Protocol of the Session on April 5, 2017

Die vielen Opfer und die Menschen im Land haben aber auch erwartet, dass wir die ganze Wahrheit über die Silvesternacht klar benennen: alle Ermittlungsergebnisse des Ausschusses, und zwar ungeschönt und unzensiert, auch wenn es um die Verantwortung der Landesregierung geht. Diese Wahrheit hat Rot-Grün mit der Mehrheit im Ausschuss verhindert. Mit Mehrheit wurden die für das Innenministerium, die Landesoberbehörde, die Staatskanzlei unbequemen Ermittlungsresultate des Ausschusses zensiert.

Meine Damen und Herren, für Sie entscheidend war also nicht die Wahrheit, sondern die Mehrheit. Diese Geschichtsklitterung werden Ihnen die Menschen im Lande nicht durchgehen lassen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich sage Ihnen: Wir werden Ihnen das auch nicht durchgehen lassen.

Deswegen haben wir gemeinsam mit der CDU das Sondervotum verfasst, um wirklich alle Ergebnisse des Ausschusses schonungslos zu benennen. Ich glaube, die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf. Denn – um das klar zu sagen – nicht nur das schlimme Ereignis, das wir als Ausschuss untersucht haben, war ja ein Skandal, sondern dieser Umgang mit den Ergebnissen ist ebenfalls einer und lässt im Grunde auch die so notwendige Achtung vor den Opfern vermissen.

Verehrte Kollegen von Rot-Grün, Sie haben in diesem Ausschuss offenkundig oftmals nicht die Wahrheit und Fehler gesucht, sondern vielmehr Schuldige, die dann aber – so viel war ja im Vorfeld schon klar –

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

nicht im Innenministerium und in einer Landesoberbehörde sitzen durften. Sie haben ja mit zweierlei Maß gemessen. Das PP Köln, die Stadt Köln, die Bundespolizei und deren Mitarbeiter wurden von Ihnen – übrigens auch vom Innenminister – massiv kritisiert. Dem LZPD, dem MIK und den Beamten des höheren Dienstes wurde aber sogar unmittelbar nach den Ereignissen quasi ein Persilschein ausgestellt. Genau das findet sich jetzt auch im Abschlussbericht im Mehrheitsvotum von Ihnen so wieder.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich sage Ihnen: Ich finde das beschämend. Wer nicht bereit ist, sich eigene Versäumnisse einzugestehen, der wird doch auch nicht bereit sein, das wirklich abzustellen und Maßnahmen in die Wege zu leiten, damit sich das nicht wiederholt.

Dass Sie gerade beispielsweise alle Parallelen zwischen der Silvesternacht und der Love-Parade im Abschlussbericht gestrichen haben, weil sie in erschreckender Weise …

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Doch, Herr Körfges, weil es die gab und die auch in erschreckender Weise zeigen, dass eben nicht ausreichende Lehren gezogen wurden. Das ist doch im Grunde unfassbar. Sie haben ja im Prinzip das ganze Kapitel komplett gestrichen, und auch damit lassen Sie im Grunde die Achtung vor den Opfern der Silvesternacht, aber auch der Love-Parade vermissen. Ich finde – auch wenn ich mich wiederhole – auch das beschämend.

Meine Damen und Herren, was bleibt nun im Ergebnis? – Für Stunden war die Gegend rund um den Dom, rund um den Bahnhof eine rechtsfreie Zone, in der Ordnungsamt und Polizei nicht präsent waren, nicht im Bilde waren und nicht durch entschlossenes Durchgreifen verhinderten, dass vielen hundert Frauen massive Übergriffe und Gewalt angetan wurden. Da bin ich bei Ihnen, Herr Körfges. Wenn man frühzeitig eingeschritten wäre, hätte man nicht alles

verhindern können, aber man hätte wahrscheinlich einen Großteil der Taten verhindern können.

