Mit einem wirtschaftsfeindlichen Landesentwicklungsplan, mit überzogenen Alleingängen etwa beim Klimaschutz hält die Landesregierung Investitionen von Nordrhein-Westfalen eher fern, als dass sie sie fördert. Hinzuzunehmen wäre eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen wie zum Beispiel die Diskussion um ein Unternehmensstrafrecht. Die Atmosphäre im Wirtschaftsbereich ist eher belastet. Die Zahlen in der Wirtschaft und der Forschungsinstitute sprechen dazu eine eindeutige Sprache. Dies wird besonders deutlich, meine Damen und Herren, wenn Sie das Gespräch mit Unternehmern suchen,
die vielleicht nicht, weil sie gerade einen Minister vor sich sitzen haben, denken, dass es besser wäre, sich gut mit ihm zu stellen, sondern die Ihnen erzählen, welche Investitionsatmosphäre sie sich für dieses Land wünschen.
Die Fakten sind, dass bei den Investitionen und bei der Industrie Nordrhein-Westfalen inzwischen das schlechteste westdeutsche Flächenland ist. Bei dem Thema „Innovation“ sieht es leider nicht sehr viel besser aus. Ich nenne beispielhaft nur das rot-grüne Hochschulgesetz, das hier ebenfalls nicht segensreich wirkt. Vor diesem Hintergrund ist dieser Antrag eine glatte Irreführung. Rot-Grün fördert Investitionen und Innovationen nicht, Rot-Grün bremst sie leider an viel zu vielen Stellen aus.
Eine weitere große Herausforderung vor dem Hintergrund von Industrie 4.0 – ich füge hinzu: Mittelstand und Handwerk, also Wirtschaft 4.0 – liegt auf der Hand: Die Anforderungen und Ansprüche an die Beschäftigten von morgen und von übermorgen verändern sich dramatisch. Deshalb brauchen wir in erster Linie keine zusätzlichen runden Tische und immer mehr Prosa nach Art dieses vorliegenden Antrags. Wir brauchen mehr Fachkräfte und für diese Fachkräfte, übrigens auch für die, die bereits auf dem Spielfeld, in den Unternehmen tätig sind, neue Qualifikationsprofile, neue Weiterbildungsprofile. Wir brauchen eine Weiterentwicklung der Bildungs-, Ausbildungs- und Weiterbildungssysteme, und wir brauchen eine Weiterentwicklung und Stärkung unseres erfolgreichen Ausbildungssystems. Dazu ist leider in diesem rot-grünen Antrag nicht viel zu finden.
Das ist aber die Voraussetzung für Industrie 4.0. Wir haben gestern im Plenum zum Beispiel über die Qualität von Berufskollegs debattiert. Wir haben schon oft an dieser Stelle über die Personalausstattung an Schulen gesprochen. Wir haben gestern den Abschlussbericht der Enquetekommission zur Zukunft von Handwerk und Mittelstand vorgelegt, der ebenfalls diese Themen diskutiert. Und heute haben wir bereits Vorschläge der FDP, meiner Fraktion, besprochen, die tatsächlich Investitionen und Innovationen in der Industrie in diesem Land voranbringen will. Diese Vorschläge hat die Regierungsmehrheit leider in Bausch und Bogen abgelehnt.
Ich versichere Ihnen: Rot-Grüne Prosa ist zu wenig, um Nordrhein-Westfalen dahin zu bringen, wo das Land hingehört, nämlich zurück an die Spitze. Deshalb werden wir Ihren vorliegenden Antrag ablehnen. Den Antrag der CDU, auch wenn wir in dem ersten Punkt, den Sie zur Abstimmung stellen, noch einen differenzierten Diskussionsbedarf sehen, bewerten wir so, dass er auf jeden Fall in die richtige Richtung geht. Deswegen werden wir diesem Antrag zustimmen. – Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.
Vielen Dank. Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Industrie 4.0, die Idee der webbasierten vernetzten Fabrik feiert in diesem Jahr den fünften Geburtstag. Wir müssen aber leider auf fünf weitgehend verlorene Jahre zurückblicken, in denen weder die Bedeutung des Themas erkannt wurde noch die Zielgruppe von Industrie 4.0, der produzierende Mittelstand, wirklich adressiert worden ist.
Industrie 4.0, diese nur in Deutschland vorhandene Marketingsprechblase – woanders heißt es Internet of Things –, wird vornehmlich von zwei Gruppen vorangetrieben, nämlich den Fabrikausrüstern und der Forschung. Für die Fabrikausrüster ist Industrie 4.0 ein willkommenes Konjunkturprogramm, und die Forschung freut sich über Zuwendungen aus der öffentlichen Hand. Diese Protagonisten treiben in ihrer Rolle als Experten die Politik vor sich her und beeinflussen maßgeblich die Agenda und die Mittelverwendung. Hier liegt ein basaler Konstruktionsfehler der Förderung vor. Die Experten sind auch gleichzeitig die Nutznießer dieser Gelder. Es besteht zweifelsfrei ein Interessenskonflikt.
