Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk Drucksache 16/14417
Ich darf Ihnen folgenden Hinweis geben. Der Antrag der Fraktionen von CDU und FDP wurde gemäß § 82 Abs. 2 Buchstabe b) unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk mit der Maßgabe überwiesen, dass eine Aussprache und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgt. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses liegen nunmehr mit Drucksache 16/14417 vor.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Müller-Witt das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag verhält es sich wie mit einem aufgewärmten Essen: Es kann besser werden, muss aber nicht. – Bereits im April des vergangenen Jahres hat auf Antrag der
CDU-Fraktion der Wirtschaftsminister einen umfänglichen Bericht zur Lage und Perspektive der freien Berufe vorgelegt auf der Basis einer Großen Anfrage aus dem März desselbigen Jahres. Offensichtlich wollte man vonseiten des Antragstellers dieses Mal im Geleitzug mit der FDP noch einmal das Thema „Freie Berufe“ aufwärmen – angesichts der bevorstehenden Landtagswahl und der im Umfeld der freien Berufe erhofften Wählerstimmen. Dieser Versuch ist aber auf ganzer Linie gescheitert.
Die vorgestellten Forderungen wurden im Rahmen eines Sachverständigengesprächs mehr oder weniger ad absurdum geführt. Zunächst ist da das Ansinnen, ein Konzept zur Schaffung eines interdisziplinären Instituts zur Erforschung der freien Berufe gemeinsam mit dem Landesverband der Freien Berufe in NRW zu entwickeln.
Angesichts mehrerer bereits vorhandener Institute – wie zum Beispiel das Institut für Mittelstandsforschung, das Forschungsinstitut für Freie Berufe in Nürnberg sowie das Zentrum für Freie Berufe an der Universität zu Köln – ist es nicht nachzuvollziehen, welchen Mehrwert ein weiteres zusätzliches Institut mit diesem thematischen Schwerpunkt liefern sollte. Ein Institut um des Instituts willen sollte nicht das Ziel sein.
Selbst Ihr Sachverständiger Herr Busshuven ist diesbezüglich indifferent. Während er zunächst die Notwendigkeit eines interdisziplinären Instituts konstatiert, sagt er im Weiteren – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident –: Wir haben viele Institute, die alleine forschen. Um Ergebnisse vorzuweisen, wäre es sicherlich hilfreich, gemeinsam zu forschen. – Na ja, da ist ja schon mal eine Lösung.
Die zweite Forderung nach einem jährlichen Statusbericht klingt auf den ersten Blick plausibel. Eine Lagebeschreibung kann bei allen Berufsgruppen nützlich sein.
Wenn man sich aber das Anliegen näher anschaut, ist festzustellen, dass es bei der Datenerhebung zu den freien Berufen nicht unerhebliche Abgrenzungsprobleme gibt. Wenn nicht eineindeutige Daten in Abgrenzung zu anderen Selbständigen den freien Berufen zuzuordnen sind, ist es, wie auch im Sachverständigengespräch zum Ausdruck kam, nicht möglich, hieraus einen Lagebericht in der gewünschten Form zu erstellen.
Die dritte Forderung betrifft die finanzielle Förderung der freien Berufe auf der Grundlage des geforderten, aber aufgrund der Datenproblematik nicht zu erstellenden Lageberichts.
An diesem Punkt könnte man aufgrund der hier schon festgestellten fehlenden Voraussetzungen Schluss machen. Aber ich will noch kurz auf die im Antrag angeführten Förderinstitute und Förderinstrumente eingehen:
Die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, kurz: GRW-Förderung, kann nach meinem Dafürhalten aufgrund der sehr klar umrissenen Förderrichtlinien nicht infrage kommen.
Bliebe noch der ESF. Er hält durchaus Angebote für freie Berufe vor, so zum Beispiel die Förderung des unternehmerischen Knowhows durch Unternehmensberatung für KMU und freie Berufe. – Hierzu hätte es dieses Antrags nicht bedurft.
Der vorliegende Antrag ist also im Ergebnis nicht zielführend und scheint eher ein Schaufensterantrag zu sein – in dem Sinne: Da haben wir diese Zielgruppe noch mal kurz vor der Landtagswahl in den Fokus genommen.
Das ist aber ein Vorgehen, das der Bedeutung der freien Berufe nicht gerecht wird. Vielmehr haben schon die vergangenen Debatten, sei es zum Europäischen Semester, sei es zur Großen Anfrage der CDU, gezeigt, dass die Landesregierung die freien Berufe sehr wohl auf ihrer Agenda hat und nicht nur die freien Berufe im Sinne von der Arzt, der Rechtsanwalt, sondern auch die Beschäftigten, die Rechtsanwaltgehilfin, die Arzthelferin.
Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Witt. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Dr. Bergmann das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem gemeinsamen Antrag von CDU und FDP möchten die beiden Fraktionen die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung der freien Berufe in Nordrhein-Westfalen unterstreichen und würdigen. Die freien Berufe sind Dienstleister im öffentlichen Interesse und ein starkes Stück Mittelstand. Gerade für den ländlichen Raum, aus dem ich selber komme, sind sie ein unverzichtbarer Teil der Infrastruktur.
