordrheinWestfalen! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Brockes. – Für die Piraten spricht Frau Kollegin Pieper.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen! Ich stehe hier heute in erster Linie als Bochumerin. Plötzlich und unerwartet steht Opel Bochum vor dem Aus. Wie konnte das passieren? Wer hätte das erwartet? Pressekonferenzen vor Ort, Krisensitzungen und jetzt hier die Aktuelle Stunde.

Als sich mein Sohn im Jahre 2005, im Jahr des Zukunftsplans, der die Existenz des Bochumer Werkes sichern sollte, im Rahmen seines Studiums um einen Ausbildungsplatz bei Opel bewarb, glaubte eigentlich schon niemand mehr daran, dass er diese Ausbildung dort noch beenden würde. Erst recht glaubte niemand mehr an eine Zukunftsperspektive des Bochumer Werkes.

Das Thema Schließung geistert jetzt seit mehr als zehn Jahren durch Bochum. Aber wir alle wissen: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Mit Parolen wie „Totge

sagte leben länger“ hat man sich Mut gemacht und die Augen vor der Realität verschlossen. Heute sehen wir das Ergebnis des langen Zermürbungsprozesses.

Der US-amerikanische Mutterkonzern hat kontinuierlich aufgrund betriebswirtschaftlicher Berechnungen die Werke in Europa gegeneinander ausgespielt. Um das Ausmaß dieser Entwicklung zu verstehen, muss man verstehen, welche Bedeutung Opel für Bochum hat. Opel bedeutet für Bochumer Familien Tradition und Lebensphilosophie. Ein Opelaner zu sein, war und ist auch heute noch gleichbedeutend mit der Zugehörigkeit zu einer großen Familie. Auch deshalb war die Belegschaft immer wieder bereit, Einbußen hinzunehmen.

Mit dem Standort in Bochum sterben aber auch Stadtteile. Langendreer und auch Altenbochum haben von den Opelanern gelebt. Lebensmittelgeschäfte, Kneipen, Pommesbuden, der gesamte Handel basiert auf dem Opel-Werk. Jetzt stehen Belegschaft, Zulieferer und die Infrastruktur mehrerer Stadtteile vor dem Aus.

Für eine belastbare Zukunft des Standortes Bochum nach Opel, dessen absehbarer Tod auf Raten die Mitarbeiter nun umso härter trifft, hat sich keine der handelnden Parteien stark gemacht. Man hat zwar immer wieder mit GM verhandelt, aber niemand hat gleichzeitig einen Plan B entworfen. Hier wurde versäumt, spätestens nach der Schließung des Nokia-Werkes vor vier Jahren in eine zukunftsorientierte Arbeitsmarkt- und Weiterbildungspolitik zu investieren.

(Beifall von den PIRATEN)

So wurden die Chancen auf Schaffung eines fortschrittlichen Wirtschaftsstandortes vertan. Da nutzt auch der Gesundheitscampus nichts. Genauso wenig wie man die so genannten Schlecker-Frauen zu Erzieherinnen umschulen kann, wird man aus OpelFacharbeitern Hebammen, Logopäden oder Physiotherapeuten machen.

(Beifall von den PIRATEN)

Den betroffenen Arbeitnehmern wurde eine Sicherheit vorgegaukelt, die es zu keiner Zeit gab. Die von den Arbeitnehmern gebrachten Opfer wie der Verzicht auf Lohn, Lohnerhöhung, Weihnachts- und Urlaubsgeld wurden mit falschen Versprechungen erkauft. Den Mitarbeitern kann man somit keinerlei Fehlerverhalten zur Last legen.