Fokussiert wird dabei lediglich die Automation. Das erzeugt wenig wirklich Innovatives. So erscheint Industrie 4.0 als eine Fortführung der Automation, die wir bereits seit 70 Jahren haben. Industrie 4.0 kommt aus der Fabrik nicht heraus. Das Denken endet am
Werkstor. Dabei wird fast ausschließlich mit Effizienzgewinnen argumentiert. Fragen von Nachhaltigkeit und guter Arbeit werden allenfalls am Rand diskutiert, wobei ich mich über die Rede von Frau Dr. Beisheim gerade wirklich gefreut habe.
Industrie 4.0 spricht nur von Chancen und von Vorteilen. Gegenüber dem Mittelstand wird mit Angst vor dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit argumentiert und das Gefühl der Alternativlosigkeit vermittelt. Vertrauensbildung geht anders. Deshalb fühlt sich der Mittelstand von Industrie 4.0 nicht so recht angesprochen. Er ist skeptisch und abwartend.
Es ist die Rede davon, dass die Arbeit in den Fabriken hochwertiger wird und der Mitarbeiter zum Dirigenten der Wertschöpfung wird. Das ist nicht richtig. Vielmehr verschiebt sich die Macht in den Fabriken grundlegend und zum Nachteil des Mitarbeiters. Der Mitarbeiter wird seine Anweisungen künftig von Maschinen, Algorithmen oder direkt vom Material erhalten und nur noch einfache Hilfstätigkeiten ausführen. Ein eigenartiges Verständnis von Dirigententum!
Anders als heute sind die Mitarbeiter auch nicht mehr länger eingeladen, dieses System mitzugestalten. Dies wird wieder nur die alleinige Aufgabe der Ingenieure sein und ist damit ein ganz klarer Schritt in die längst überwunden geglaubte Zeit der Massenfertigung. Von guter Arbeit also keine Spur! Die Macht hat derjenige, der sich zwischen Produzent und Kunde schiebt. Dies gelingt den Internetmultis in den Sektoren wie Freizeitverhalten, Handel und Mobilität bereits jetzt hervorragend. Warum sollten sie nicht auch versuchen, die Kontrolle über die industrielle Wertschöpfung zu erlangen? Konzepte, wie dem zu begegnen ist, sucht man bei Industrie 4.0 allerdings vergebens. Stattdessen feiern sich die Protagonisten für Detaillösungen der Fabrikautomation.
Deutschlands Antwort auf diese Herausforderungen besteht im Ertüfteln von technischen Schnittstellen, während man in den USA Geschäftsmodelle entwirft. Deutschland will wissen, wie Industrie 4.0 technisch geht. Die USA will wissen, wie man damit Geld verdient.
Das Internet der Dinge ist eine Technologie, die weit über die Fabrikgrenzen hinaus unsere Welt verändern wird. Industrie 4.0 beschäftigt sich hierzulande aber nur mit der Perfektionierung des Bestehenden. Sie kommt nicht über die fabrikfixierte Nabelschau im Rahmen herkömmlicher Geschäftsmodelle mit dem ausschließlichen Ziel der Effizienzverbesserung hinaus. Es sollte Aufgabe der Industriepolitik sein, dies zu ändern. Es kann nicht darum gehen, die klassische Industrie mittels Automation zu ertüchtigen, sondern es muss darum gehen, Modelle für die Industrie der Zukunft zu entwickeln.
Wir haben mit dem Internet der Dinge eine mächtige Technologie in den Händen. Sie gibt uns die histo
risch einmalige Chance, zu bestimmen, wie wir zukünftig leben, wirtschaften und arbeiten wollen. Deshalb muss das Thema endlich von den Menschen und der Gesellschaft her gedacht werden. Eine gute Industriepolitik muss genau hier ansetzen.
Der Antrag von Rot-Grün enthält ein paar gute Ansätze. Wir werden uns daher bei der Abstimmung enthalten.
Der Antrag des Kollegen Schwerd enthält viele richtige Beobachtungen im Analyseteil, spricht jedoch vom Erhalt der sozialen Errungenschaften, statt von ihrer Erweiterung, was ein Piratenziel ist. Als Adresse an die Linken: Wir werden den Antrag ablehnen. Ihr springt da immer zu kurz.