Aber zur Wahrheit gehört auch, dass diese Taten auch zustande kommen konnten, weil die Polizei, weil die Stadt Köln eben nicht diese angesprochenen Lehren aus der Love-Parade gezogen haben und weil auch das LZPD und das Innenministerium ihre Fachaufsicht trotz Vorlage auch der Kölner Kräfteanforderung beispielsweise nicht wahrnahmen und ein unzureichendes Bild von der Sicherheit in Stadt und Land hatten.

Sie sagen: Das war ein neuer Modus Operandi und man hätte das ja alles nicht wissen können. – Es hat sich doch im Untersuchungsausschuss gezeigt, dass es sich bei den Erscheinungen in der Silvesternacht in Köln eben nicht um ein neues, nie dagewesenes Phänomen handelte, sondern um ein in Ausmaß, Häufung und Kombination neues Phänomen. Sexuelle Belästigungen von Frauen hat es durch entsprechende Personen auch aus den Maghreb-Staaten doch sehr wohl bereits im Vorfeld immer wieder gegeben. Es gab Erkenntnisse. Es gab Anzeichen. Es gab Mahnungen, Warnungen. Frau Scharrenbach hat eben Herrn Regierungspräsidenten a.D. Bollermann erwähnt. Es gab Warnungen im Vorfeld. Es gab die Erkenntnisse zur gewaltbereiten Täterklientel „Nafri“. Nur wurde eben nicht ausreichend hierauf reagiert.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Doch nicht nur das! Die Landesregierung war nicht nur im Vorfeld der Lage nicht gewachsen, sondern – das muss man auch ansprechen – auch nach den schrecklichen Geschehnissen war die Landesregierung dieser Situation nicht gewachsen.

Als läge Köln im tiefsten Urwald, brauchten Sie, Herr Innenminister, brauchte die Ministerpräsidentin vier ganze Tage, bis sie auf die Verbrechen in Köln überhaupt reagiert haben. Lokale und soziale Medien berichteten darüber immer intensiver doch seit dem Neujahrstag. Bis zum 11. Januar, also zwei Wochen, brauchte die Ministerpräsidentin, um den Opfern erstmals ihr Mitgefühl zu bekunden. Das findet sich jetzt übrigens auch nicht im Bericht wieder, weil Sie es herausgestrichen haben.

Hinzu kommt: Der Innenminister und die Ministerpräsidentin haben uns immer viel versprochen, Aufklärung, Transparenz. Aber was ist denn stattdessen passiert? – Immer wieder wurde seitens der Landesregierung doch die Arbeit des Ausschusses behindert, indem Notrufe von Opfern nicht ausgewertet wurden, Telefondaten nicht gesichert und vorgelegt wurden oder Fehlinformationen verlautbart wurden.

Deshalb noch zum Abschluss ein Umstand, der mich wirklich zutiefst unzufrieden stimmt: Denn an den Ausschuss war auch die große Erwartung geknüpft,

etwas über die Täter sagen zu können. Wir haben das mit Nachdruck versucht. Wir haben per Beweisbeschluss alle 237 Strafakten beiziehen lassen und um deren anonymisierte Vorlage durch die Justiz gebeten, damit wir diese offen und transparent auswerten lassen können. Das wurde unter Verweis auf den angeblichen Aufwand verweigert und die nicht anonymisierten Akten dann hohen Geheimschutzeinstufungen unterworfen, sodass sie auch jetzt nicht nutzbar sind für den Abschlussbericht. Die Öffentlichkeit wird also hierüber nichts erfahren.

Unser Ziel war es, mit der Beiziehung der Akten die darin enthaltenen Kenntnisse zu den Tatverdächtigen auszuwerten. Gibt es Vorstrafen, Bezüge zur Nafri-Szene? Seit wann befinden sie sich in Deutschland? Welchen Aufenthaltsstatus hatten sie? Wohnten sie in Köln oder im Umland? Befanden Sie sich zu recht in Deutschland? Hätten sie zum Tatzeitpunkt längst wegen Straftaten verurteilt oder mangels Aufenthaltsrecht abgeschoben sein müssen? Diese Fragen wollten wir klären. Das ist uns nicht gelungen.