Und NRW braucht das; denn bekanntlich wächst die Wirtschaft hierzulande seit Jahren unterdurchschnittlich. Lag das Wirtschaftswachstum in unserem Bundesland zwischen den Jahren 2005 und 2010 noch 13,7 % über dem Bundesdurchschnitt, lag es zwischen 2010 und 2015 um 39 % unter diesem. 2015 landete Nordrhein-Westfalen – ich glaube, das ist erstmals in der Geschichte des Landes der Fall gewesen – beim Wachstum mit 0 % sogar auf dem letzten Platz.
Die unterdurchschnittliche Entwicklung der NRWWirtschaft hat dementsprechend auch gravierende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Während seit Juli 2010 die Arbeitslosigkeit im übrigen Bundesgebiet um 20,4 % sank, ging sie in Nordrhein-Westfalen nur um 7,8 % zurück. Hätte sich die Arbeitslosigkeit bei uns an Rhein und Ruhr genauso entwickelt wie im Rest der Republik, wären hier heute gut 97.000 Menschen mehr in Arbeit.
Dass die Entwicklung der vergangenen Jahre nicht noch schlimmer ausfiel, ist allein der guten Entwicklung des Dienstleistungssektors zu verdanken; denn der industrielle Kern ist ja auch in Nordrhein-Westfalen leider geschrumpft. Einen erheblichen Anteil an dieser Entwicklung hatten die Erbringer freiberuflicher Dienstleistungen. So stieg beispielsweise die Zahl der selbständigen Freiberufler in NordrheinWestfalen seit 2006 um 153 %, die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten bei Freiberuflern immerhin um 15,5 %. Auch die Zahl der Auszubildenden entwickelt sich seit Jahren gegen den Gesamttrend positiv. Heute ist jeder zehnte Erwerbstätige in Nordrhein-Westfalen entweder selber freiberuflich oder bei einem Freiberufler beschäftigt.
Man mag jetzt reflexartig einwenden, dass freie Berufe doch sehr auf regionale Märkte beschränkt sind. Das stimmt. Aber wie bei jedem anderen Unternehmen auch erwachsen aus der Globalisierung, die wir haben, auch rapide Ansprüche in Bezug auf den digitalen Wandel. Das macht es notwendig, Antworten und Strategien zu finden, um wirtschaftlichen Erfolg und Wachstum – und damit Arbeits- und Ausbildungsplätze – zu sichern.
Trotz der hohen Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes liegen zu weiten Bereichen des freiberuflichen Wirtschaftens keine umfassenden Daten vor, Frau Müller-Witt. Sie wurden auch nicht durch den Minister in der von Ihnen zitierten Ausschusssitzung geliefert. Es fehlt daher zum Beispiel an gezielten Programmen zur Förderung und Unterstützung der freien Berufe. Das bringt uns zu den vier im Antrag formulierten Forderungen.
Erstens. Gemeinsam mit dem Verband Freier Berufe soll ein Konzept zur Schaffung eines interdisziplinären Institutes zur Erforschung der freien Berufe entwickelt und dieses dann analog zu dem bewährten, mit jährlicher Landesförderung versehenen Deutschen Handwerksinstitut ausgestattet werden.
Dessen Aufgabe soll unter anderem sein, die Entwicklung der freien Berufe unter besonderer Berücksichtigung der Digitalisierung zu beschreiben.
Zweitens. Dem Landtag ist jährlich ein Statusbericht zur Lage der freien Berufe vorzulegen. Dieser soll auch die Maßnahmen der Landesregierung in Bezug auf die gezielte Förderung freiberuflicher Tätigkeiten
Drittens. Auf Basis der Forschungsergebnisse des Instituts sowie des Statusberichtes sind dann gemeinsam mit dem Verband Freier Berufe und der NRW.BANK Programme zur Förderung der freien Berufe aufzulegen, damit wir angesichts des vonstattengehenden Wandels und der Notwendigkeit der Fachkräftesicherung Unterstützung gewähren können.
Viertens. Last but not least ist es unserer Überzeugung nach richtig, auch ein entsprechendes Referat im Ministerium einzurichten.
Die Auswertung des Sachverständigengespräches bestärkt uns eigentlich, diese vier Forderungen zu stellen. So merkte das Institut für Mittelstandsforschung – IfM – an, dass eine Erforschung aufgrund fehlender Abgrenzungskriterien zu anderen Branchen sehr schwierig sei. Die Forschung zu freien Berufen mache 10 % bis 25 % der Arbeit des IfM aus, wobei europarechtliche Fragestellungen nicht Gegenstand seien. Auch seien freie Berufe nicht im IfMForschungsbeirat vertreten.