Der CDU-Antrag möchte durch die Hintertür wieder einmal in Berufskollegs bestimmte Software und Hardware von Herstellern einführen. Das hatten wir hier schon einmal. Das wollen wir nicht. Auch an die Adresse der CDU: Seid ihr wirklich so schlecht aufgestellt, dass ihr den Kollegen Stein ins Rennen schicken müsst? Der ist nicht einmal im Wirtschaftsausschuss.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und am Bildschirm! Die regierungstragenden Fraktionen betrachten Industrie 4.0 im Wesentlichen aus dem Blickwinkel der Wirtschaftsförderung. Man sieht hier zahlreiche Chancen für die heimischen Mittelständler. Das ist nicht falsch.
Zum Blickwinkel der CDU: Ich habe diesen Entschließungsantrag gelesen und konnte darin einfach nichts zu dem Thema „Industrie 4.0 und gute Arbeit“ finden.
Aber zurück zum Thema. Industrie 4.0 ist jedenfalls sehr viel mehr als Wirtschaftsförderung für den Mittelstand. Der damit verbundene Wandel wirft Fragen auf, denen wir uns widmen müssen. Prof. Syska von der Hochschule Niederrhein übte in der Anhörung im Wirtschaftsausschuss daher deutliche Kritik am Antrag von SPD und Grünen. Seiner Meinung nach
wolle man in dem Antrag lediglich Bestehendes perfektionieren, würde aber dem, was da kommt, kaum gerecht.
Das sind die wesentlichen Fragen: Welche Rolle spielt der Mensch in dieser schönen neuen Welt? Wird er zum Teil der Maschinerie, als defizitär begriffen und im Übrigen als entbehrlich betrachtet? Hat er sich der Skalierbarkeit der neuen Industrieproduktion mit eigener schrankenlosen Flexibilität anzupassen? Muss man – weil ja vermeintlich alles neu ist – gleich zahlreiche soziale Errungenschaften infrage stellen?
Nicht zu vergessen: Das Ganze wird sich im Dienstleistungsbereich wiederholen. Da könnte Künstliche Intelligenz zu dem werden, was Roboter bereits im Industriebereich darstellen, nämlich eine treibende Kraft der Automatisierung und damit der Rationalisierung. Hier würde es dann ganz besonders die Mittelschicht treffen.
Wir können den Rückwärtsgang nicht einlegen. Angesichts der Chancen im Postwachstum für zirkuläres Wirtschaften und Nachhaltigkeit und für die Chance der Demokratisierung der Produktion sollten wir das auch nicht tun. Aber wir sollten als Politiker die Rahmenbedingungen setzen, in denen diese Wandel ablaufen, die man als „vierte industrielle Revolution“ bezeichnet.
Nachhaltigkeit und zirkuläres Wirtschaften müssen von Anfang an in die Industrieproduktion eingebaut sein. Darauf muss man bereits im Definitionsprozess einwirken. Damit müsste man jetzt aber unmittelbar beginnen.
Mit der steigenden Flexibilisierung der Produktion kann den Bedürfnissen der Menschen Rechnung getragen werden und nicht umgekehrt mit der Flexibilisierung der Lebensverhältnisse den Bedürfnissen der Produktion. Dass Letzteres alternativlos sei, ist schlicht gelogen.
Wir müssen wieder über Arbeitszeitverkürzung reden. Die Rationalisierungsdividende aus Industrie 4.0 und die sie begleitenden Technologien sollten dazu Spielraum eröffnen. Wenn Arbeit weiterhin ein abnehmender Faktor in der allgemeinen Wertschöpfung ist, müssen wir die Daseinsvorsorge auf neue Füße stellen; denn diese basiert bislang zum großen Teil auf Lohnsteuern. Roboter und Algorithmen zahlen eben keine Steuern.
Nicht zuletzt müssen wir überlegen, ob die Existenzsicherung weiterhin an das Vorhandensein einer Erwerbsarbeit geknüpft sein soll, oder ob wir eine davon unabhängige Grundsicherung brauchen.
Ich habe einen Entschließungsantrag vorgelegt, im dem einige dieser Punkte aufgezählt werden. Joachim, falls du mir zuhörst: Es geht nicht nur darum, dass Bestehendes erhalten bleiben soll,
sondern auch darum, dass natürlich auch die Chancen genutzt werden sollen. Nach meinem Entschließungsantrag soll die Landesregierung mit dafür sorgen, dass dieser Wandel in der Arbeitswelt fair und sozial abläuft. Stimmen Sie bitte mit dafür, die Landesregierung entsprechend zu beauftragen. – Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer hätte gedacht, dass wir abends nach einem so langen Plenartag zu einem solchen Thema noch einmal so viel Spaß kriegen.