Protocol of the Session on April 7, 2017

Die Legislaturperiode endet für mich und für uns nicht am 14. Mai, sondern am 31. Mai. Bis dahin werden wir objektiv, transparent und konstruktiv den Auftrag weiterverfolgen, an der Aufarbeitung dieses Anschlags mitzuwirken. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Düker. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Dr. Stamp.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Vorsitzende hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es um Sachlichkeit gehen muss. Deswegen möchte ich einen Satz von Ihnen noch einmal deutlich unterstreichen: Wenn es hier um Schuld geht, dann liegt diese einzig und allein bei Anis Amri und bei niemandem anderen sonst.

(Beifall von der FDP, der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wir wollen uns aber damit auseinandersetzen, was die Verantwortung angeht und was man möglicherweise im Vorfeld hätte tun können oder müssen, um diesen Anschlag, so wie er nachher zustande gekommen ist, zu vermeiden.

Frau Kollegin Düker, wir können nicht die Fehler in Berlin untersuchen, weil das nicht unser Zuständigkeitsbereich ist.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das habe ich gar nicht gesagt, Herr Dr. Stamp!)

Dementsprechend haben wir uns beim Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „NSU“ auch nicht mit Thüringen auseinandergesetzt, sondern mit Nordrhein-Westfalen.

Weil hier gerade wieder der Eindruck erweckt worden ist, wir würden, weil das Ausländerrecht in der einen oder anderen Weise nicht angewandt worden ist, aus Wahlkampfzwecken den Rücktritt von Herrn Minister Jäger fordern, möchte ich deutlich sagen: Das ist nicht richtig. Wir haben – ich wiederhole das für die Freien Demokraten gebetsmühlenartig –den Rücktritt des Ministers nicht gefordert, weil in Behörden Fehler gemacht worden sind, sondern weil von vornherein gesagt worden ist: In Nordrhein-Westfalen sind keine Fehler gemacht worden. – Ich bleibe dabei: Wenn man Fehler nicht eingesteht – und jeder hier im Haus weiß, dass Fehler gemacht worden sind –, dann ist man nicht in der Lage, eine Fehleranalyse vorzunehmen, und dann wird man Fehler wiederholen. Das ist es, was wir für unverantwortlich halten, und deshalb fordern wir die Ablösung von Ralf Jäger.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Herr Kollege Dr. Stamp, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Düker?

Ja, ich gestatte selbstverständlich die Zwischenfrage.

Danke für die Zulassung der Zwischenfrage, Herr Kollege Dr. Stamp. – Würden Sie bitte endlich einmal zur Kenntnis nehmen, dass sich unsere Ergänzungsanträge zum Einsetzungsbeschluss, hier auch das Land Berlin zu erwähnen, nicht auf den Untersuchungsauftrag bezogen haben, sondern allein auf die Sachverhaltsdarstellung? Und würden Sie mir zustimmen, dass in der Sachverhaltsdarstellung dieser Fall Amri sehr wohl einen Bezug zu NRW und zu Berlin hat – wie gesagt, in der Sachverhaltsdarstellung –, weil sich Amri nachweislich nach dem 18. August nur noch in Berlin aufgehalten hat?

Frau Kollegin, mit letzterer Behauptung wäre ich ausgesprochen vorsichtig, weil mittlerweile von den Medien auch ausgesprochen infrage gestellt wird, ob das tatsächlich der Fall gewesen ist.

(Monika Düker [GRÜNE]: Aber in Berlin hat er sich nun einmal aufgehalten!)

Im Übrigen hat von der Opposition zu keinem Zeitpunkt irgendjemand behauptet – daran kann ich mich nicht erinnern; jedenfalls kann ich das für die Freie Demokraten sagen –, es wären keine Fehler in Berlin oder im Bund gemacht worden. Wir sind aber der Landtag von Nordrhein-Westfalen, und wir haben die Aufklärungsarbeit hier zu machen. Wir haben uns natürlich auch darüber auseinanderzusetzen, welche Probleme es an den Schnittstellen zum Bund und nach Berlin gegeben hat. Das ist selbstverständlich. Unsere Aufgabe ist es aber, in Nordrhein-Westfalen zu klären: Was ist hier schiefgelaufen?

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN – Stefan Engstfeld [GRÜNE]: Die Schnittstellen wollen Sie aber nicht benen- nen?)

Frau Kollegin Düker, wir sagen auch nicht, wir wollen Probierbehörden. Es ist aber auch nicht so gewesen, dass Behörden entschieden haben, sondern – und das ist keine Beweiswürdigung – es war in den Medien nachzulesen, dass der Abteilungsleiter selbst im Ausschuss eingeräumt hat, dass er allein über die Anwendung entschieden hat, ohne Rückkopplung mit anderen Abteilungsleitern und ohne Rückkopplung mit dem Minister. Wir sind der Meinung, dass da in der Sicherheitsarchitektur dieses Hauses etwas gründlich schiefläuft, und das muss thematisiert werden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Insofern, Frau Ministerpräsidentin, bin ich auch nicht einverstanden, wenn wir heute in den Blättern des DuMont-Verlags nachlesen können, dass die Haltung der Landesregierung im Grunde schon Mitte Januar festgestanden hat, dass es da schon die Fest

legung gab vom Justizministerium, vom Innenministerium, von der Staatskanzlei: In Nordrhein-Westfalen sind keine Fehler gemacht worden. – Anschließend gibt man ein Gutachten in Auftrag, das klären soll, wo Fehler geschehen sind. Das passt nicht zusammen. Insofern war von vornherein klar, dass dieses Gutachten leider nur ein Auftragsgutachten ist.