Das ist durch das Justizministerium – ich habe sogar noch eine Kleine Anfrage gestellt, um diese anonymisierten Daten zu erhalten – geblockt worden. Das ist auch ein Punkt, der sich einreiht als weiteres Versäumnis der Landesregierung in diesem Zusammenhang.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Was bleibt am Ende? – Am Ende bleibt doch die Erkenntnis: Ohne die Arbeit des Ausschusses wären viele Dinge gar nicht ans Tageslicht gekommen. Die erschütternden Ergebnisse müssen uns aber eine Lehre für die Zukunft sein. Ein derart schlimmes Ereignis darf sich nicht wiederholen.

Aber es geht natürlich auch um die Frage der Verantwortung, meine Damen und Herren. Es geht auch um die Verantwortung, die bis heute keiner wirklich übernommen hat. Herr Innenminister, ich hätte mir an dieser Stelle – ich habe das in den vergangenen anderthalb Jahren immer wieder betont – nicht nur gewünscht, sondern ich hätte erwartet, dass Sie die Verantwortung übernommen hätten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Lürbke. – Für die Piratenfraktion spricht nun Frau Brand.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Es ist inhaltlich schon viel gesagt. Wie die meisten wissen, haben wir eigentlich während der

ganzen Zeit, gerade bei der Erstellung des Berichts, eng mit SPD und Grünen zusammengearbeitet.

Da ist erst einmal Dank auszusprechen, dass es ein stets konstruktiver und kollegialer Umgang miteinander war. Es wurde alles, was wir an Änderungswünschen hatten, wenn es um den Entwurf von Herrn Biesenbach ging, faktisch mit übernommen, zusammen erarbeitet und letztendlich an dem letzten Tag, wo wir zusammengesessen haben, zusammengeführt.

(Beifall von Michele Marsching [PIRATEN])

Dass wir trotzdem zu einem Sondervotum kommen, liegt nicht an Klein-Klein-Vertuschungsversuchen oder Ähnlichem, wie das von anderer Seite der Fall ist, sondern einzig und allein darin, dass wir bei der Gesamtbetrachtung, wo wir aber mit SPD und Grünen bezüglich der Fehler, die gemacht wurden, einig sind, aber doch zu dem Schluss kommen, dass einer die gesamtpolitische Verantwortung tragen muss. Das ist das Einzige, wo wir mit den regierungstragenden Fraktionen nicht mitgehen.

Ja, es wurden viele Fehler gemacht bei der Silvesternacht in Vorbereitung, Durchführung und auch Nachbereitung. Diese Fehler wurden durch den Untersuchungsausschuss sehr gut offengelegt. Das war nicht immer leicht, weil wir schon ein Jahr vor der Landtagswahl viel parteipolitisches Geplänkel in diesem Untersuchungsausschuss hatten und man manchmal anzweifeln konnte, ob an objektiver Aufklärung wirklich Interesse bestand.

Auch das permanente Durchstechen von höchst vertraulichen Dokumenten hat immer wieder enttäuscht. Zum Teil hatte man die Sachen noch gar nicht gelesen, dann konnte man die inhaltlich schon in der Zeitung wiederfinden. Das ist eine Sache, die mir bei diesem Untersuchungsausschuss eher negativ in Erinnerung geblieben ist.

Weiterhin ist die parteipolitische Neutralität des Ausschussvorsitzenden Peter Biesenbach über die gesamte Zeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ausdrücklich zu loben. Ich habe es als sehr angenehm empfunden, wie Sie diesen Ausschuss geleitet haben.