Der Verband Freier Berufe hält die Schaffung eines interdisziplinären Institutes für dringend erforderlich. Schließlich stünden ja auch seit Jahren Kritiken und Bedenken seitens der EU-Kommission und der OECD auf der Agenda. Diese würden – das wird immer wieder kritisiert – auf teils fragwürdige volkswirtschaftliche Gutachten fußen, denen Deutschland aufgrund fehlender eigener Forschung nichts entgegenzusetzen habe. Zwar gebe es einzelne Studien, aber kein konzeptionell aufeinander abgestimmtes Vorgehen. – Also sollte aus unserer Sicht das Deutsche Handwerksinstitut Vorbild eines solchen interdisziplinären Instituts sein, das ja ein Dachinstitut ist. Dort könnten soziologische, ökonomische und juristische Forschung verbunden werden.
Meine Damen und Herren, ich bitte um Unterstützung unseres Antrags und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Bergmann. – Für die grüne Fraktion spricht Frau Kollegin Dr. Beisheim.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Bergmann, wir wissen ja alle – das sagt ja auch schon Art. 28 unserer Landesverfassung –, dass wir dazu verpflichtet sind, auch die freien Berufe zu fördern. Deshalb möchte ich Sie noch einmal daran erinnern, dass wir das – auch aus gutem Grund – schon in der Vergangenheit getan haben. Denn auch wir alle wis
sen, dass die freien Berufe wegen ihrer Leistungsfähigkeit und Eigenständigkeit sowie auch aufgrund des Willens, persönliche Verantwortung zu übernehmen, eine große Bedeutung haben.
Ich möchte noch eine Zahl nachreichen: In diesem Bereich arbeiten ca. 270.000 selbständige Freiberufler. Die Tendenz ist wachsend. – Aber nicht nur aufgrund der zahlenmäßigen Bedeutung sind die freien Berufe wichtig. Sie leisten auch in Nordrhein-Westfalen einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel mit Beratungsleistungen auf dem Gebiet medizinischer Versorgung und kultureller Bildung. Gleichzeitig sind die Berufsträger wichtige Arbeitgeber und Ausbildungsbetriebe. Das alles ist, denke ich, Konsens. Auch ist das alles bekannt. Deswegen haben wir in diesem Hause gemeinsam für diese Berufsgruppe schon viel auf den Weg gebracht.
Die Kollegin Müller-Witt hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir Institute haben, die vonseiten des Landes gefördert werden, um grundsätzlich auch Forschung für diese Berufsgruppe zu ermöglichen. Was sie uns nicht nachweisen konnten – der Beweis ist schuldig geblieben; auch die Anhörung hat das nicht ergeben –, ist der Beleg, dass es quasi nicht ausreichende Kapazitäten gibt, um die vorhandenen Bedarfe, um Forschung für diese Berufsgruppe zu betreiben, zu decken.
Grundsätzlich ist der Kern Ihres Antrages natürlich wichtig: Es ist richtig, dass wir uns damit beschäftigen müssen und dass auch wissenschaftlich erforscht werden muss, inwieweit die Digitalisierung die Geschäftsmodelle dieser Berufsgruppen verändert.
Aber wie gesagt: Aus unserer Sicht kann man auf Grundlage dieser bestehenden Institute ein Forschungsvorhaben anstoßen.
Auch die Große Anfrage, die Sie gestellt haben, hat ergeben, wie schwierig es ist, diese Datengrundlage zu schaffen. Die Abgrenzungsprobleme, die Sie erläutert haben, führen auch zu dem Schluss, dass es insbesondere schwierig sein wird, diese Daten überhaupt wie bei den Handwerkern zu erheben. Handwerker sind eine klar abgegrenzte Gruppe. Sie sind in die Handwerksrolle eingetragen. Jeder Handwerker wird durch seine Innung bzw. durch seine Kammer aufgerufen, ständig statistische Daten zu liefern, damit man weiß, wie es dem Handwerk und den einzelnen Gewerken geht.
Das ist bei dieser großen Gruppe der freien Berufe sehr schwierig. Aber es sollte auch – da gebe ich Ihnen recht – Gegenstand der Wissenschaft sein, dabei ein Stück weiterzukommen.
Wir haben immer schon kritisiert – bei Ihrem Antrag, aber auch bei den Debatten, die wir darüber geführt
haben –, dass Sie eine Gruppe immer außen vor lassen, nämlich die stärkste Gruppe innerhalb der freien Berufe, die Freiberufler aus den Bereichen Medien und Kultur. Diese speziellen Problemlagen stoßen bei Ihnen auf Desinteresse. Da frage ich: Warum interessiert Sie das nicht? Warum machen Sie grundsätzlich immer nur Politik für die Ihnen nahestehenden Interessengruppen?
Mir kommt es so vor, als hätten Sie die Bedeutung der Kreativwirtschaft für Nordrhein-Westfalen noch nicht verinnerlicht. Das kann man Ihren Redebeiträgen entnehmen, wenn wir über Wirtschaft und über Zukunft für Nordrhein-Westfalen sprechen.
Deshalb ist dieser Antrag aus meiner Sicht wieder ein Beweis dafür, dass ihre wirtschaftspolitische Ausrichtung nicht am Puls der Zeit und nicht ganz vorn ist. Sie wissen häufig gar nicht, wohin der Zug fährt. Sie wollen grundsätzlich rückabwickeln. Darüber werden wir auch noch in den nächsten zwei Tagen reden.