(Bernhard von Grünberg [SPD]: Mein Gott! Was für eine Logik!)

Deswegen sind Sie selbstverständlich voll mit in der Verantwortung, Frau Kraft.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Erstaunlicherweise war schon in dem Schreiben der Staatskanzlei davon die Rede, dass Meldeauflagen gar nicht möglich gewesen wären. Meldeauflagen nicht möglich! – Es ist ja selbst schon in der ersten Sitzung des Innenausschuss am 5. Januar klargewesen, dass Meldeauflagen selbstverständlich möglich gewesen wären. Man kann sich aus ermittlungstaktischen Gründen unterhalten, ob nicht oder ob doch. Dass Sie aber bei sich im Kabinett verkündet haben, dass Meldeauflagen nicht möglich gewesen sind, zeigt, dass Sie sich nicht ernsthaft mit einer Fehleranalyse beschäftigt haben und dass es umso wichtiger ist, dass wir diesen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss machen.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Herr Vorsitzender, wir hätten uns eine andere Herangehensweise gewünscht. Deswegen haben wir auch – Herr Kollege Stotko – bestimmten Beweisanträgen nicht zugestimmt, weil wir gesagt haben, zum jetzigen Zeitpunkt wollen wir den Bundesinnenminister, die Ministerpräsidentin und den Innenminister noch gar nicht hören,

(Thomas Stotko [SPD]: Ja, im August!)

weil wir der Meinung sind, wir müssen zunächst die Arbeitsebene hören.

Frau Kollegin Düker, vorhin ist von Ihnen wieder das GTAZ angesprochen worden. Wir haben überhaupt noch niemanden aus dem GTAZ gehört. Wir haben im Übrigen aus dieser sogenannten Sicherheitskonferenz in Nordrhein-Westfalen bisher überhaupt noch niemanden gehört. Jetzt machen wir aber einen Zwischenbericht. – Wenn die entscheidenden Stellen überhaupt noch nicht gehört worden sind, macht ein Zwischenbericht keinen Sinn.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Deswegen haben wir Freie Demokraten von Anfang an gesagt, dass es völliger Mumpitz ist, zum jetzigen Zeitpunkt einen Zwischenbericht vorzulegen.

Jetzt haben wir diesen Zwischenbericht. Wenn man Zeugenaussagen im Umfang von über 700 Seiten

hat und man das auf 60 Seiten zusammenfasst, dann ist das natürlich eine Beweiswürdigung, weil Sie von dem Umfang der 700 Seiten so und so viele Bereiche weglassen müssen.

Ich mache Ihnen das an einem konkreten Beispiel klar: Wenn der Leiter der Behörde A bei uns im Ausschuss erklärt, er kennt den Leiter eines Gremiums B persönlich gar nicht, dann lässt das natürlich den Zweifel zu, ob die Sicherheitsarchitektur im Innenministerium und in unseren Sicherheitsbehörden wirklich funktioniert. Und wenn genau eine solche Passage der Zeugenaussage weggelassen wird, dann ist das natürlich eine Beweiswürdigung, und deswegen ist das, was Sie hier vorlegen, nicht rechtskonform. Deswegen braucht es dafür eine Zweidrittelmehrheit. Die haben Sie nicht bekommen, weil die Piraten, die CDU und wir das nämlich genau anders sehen.

(Beifall von der FDP, der CDU und den Pira- ten)

Ich habe jetzt gegen den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Klage eingereicht. Wir können uns deswegen trotzdem ohne Weiteres in die Augen sehen; da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Das muss jetzt rechtlich geklärt werden. Das wird sicherlich auch noch ein wenig dauern, weil das tatsächlich ein juristisches Neuland ist. Aber wir fühlen uns auch in unseren Rechten im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss verletzt – ich habe es gerade materiell dargestellt, wie wir das sehen. Die anderen rechtlichen Fragen sind zu klären.

Wir wünschen uns alternativ zu diesem Bericht eine weitere, systematische Zeugenbefragung, einen echten Aufklärungswillen und dann ein Sonderplenum im Mai, wo wir über diese Ergebnisse sprechen und zu dem Zeitpunkt einen Bericht auf den Weg bringen können. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Stamp. – Für die Piratenfraktion spricht jetzt Frau Brand.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer! Herr Dr. Stamp und Herr Sieveke haben ja schon einiges inhaltlich ausgeführt, was wir kritisieren: die Festlegung auf die vollkommene Unschuld von NRW bereits am 13. Januar durch Staatskanzlei und Innenministerium, die Vorgehensweise bei den Zeugen und letztendlich auch die Frage, die jetzt sogar von den Gerichten geklärt wird: Ist dieser Zwischenbericht mit seiner zusammenfassenden Kürzung der Zeugenaussagen bewertend oder nicht bewertend?