Vielmehr muss sich die Konzernleitung von GM hier in die Pflicht nehmen lassen, die weder ehrlich mit den Mitarbeitern umgegangen ist noch den Standort Bochum jemals als zukunftsfähigen Standort ausbauen wollte. Es war deutlich einfacher, auf Kosten der Arbeitnehmer amerikanische Managementazubis der Konzernmutter GM durch die deutschen Opel-Vorstände zu schleusen. Deren durchschnittliche Verweildauer von drei Jahren in den Unterneh

men der Opel-Gruppe überzeugen nicht von einer nachhaltigen und verantwortungsvollen Konzernpolitik.

(Beifall von den PIRATEN)

Fast jeder Bochumer hat Verwandte, Freunde oder Bekannte, die bei Opel arbeiten. Das ist bei mir ganz genauso. Ich habe in den letzten Tagen viele Gespräche und Telefonate geführt. Was erwarten die Mitarbeiter jetzt eigentlich von der Politik? – Neben der Forderung nach einer Übernahme der Verantwortung mit den entsprechenden Konsequenzen von GM wurde immer wieder die Forderung laut, die Arbeitsagentur in Bochum möge mit genügend Mitteln ausgestattet werden, um wirklich qualitativ hochwertige zukunftsfähige Umschulungen zu garantieren.

50 Jahre Opel Bochum – eigentlich wäre dieses Jubiläum ein Grund zum Feiern, wenn es nicht auch gleichzeitig die Todesanzeige für den Standort wäre. Samstag sollte der Tag der offenen Tür auch ein Tag der Solidarität mit den Opelanern sein. Aber der Tag der offenen Tür im Bochumer Opel-Werk ist abgesagt worden, und, Herr Eiskirch, der Rat der Stadt Bochum – namentlich die SPD – hat das so mit entschieden.

(Beifall von den PIRATEN)

Dies ist bereits das zweite Mal, dass eine fertiggeplante Feier zum 50-jährigen Jubiläum abgesagt wurde. Bereits im Oktober war der Tag der offenen Tür geplant. Dieser wurde von der Geschäftsleitung aber kurzfristig zugunsten einer von mehreren Sonderschichten abgesagt. Es ist umso bemerkenswerter, dass Feiern wegen Sonderschichten abgesagt wurden, GM aber offensichtlich ab Januar 2013 Kurzarbeitergeld beantragen will. Das passt nicht zusammen. Kurzarbeitergeld ist für Firmen gedacht, die eine schwierige wirtschaftliche Lage überbrücken müssen und Mitarbeiter wieder in die Vollzeitbeschäftigung führen. Kurzarbeit dient nicht der Überführung in die Massenentlassung.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Werksleitung wollte auch als Zeichen gegenüber den Beschäftigten an der Veranstaltung festhalten. Opel ist und bleibt dem Standort Bochum verbunden. Doch die Voraussetzungen haben sich geändert. Die Veranstaltung würde einen gänzlich anderen Charakter bekommen und wurde abgesagt. Wovor hat man eigentlich Angst? Ist es wirklich die Sicherheit, die solche Sorgen macht, oder ist es nicht vielmehr die Sorge vor einer Solidaritätsbekundung, die auch GM nicht einfach ignorieren kann?

Wir sollten jetzt aber auch in die Zukunft schauen. Vor 50 Jahren gelang es, den Bergbaustandort in einen Industriestandort zu verwandeln. Warum sollte es jetzt nicht auch möglich sein, den Industriestandort in einen innovativen und zukunftsfähigen

Technologiestandort umzubauen? Viel Zeit dazu bleibt allerdings nicht mehr, und es gelingt auch nur, wenn jetzt alle nach vorne schauen und nicht die Fehler der Vergangenheit beweinen. Denn klar ist auch: Alleine wird Bochum das nicht schaffen. In diesem Sinne: Glück auf, Bochum!

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Pieper. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Duin das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe während der bisherigen Debatte – ich sitze vorne rechts – automatisch nach oben links geguckt und mir die Frage gestellt: Was werden die Kolleginnen und Kollegen von der Presse über diese Debatte wohl berichten?

