Protocol of the Session on March 17, 2017

Wir setzen bei Kinderarmut auch auf Vorbeugung. „Kein Kind zurücklassen“ heißt nicht, dass die Kinder von heute auf morgen mehr Geld in der Tasche haben. Aber „Kein Kind zurücklassen“ heißt, dass Armut eben nicht zum Schicksal wird, weil wir frühzeitig eingreifen und gerade diesen Kindern zusätzliche Chancen eröffnen, damit sie ihr Leben in Selbstbestimmung ausüben können.

Es ist dieses Land, das eingesprungen ist bei der Schulsozialarbeit, als sich der Bund zurückgezogen hat.

(Beifall von der SPD – Torsten Sommer [PIRATEN]: Nach langem Drängen!)

Und es ist dieses Land, in denen viele Kinder aus ärmeren Familien sind, das Kitas stärker fördert nach dem Motto: Ungleiches auch ungleich behandeln. Und dieses Prinzip werden wir auch auf die Schulen ausweiten.

Vor diesem Hintergrund, lieber Daniel Düngel: Es braucht viele Wege, um den Kampf gegen Armut aufzunehmen. Deshalb noch mal: Die SPD sagt Ja zu einer Kindergrundsicherung. Die SPD sagt aber auch Ja zu einem aktiven Sozialstaat, der Arbeit fördert. Die SPD sagt Ja zu gerechten Löhnen. Die SPD sagt Ja zu familiengerechten Arbeitszeitmodellen. Und vor allem sagt die SPD Ja, wenn es darum geht, Kinder früh zu fördern, damit jedes Kind die Chance auf ein gutes Leben in unserem Land hat. Und weil wir zu all diesen Dingen Ja sagen, lade ich dich an deinem Geburtstag herzlich ein, Ja zu diesem Entschließungsantrag zu sagen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Maelzer. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Kern.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Nordrhein-Westfalen ist arm dran.

(Beifall von Marcel Hafke [FDP])

Die Kinderarmut liegt bei 23,6 %. Jedes vierte Kind gilt als arm. Die Kinderarmut hat unter der rot-grünen Landesregierung in den letzten Jahren in NordrheinWestfalen zugenommen. Darüber gibt es hier in diesem Hohen Hause, glaube ich, Einigkeit.

Wir können dem Antrag heute nicht zustimmen, da er die derzeitige Noch-Landesregierung und die sie tragenden Regierungsfraktionen schont und ihnen

per Beschluss quasi eine Umleitung auf die Bundesebene ermöglichen soll. Das gilt im Übrigen auch für den heutigen Entschließungsantrag von Rot-Grün.

Nach knapp sieben Jahren Regierungsverantwortung in Nordrhein-Westfalen bleibt festzuhalten, dass die Kraft-Regierung in der Bekämpfung der Kinderarmut versagt hat

(Beifall von der CDU und Daniel Düngel [PIRATEN])

und jedem Nachfolger eine schwere Hypothek oder Erbschaft hinterlässt. Sie lässt insbesondere mehr arme Kinder zurück. Um es deutlich zu sagen: Es ist Zeit für einen Wechsel! Eltern armer Kinder dürfen diese Regierung jedenfalls nicht wählen.

Wir haben uns in der laufenden Legislaturperiode oft und zentral über das Thema „Kinderarmut“ auseinandergesetzt. Es ist die harte Wahrheit, dass sich die Kinderarmut unter Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen verstärkt hat. Das sagen die Hans-Böckler-Stiftung und die Bertelsmann Stiftung. Das liegt an verfehlter Politik, und zwar in der Breite, in der Wirtschaftspolitik, beim Wohnungsbau, beim sozialen Wohnungsbau, bei der Beschäftigungspolitik, an schwacher Schulpolitik, schwacher Bildungspolitik und an der Qualität in den Kitas. Es gibt viele Gründe, weshalb das so ist.

(Beifall von der CDU)

Diese Landesregierung muss am Zeugnistag, am 14. Mai, verantwortlich gemacht werden.

Mit dem heutigen Antrag stellen die Piraten ein wichtiges Thema, die Kindergrundsicherung, zur Diskussion, das einer sorgfältigen Prüfung bedarf. Schnellschüsse sind hier wegen der Komplexität und Grundsätzlichkeit des Themas „Kindergrundsicherung“ nicht angesagt. Kindergrundsicherung ist nur eine von vielen Lösungsmöglichkeiten, die es zu überprüfen gilt. Die Aufgabenstellung ist hiermit vielfältig und herausfordernd.

Der aktuellen Bertelsmann-Studie „Alleinerziehende unter Druck“ zufolge ist Kinderarmut in Deutschland zur Hälfte auf die Armut von Alleinerziehenden zurückzuführen. Meine Damen und Herren, auch Familien mit mehr als drei Kindern tragen höhere Armutsrisiken. Es ist nach meiner Ansicht kein Zufall, dass sich der Verein für Kinderreiche in NordrheinWestfalen gegründet hat, in unserem Bundesland.

Nach Ansicht der CDU ist es geradezu ein Skandal, dass diejenigen, die durch generative Beiträge die Zukunftsfähigkeit des Gemeinwesens sichern, erhöhten Armutsrisiken ausgesetzt sind.