Einige Unstimmigkeiten gab es, als Ihr Vorschlag zum Abschlussbericht morgens von der Presse als „der Abschlussbericht ‚Silvester‘ liege vor“ verkündet wurde, und keiner von uns wusste: Moment, den haben wir noch gar nicht gesehen. – Aber insgesamt habe ich die Zusammenarbeit mit Ihnen sehr geschätzt. Sie haben auch gesagt, es waren nicht Sie, die ihn durchgestochen haben.

(Beifall von Michele Marsching [PIRATEN])

Bei der Beweisaufnahme – auch das ist in Richtung des Ausschussvorsitzendenteams zu loben – hatten wir jederzeit eine ordentliche Struktur.

(Marc Lürbke [FDP]: Ordentliche Struktur?)

Wir haben die Zeugen gemäß der Unterlagen, die wir hatten, in einer sinnmachenden Reihenfolge abgearbeitet. Auch das habe ich jetzt anders erlebt, und das ist, finde ich, unbedingt positiv zu erwähnen.

Insgesamt wurden viele Versäumnisse der Silvesternacht aufgeklärt, und dementsprechend sind auch die Handlungsempfehlungen in unserem Untersuchungsbericht unbedingt anzunehmen, umzusetzen, und – wie ich ja bereits sagte – da ist auch schon einiges geschehen.

Bei der Abstimmung der Hauptakteure – ich sage jetzt einmal exemplarisch Landespolizei, Bundespolizei, Ordnungsamt – hat man bei den letzten Karnevalsfeiern, in der letzten Silvesternacht und bei anderen Großveranstaltungen gesehen, dass die schon gelernt haben. Da sieht man, dass es nicht nur der Abschlussbericht war, der zu einer Veränderung geführt hat, sondern allein schon unsere Zeugenvernehmungen, indem wir nämlich die Akteure durch unsere Befragungen sensibilisiert haben, wo Problemstellungen sind, sodass sie schon alleine angefangen haben, zu reagieren und Veränderungen vorzunehmen.

Etwaige Vertuschungsversuche, wie sie von anderer Seite behauptet werden, konnten der Landesregierung nicht nachgewiesen werden.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD] und Matthi Bolte [GRÜNE])

Ich finde es etwas schade, dass gesagt wurde, weite Teile der Kritik an der Landesregierung wurden herausgenommen. Einen ganzen Tag von morgens bis abends haben alle fünf Fraktionen zusammengesessen. Wir haben miteinander gerungen, uns ausgetauscht, und zum Teil haben wir um einzelne Sätze, um einzelne Formulierungen gekämpft.

Ich habe auch gerade bei SPD und Grünen ein großes Bemühen gesehen, möglichst viele Anregungen von CDU und FDP mit in den Abschlussbericht zu nehmen. Man hätte auch pauschal sagen können: Ne, das könnt Ihr alles streichen. – Wir haben über viele Stunden zusammengearbeitet, haben Sachen eventuell neu formuliert, um eben maximal viel in den Gesamtbericht einfließen zu lassen.

Wenn es um das Thema „Frauen“ geht, was jetzt von vielen Seiten angesprochen wird: Selbstverständlich haben wir uns letztendlich Gott sei Dank mehrheitlich dagegen ausgesprochen, Frauen, die Opfer waren, in den Untersuchungsausschuss einzuladen. Wer selbst einmal im Untersuchungsausschuss gewesen ist und diese kreishafte Vernehmungssituation gesehen hat, der weiß, dass wir keiner Frau, die Opfer geworden ist, jemals zumuten, in einer solchen Situation zu sein.

Was den Frauen wirklich nicht gerecht geworden ist und was ich jetzt an dieser Stelle anprangere, ist, dass wir um das Thema „wichtige Ereignismeldung“ gefühlt zwei Monate lang Zeugen vernommen und uns nur eine Woche und drei Tage mit den Opfern beschäftigt haben.