Ich will aber noch einmal auf ein, zwei einzelne Aspekte eingehen: Es wurde eben so dargestellt, wir wären überrascht gewesen, dass jetzt auf einmal so wenig Zeit ist. Ich denke, allen Fraktionen war selbstverständlich von Anfang an klar, dass wir nur sehr, sehr wenig Zeit haben – wohlgemerkt: bis zum Ende der Legislaturperiode, zumindest aber bis zum 14. Mai. Es geht aber dann doch letztendlich darum, wie diese Zeit idealerweise genutzt wird, um maximal aufzuklären.

Wenn wir schon diverse Sitzungen des Innenausschusses im Januar hatten, wo sich mehrmals der Innenminister und andere aus dem Ministerium äußern konnten, dann ist es doch umso wichtiger, erst einmal wieder eine Basis zu schaffen für neue Fragen. Herr Stotko sagte: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. – Nein! Es ist doch so, dass man erst an die Großen herankommt, wenn man Fleisch an den Knochen gebracht hat, wenn man Zeugen aus den Behörden vernommen hat, wenn man weiß, was denn auf den Ebenen gelaufen ist, nach oben kommuniziert, weiterverteilt worden ist und wo dort die Fehler passiert sind, um dann mit diesem neuen Wissen, diesen Inhalten, diesen Kenntnissen aus diesen Zeugenbefragungen erst wieder in den Bereich des Ministeriums oder der Kanzlei zu gehen.

Das ist nicht erfolgt, obwohl entsprechende Beweisanträge von CDU, FDP und Piraten vorlagen. Aber was passiert? – Ich habe es am Mittwoch schon kurz gesagt: Es passieren so merkwürdige Sachen, dass Donnerstag dem Beweisantrag zugestimmt wird, Herrn de Maizière zu vernehmen. Ich denke, Herr de Maizière hat sicherlich den einen oder anderen Termin neben unserem Untersuchungsausschuss. Und der schafft es tatsächlich, fünf Tage später schon bei uns im Untersuchungsausschuss zur Verfügung stehen, während andere Beweisanträge von unserer Seite, wo es um die Behörden geht, zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht berücksichtigt worden sind.

Jetzt erst am Montag – auch das ist schon angesprochen worden – werden wir die Mitarbeiter der Kreisbehörde Kleve befragen. Das ist etwas, was wir zwingend ganz an den Anfang hätten stellen müssen, weil dort viele Fäden zusammengelaufen sind oder eben auch nicht zusammengelaufen sind. Darauf haben wir von Anfang an gedrungen: zum einen, dass wir gesagt haben, erst die Behörden, und dann nach oben befragen, und auf der anderen Seite überhaupt von den Behörden als erstes Kleve. – Die kommen jetzt also am Montag dran.

Dann wird dieser Zwischenbericht beantragt. Natürlich gibt es ein Interesse der Öffentlichkeit, und natürlich sollte es einen Zwischenbericht geben. Aber wenn jetzt einige Fraktionen sagen, von einer Sondersitzung sei nie die Rede gewesen und das sei ihnen ja völlig neu, dann ist das einfach nicht wahr. Es war allen bei der wenigen Zeit, die wir haben, klar,

dass wir wirklich bis auf Kante, mindestens bis zur Wahl und vielleicht auch bis zum Ende der Legislaturperiode Zeugen befragen werden.

Das tun wir ja auch. Wir haben heute Abend einen Termin; wir haben Montag einen Termin, am 21. April, am 27. April, am 3. Mai, 5. Mai und optional am 18. und am 19. Mai. Da werden wir Zeugen befragen, und dann macht es doch Sinn, dass man sagt: Vielleicht nicht am 18. Mai, aber nach dem 5. Mai, wenn wir die letzten Zeugen haben, denken wir über eine Sondersitzung und einen Zwischenbericht nach. – Dahin gehört ein solcher Zwischenbericht und nicht einfach mittendrin bei der knappen Zeit, die wir sowieso nur haben!

Dieser Zwischenbericht hat einen ganzen Montag aufgefressen, wo wir mindestens vier bis fünf Zeugen aus den Behörden hätten vernehmen können. Und wenn jemand sagt: „Der kostet uns ja gar keine Zeit!“, doch, der hat uns einen ganzen wertvollen Tag zur Vernehmung von Zeugen gekostet. Ich finde, das ist bei der Kürze der Zeit sehr viel.

Das Ganze hat mich so, wie es jetzt läuft und gelaufen ist, sehr enttäuscht. Aber selbstverständlich werde ich genau wie meine Kollegen weiter arbeiten. Wir werden weiter um objektive Aufklärung bemüht sein. Sie bekommen uns an der Stelle nicht klein; wir machen weiter. – Vielen Dank.