Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat vor etwas mehr als einem Jahr Nachbesserungen beim rechtlichen Rahmen für Akkreditierungen gefordert, die bisherige Praxis aber nicht völlig verworfen; denn sonst hätte das Gericht der Politik nicht eine großzügige Frist bis zum Ende des Jahres 2017 gesetzt, um auch tatsächlich nachbessern zu können.
Wir haben uns sehr früh auch hier im Parlament mit Fragen der Akkreditierung befasst. Auch haben wir uns mit der Notwendigkeit einer nach dem Urteil erforderlichen Neuregelung beschäftigt. Schließlich sind wir ja als Land, in dem die Akkreditierungsstiftung beheimatet ist, in besonderer Weise betroffen.
Wir hatten – das ist schon erwähnt worden – eine ausgesprochen gute und sachdienliche Anhörung im Wissenschaftsausschuss. Diese Anhörung hat sicherlich auch zu den Ergebnissen der KMK beigetragen, die seit Dezember 2016 vorliegen.
Wir Freien Demokraten können diese Ergebnisse im Wesentlichen mittragen. Das gilt auch dafür, dass die Akkreditierung künftig nicht mehr von den Akkreditierungsagenturen vorgenommen wird, sondern von dem mehrheitlich mit Professoren besetzten Akkreditierungsrat. Das erscheint uns durchaus angemessen.
Die Expertise der Agenturen bleibt auch erhalten; denn statt dass sie Entscheidungen fällen, sollen die Agenturen die Hochschulen bei der Qualitätssicherung beraten. Ebenso kann die Experimenturklausel notwendige Freiheiten bei der Gestaltung eines Studienangebots sichern, und die verfassungsrechtlichen Vorgaben werden damit aus unserer Sicht insgesamt auch erfüllt.
Ein bisschen zu kurz gekommen ist mir – das ist einer der Wermutstropfen – die Rückkopplung mit dem Parlament; denn wir wurden im Dezember letztlich vor vollendete Tatsachen gestellt. Wir hatten im Parlament durchaus einen sehr breiten Konsens darüber, dass wir gemeinsam an der Ausgestaltung mitwirken. Das entsprechende Gesetz und vor allem die dazugehörigen Verordnungen werden wohl erst in der nächsten Legislaturperiode verabschiedet werden.
Wir haben allerdings das Gefühl, dass mit diesem Antrag schon einige Eckpunkte festgezurrt werden sollen, insbesondere für die Verordnung; denn im Antrag der Kollegen von SPD und Grünen gibt es nicht nur den üblichen Lobgesang auf den KMKBeschluss, sondern auch eigene, über den KMK
Auffällig ist, dass in diesen Forderungen zum Beispiel die Studierbarkeit besonders herausgehoben wird. Das ist schon etwas verwunderlich; denn die Priorität beim Studium muss sein – das ist für uns nach wie vor die Priorität Nummer eins –, dass es die notwendigen Qualifikationen und Kompetenzen und das notwendige Wissen vermittelt. Die Studierbarkeit herzustellen, indem die inhaltlichen und methodischen Anforderungen an ein Studium gesenkt werden, weisen wir entschieden zurück. Das ist mit uns nicht zu machen. Über die Fragen der Qualität haben wir wiederholt diskutiert.
Schwer tue ich mich zudem mit den Passagen – der Kollege Bell hat sie gerade noch einmal ausdrücklich angesprochen –, bei denen es um die Ausdifferenzierung der Studienangebote geht. Die Ministerin beklagt diese Ausdifferenzierung ebenfalls regelmäßig. Ich sage nur: Wir wollen diese Ausdifferenzierung und diese Vielfalt nicht eindampfen. Wir wollen, dass die Hochschulen weiterhin die Möglichkeit haben, passgenaue Angebote zu machen, die auch berufsqualifizierend sind. Zum Beispiel bei den Fachhochschulstudiengängen ist die Verzahnung zwischen Studium und Berufsanschluss, also das Erlangen der Berufsfähigkeit, oftmals ein ganz wichtiges Anliegen.