(Zurufe von der CDU)

Nein, ich befürchte, dass sie möglicherweise folgende Überschrift wählen werden: Landtag streitet über die Situation in Bochum und streitet über das, was in Bochum passiert.

(Beifall von der SPD)

Das finde ich nicht angemessen. Denn in den inhaltlichen Forderungen, die wir haben, die ich auch von den bisherigen Rednern gehört habe, sind wir nah beieinander.

(Armin Laschet [CDU]: Lesen Sie mal die Plenardebatte von 2009!)

Leider haben einige Redner den Eindruck erweckt, als ob sie die Verantwortung von den eigentlich Verantwortlichen ablenken wollten und als ob sie …

(Armin Laschet [CDU]: Wer denn? Unglaubli- cher Unsinn! – Karl-Josef Laumann [CDU]: Lesen Sie mal die Rede von Frau Kraft aus dem Jahr 2009! – Weitere Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, ich finde, dass Frau Pieper

(Anhaltend Zurufe von der CDU)

gerade völlig zu Recht auf die eigentlich Betroffenen hingewiesen hat

(Armin Laschet [CDU]: Damals hat noch Frau Thoben gesprochen! Frau Thoben hat sich gekümmert! – Lachen von der SPD und den GRÜNEN)

und dass sie, wie wir in diesen Tagen auch in manchen Berichten …

(Unruhe)

Frau Präsidentin, es ist schwer, hier zu sprechen.

(Zuruf von der CDU)

Sie hat darauf hingewiesen, wie es zum Beispiel der Familie Wehmeyer oder der Familie Scherphausen geht, die in der dritten Generation in diesem Werk arbeiten, und dass es früher eine Selbstverständlichkeit gewesen ist – schließlich ist das Opel-Werk dort aufgrund des Strukturwandelns angesiedelt worden –, wenn man den Kindern eine Perspektive geben wollte, zu sagen: Geh du auch zu Opel. Dort lässt sich relativ gutes Geld verdienen. – Das hat zu einer sehr großen Identifikation mit der Marke und mit dem Produkt geführt. Und dass diese Produkte gut sind, ist auf vielfache Art und Weise unter Beweis gestellt worden, nicht zuletzt durch das „Goldene Lenkrad“ für den in Bochum produzierten Zafira.

Wir haben es mit einer Entscheidung zu tun, die offensichtlich in erster Linie in Detroit getroffen wurde und die außer Acht lässt, dass Bochum das Werk mit der besten Auslastung gewesen ist und dass Bochum das Werk ist, in der hervorragende Produkte von hervorragenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf den Markt gebracht wurden. Es ist schon vielfach auf die Situation auf dem europäischen Automobilmarkt und auf andere Zusammenhänge hingewiesen worden. Dass es jetzt ausgerechnet Bochum treffen soll, ist für uns und für die Landesregierung nach wie vor nicht nachvollziehbar.

Da nachgefragt wurde, wer wann was wo gehört hat, will ich Folgendes ganz klar in Erinnerung rufen: Das Unternehmen hat im Sommer dieses Jahres angekündigt, dass es über den Zafira hinaus keine Produktion von Automobilen in Bochum geben wird. Seitdem sind wir in intensiven Gesprächen mit dem Betriebsrat in Bochum, mit dem Gesamtbetriebsrat, mit der IG Metall und mit dem Unternehmen – nicht nur mit den Unternehmensvertretern in Rüsselsheim, sondern auch mit den Unternehmensvertretern in Detroit.

Im Herbst hat es eine Pressekonferenz von Herrn Girsky gegeben, die er in Deutschland abgehalten hat, bei der die Absicht, nach 2016 keine weiteren Automobile in Bochum herzustellen, bestätigt worden ist. Einige Agenturen haben daraus eine Neuigkeit gemacht, die es aber eigentlich nicht gewesen ist, sondern es ist die Bestätigung einer Absicht gewesen.