Es gilt: Nicht Arbeitslosigkeit muss verlängert und unterstützt werden, sondern nachhaltige Beschäftigung muss das Ziel sein, um Familien und damit auch Kinder aus dem Armutsrisiko herauszuholen und Teilhabe zu ermöglichen.

Nach dem letzten Landessozialbericht sind Kinder und Jugendliche ganz besonders von Armut betroffen. Die Bertelsmann Stiftung hält dazu fest, dass arme Kinder häufiger sozial isoliert, materiell unterversorgt und gesundheitlich beeinträchtigt sind.

Ob Kindergrundsicherung eine grundsätzliche Lösungsmöglichkeit darstellt, muss meines Erachtens geprüft werden. Ein derartiger Systemwechsel kann nicht zwischen Tür und Angel entschieden werden.

(Zuruf von der SPD)

Durch eine übereilte Einführung der Kindergrundsicherung können auch soziale Ungerechtigkeiten provoziert werden.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Schlimmer als vorher?)

Es gibt heute 156 ehe- und familienpolitische Leistungen. Für alle gab und gibt es Begründungen. Sie sind die Summe der Erfahrungen der Vergangenheit.

Zum Entschließungsantrag von Rot-Grün: Sie haben es ja noch nicht einmal geschafft, in sieben Jahren ein tragfähiges neues KiBiz zustande zu bringen. Da wollen Sie jetzt schon wieder eine neue Baustelle aufmachen?

(Lachen von der SPD)

Diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen machen gerne den zweiten Schritt vor dem ersten. Am Beispiel der schlechten Einführung der Inklusion an den Schulen kann jedermann sehen, zu wessen Lasten schlecht durchdachte, unvorbereitete und übereilte Umsetzungen gehen, zulasten der betroffenen Kinder und des pädagogischen Personals.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Ist das die Rede vom letzten Parteitag?)

Die Piraten schreiben in ihrem Antrag, dass Kindergrundsicherung ein Schritt in die Richtung zu einem bedingungslosen Grundeinkommen für Erwachsene ist. Dem können wir natürlich nicht entsprechen. Das ist keine Überraschung.

Ich komme zum Schluss.

(Zuruf von der SPD: Bitte!)

Ist eine bedingungslose Kindergrundsicherung, bei der jedes Kind das Gleiche vom Staat bekommt, wirklich gerecht? Entspricht das den Vorstellungen von Chancengerechtigkeit, wenn Kinder wohlhabender Eltern dann ebenfalls eine bedingungslose Grundsicherung erhalten? Ich bin sicher, eine solche Regelung ist weder solidarisch noch sozial.

Wir finden es gut, dass wir einmal über Kindergrundsicherung sprechen. Wir sollten das gründlich in der nächsten Legislaturperiode tun.

Eine direkte Abstimmung ist hier aus meiner Sicht deshalb nicht möglich, weil die Enquetekommission

Handlungsempfehlungen ausspricht und eine Diskussion im Fachausschuss mit Experten hier dringend erforderlich ist. – Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

(Beifall von der CDU)

So weit sind wir noch nicht, lieber Herr Kern. Denn es gibt noch eine Kurzintervention von Herrn Düngel von der Piratenfraktion. Die wollen wir hier noch ordentlich abarbeiten, bevor wir ins Wochenende gehen.

Herr Düngel, Sie haben das Wort.

Es tut mir leid. Ich möchte ja auch gerne an den Kuchen. Aber wir müssen uns leider noch ein bisschen gedulden.

Erstens. Lieber Walter Kern, ich bin ja bei dir, wenn du sagst, dass diese Landesregierung ganz viele Dinge nicht geschafft hat. Ich bin auch bei dir, wenn du sagst, du bezweifelst, dass die Landesregierung wirklich wichtige Schritte im Bereich der Familienpolitik auf den Weg bringen kann.

Deswegen stellen wir genau diesen Antrag, weil wir sagen: Das schieben wir lieber in die bundespolitische Verantwortung, weil es da auch tatsächlich hingehört.

Zum Zweiten: Du hast jetzt ein paar Mal gesagt, wir müssten das im Familienausschuss diskutieren, und das wäre alles nicht hinreichend mit Sachverständigengutachten etc. hinterlegt. Das ist ja schon ein bisschen weit hergeholt. Wir haben Sachverständige in der Enquetekommission dazu gehabt. Wir haben Sachverständige auch im Familienausschuss dazu gehört, genau zu diesem Thema. Das Ding ist hier landespolitisch eigentlich ausdiskutiert. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen.

Ansonsten: Vielleicht, lieber Walter Kern, nutzt du die Zeit und sprichst mit deinem Kollegen Bernhard Tenhumberg. Der ist ja in der Position schon ein bisschen weiter.

Daniel Düngel, ich bin dir sehr dankbar, dass du mir die Möglichkeit gibst, das in einer Kurzintervention zu vertiefen. Ich will es mal sehr deutlich sagen: In dieser Legislaturperiode war das Wappentier der Landesregierung eine Schnecke, insbesondere beim KiBiz. Es hat sieben Jahre gedauert, und wir wissen heute definitiv,

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

dass sich hier nichts verändern wird.