Insofern wollen wir eher dafür Sorge tragen, dass den Studienanfängern bereits vor Studienbeginn bzw. mit dem Studienbeginn klar ist, in welche Richtung sie gehen und welche Möglichkeiten sie haben. Hier werden wir bei der Transparenz sicherlich noch ein bisschen nachhelfen können. Jedenfalls geht es nicht darum, die Ausdifferenzierung der Studiengänge als solche an den Pranger zu stellen. Jeder ist nämlich selbst der Experte für seine eigene Lebensgestaltung, und wir wollen dort niemandem irgendwelche Zukunftschancen verbauen und auch niemanden bevormunden.
Ich will deswegen zusammenfassend sagen, dass wir mit dem Staatsvertrag zwar grundsätzlich einverstanden sind, die Hinweise auf die kommende Verordnung jedoch nicht unsere Zustimmung finden. Deswegen werden wir uns insgesamt der Stimme enthalten.
Wenn es mir der Präsident gestattet – ich weiß, meine Redezeit ist beendet –, will ich wenigstens eine kurze Bemerkung an die Kollegin Ruth Seidl richten, die sich nach 17 Jahren gemeinsamer Parlamentsarbeit entschieden hat, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen.
Liebe Ruth Seidl, wir haben nicht nur in den letzten fünf Jahren im Wissenschaftsausschuss gut zusammengearbeitet – auch wenn du eine von den anderen warst und bist –, sondern wir hatten auch vorher
schon, nämlich in der Vollzugskommission, das Vergnügen. Ich kann an dieser Stelle einfach nur sagen: Ich möchte mich bei dir für die menschlich immer gute, sachliche und konstruktive Zusammenarbeit herzlich bedanken. Es hat wirklich Freude gemacht, dich als Kollegin kennenlernen zu dürfen und mit dir zusammenzuarbeiten. Ich wünsche dir alles, alles Gute, und ich hoffe, wir verlieren uns nicht ganz aus den Augen. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Was wäre ein gutes Musikstück ohne Kontrapunkt? Der Kontrapunkt macht die Sache erst richtig rund.
Aber bevor ich dazu komme, möchte ich mich bei den Ausschusskollegen für die vertrauensvolle Zusammenarbeit, für die harte – teilweise sehr harte – Auseinandersetzung in den Sachen und bei Frau Ministerin und den Mitarbeitern für ihr stetes Ringen um die Transparenz der Darstellung, gerade auch was diesen Prozess angeht, ganz herzlich bedanken.
Gleichwohl sind wir Piraten der Ansicht, dass wir uns heute nur deshalb über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unterhalten müssen, weil sich der Bologna-Prozess als eine der Grundursachen für die Verschulung von Studiengängen herausgestellt hat.
Die im Antrag von Rot-Grün hervorgehobene Kritik der Unstudierbarkeit und der fehlenden Mobilität teilen wir ausdrücklich. Die Umstellung auf das Bachelor-/Mastersystem ist in keinem anderen europäischen Land so angegangen worden wie in Deutschland. Man kann jetzt sagen, das mag ein Stück weit an der sprichwörtlichen deutschen Gründlichkeit liegen; jedoch wurde eine komplette Generation als Versuchsobjekt für feuchte neoliberale Ranking- und Messbarkeitsträume verschlissen.
Die Überfrachtung von Studiengängen war über Jahre hinweg ein Teil der Kritik von Studierenden. Auch wenn diese Kritik leiser geworden ist, da sich die Studierenden mit dem System arrangieren mussten, ist die grundsätzliche Kritik immer noch allgegenwärtig; denn ein Studium ist immer auch ein weiterer Persönlichkeitsfindungsprozess – jetzt eben in der Adoleszenzphase eines Menschen –, und das nicht nur berufsbezogen.
Wir alle wissen das nur zu genau. Die meisten von uns Älteren haben die nötige Zeit gehabt, um ihren Horizont im Studium zu erweitern. Ob alle von uns davon Gebrauch gemacht haben, fragen Sie mich bitte nicht. Das vermag ich nicht zu beurteilen.
Wir verknappen heute diese Zeit auf Regelstudienzeiten und messen die Qualität anhand von Kriterien wie Credit Points und Employability. Das ist ein massiver innovationsfeindlicher Anschlag auf die Bildungs- und Wissenschaftsfreiheit. Wir verlangen jungen Menschen ab, dass sie sich nach drei Jahren Studium im Alter von 20 bis 21 Jahren auf so viele Erfahrungen berufen können wie Menschen, die bereits seit zehn Jahren im Beruf sind.
Wie soll das, bitte schön, funktionieren? Das ist absurd und grenzt an verordnete Bulimie, an den alten Trichter aus Nürnberg. So kommentierte Jürgen Kaube bereits 2015 in der „FAZ“ – ich zitiere:
„Heute aber verlässt nach Zahlen des Deutschen Hochschulverbandes jeder dritte Student vor dem ersten Abschluss die Universität. Zwei von fünf, die für Mathematik oder Naturwissenschaften eingeschrieben sind, bleiben ebenfalls ohne Bachelorabschluss. In den Sozialwissenschaften sowie in Jura und Ökonomie schließt jeder Vierte nicht ab. Politik bedeutet ja auch, sich auf keinen Fall mit den eigenen Entscheidungen blamieren zu wollen. Folglich mussten die Hochschulen für das Scheitern von Bologna verantwortlich gemacht werden. Man habe, heißt es seit einiger Zeit, wenn die Mängel nicht mehr weggeredet werden können, vielerorts Bologna schlecht umgesetzt. Dass die völlig überflüssigen und noch dazu teuren Akkreditierungsagenturen überall all die Studiengänge offiziell für gut und ‚studierbar‘ befunden haben, die jetzt von so vielen Studenten abgebrochen werden, passt dazu allerdings nicht.“
Und das vor dem Hintergrund, dass uns Intelligenzforscher bescheinigen, dass der durchschnittliche IQ in den letzten Jahren weiter gestiegen ist. Hier liegt für uns der Knackpunkt. Diese Agenturen sind unserer Meinung nach überflüssig. Die Qualitätssicherung kann die Wissenschaft selbst übernehmen, und zwar unter maßvoller Aufsicht des Landes.
Dass dieser Webfehler trotz – ich sag es mal so – Klatsche durch das Bundesverfassungsgericht nach unserer Auffassung jetzt nicht wirklich korrigiert worden ist, zeigt dieser Antrag. Er gehört ein bisschen in die Kategorie wie die Ihrer Haltung zu G8 und G9. Fehler können nur dann wirklich korrigiert werden, wenn man auch den Mut dazu hat.
Wir lehnen diesen Antrag ab. Befreien Sie sich doch mal und sprechen mir einfach mal nach, was viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Par
lamentarier aller Fraktion seit Jahren hinter vorgehaltener Hand immer wieder sagen. Sprechen Sie mit mir mit: „Bologna ist Mist!“ – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie Sie alle wissen, ist spätestens seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil aus dem vergangenen Jahr klar: Das Akkreditierungswesen wird nicht grundsätzlich in Frage gestellt, aber es muss auf jeden Fall nachgebessert werden. Wir brauchen neue Rechtsgrundlagen.
Das Ziel ist, so glaube ich, ebenfalls klar. Wir brauchen eine sichere gesetzliche Grundlage zugunsten der Qualitätssicherung in der Lehre, und die muss so beschaffen sein, dass sie die Wissenschaftsfreiheit eben nicht einschränkt. Deshalb begrüßt es die Landesregierung, dass SPD und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das hier auch noch mal zum Thema im Parlament machen.
Die Ziele, die wir in der Veränderung jetzt nach vorne bringen wollen, sind schon gemeinsame Ziele, und sie sind weitestgehend klar. Wir wollen, dass die Systemakkreditierung das bevorzugte Verfahren der Akkreditierung bleibt – oder dass sie es wird – und die Programmakkreditierung weiterhin zulässig ist. Wir wollen einfachere Akkreditierungsverfahren und die Fristen zur Reakkreditierung flexibler handhaben, um die Arbeitsbelastung an den Hochschulen zu verringern. Außerdem wollen wir die fachlichen Kriterien von den Studiengängen etwas weiter fassen, damit die Anerkennung der von anderen Hochschulen erbrachten Leistungen vereinfacht und flexibler möglich wird.
Frau Freimuth, natürlich geht es auch darum, die hohe Qualität der Studiengänge zu erhalten. Ich glaube, das ist das gemeinsame Ziel, und trotzdem muss man noch einmal auf die Organisation des Studiums schauen. Die am häufigsten geäußerte Kritik lautet, dass das Studium einfach nicht so organisiert ist, dass es auch wirklich studierbar ist. Deswegen ist die Studierbarkeit ein ganz, ganz wichtiger Faktor.
Nordrhein-Westfalen ist als Sitzland der Akkreditierungsstiftung hier für alle Bundesländer unterwegs. Es muss also ein Prozess über 16 Bundesländer organisiert werden. Das ist nicht ganz einfach; aber uns war von vornherein daran gelegen, dass das ein gemeinsamer Prozess ist. Dieser Abstimmungsprozess mit unseren Hochschulen, mit der Kultusministerkonferenz, mit dem Akkreditierungsrat und mit den anderen Bundesländern ist daher sehr früh angestoßen
Unser Ziel als Landesregierung war und ist, die Akkreditierung von Studiengängen in Deutschland mit allen Beteiligten wirklich neu zu regeln. Daran haben wir in den vergangenen Monaten gearbeitet, sodass nun auch ein Ergebnis vorliegt. Die Ministerpräsidentenkonferenz hat am 16. März abschließend über den Staatsvertragsentwurf abgestimmt. Die Unterzeichnung soll Anfang Juni dieses Jahres erfolgen. Danach kommt es natürlich noch zum parlamentarischen Verfahren, auch wieder hier, im neu gebildeten Landtag.
Es gibt jetzt zusätzlich eine länderoffene Arbeitsgruppe, die im vergangenen September eingesetzt wurde. Auch da hat Nordrhein-Westfalen die Federführung. Diese Arbeitsgruppe soll eine Musterrechtsverordnung vornehmen. Sie hat ihre Arbeit bereits begonnen und zahlreiche Sachverständige angehört. Sie sehen, wir sind auf einem guten Weg.
Nordrhein-Westfalen hat dabei eine ganz besondere Rolle, weil wir eben Sitzland der Stiftung für Akkreditierung sind, weil wir die Moderation in dem KMKVerhandlungsprozess übernommen haben und weil wir auch Impulsgeber für die Weiterentwicklung der Qualitätssicherung in Lehre und Studium an den deutschen Hochschulen sind, so wie wir es hier im Parlament gemeinsam diskutiert haben.
Meine Damen und Herren, weil das der letzte Punkt des Wissenschaftsausschusses in dieser Legislaturperiode ist, möchte ich noch die Gelegenheit nutzen, ganz, ganz herzlich Dankeschön zu sagen. Der Wissenschaftsausschuss ist geprägt durch eine engagierte, zugleich aber konstruktive Debatte, und dafür möchte ich Danke sagen. Ich glaube, uns eint alle, dass wir die Hochschulen, dass wir die Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen stärken wollen, und das ist in den Diskussionen auch immer wieder deutlich geworden.
Ich möchte ganz besonders Frau Seidl danken, die über viele, viele Jahre die Ausschussarbeit mitgeprägt hat. Vielen Dank für Ihr langjähriges und großes Engagement. Und auch vielen Dank an Herrn Paul, der den Ausschuss erfrischend belebt hat, und von dem wir ja noch nicht wissen, ob er wieder mit dabei ist.