Arbeit und Wohnung sind zwei Stichworte, die ich nennen will. Das sind zwei wesentliche Ankerpunkte dafür, dass es uns gemeinsam gelingt, dass Menschen in unserer Gesellschaft nicht wieder straffällig werden, wenn sie aus dem Vollzug kommen. Deswegen muss man den Menschen auch im Vollzug die Möglichkeit, die Zeit geben, sich einen Arbeitsplatz und eine Wohnung zu suchen.
Das alles sind Behandlungsmaßnahmen. Das ist auch der Grund, Herr Kollege Haardt, warum in Nordrhein-Westfalen – ob es jetzt 22 oder 28 % sind, das spielt aus meiner Sicht keine große Rolle – etwa ein Drittel der Gefangenen die Möglichkeit hat, im offenen Vollzug resozialisiert zu werden. Das ist, so habe ich zumindest die Vorredner verstanden, das erklärte politische Ziel hier im Landtag.
Herr Kollege Haardt, Sie haben gerade Herrn Brock vom Bund der Strafvollzugsbediensteten zitiert. Ich würde Sie bitten, ihn auch komplett zu zitieren, dann würde das Bild etwas runder. Er hat sehr deutlich gesagt, dass er nichts von einer Diskreditierung des offenen Vollzugs hält, nämlich einer Vollzugsform, wie er sagt, die sich bewährt hat. Dann sagt er weiter, aus Angst vor öffentlicher Meinung sollte man diese Vollzugsform auch nicht reduzieren.
Sie haben hier auch ein vollkommenes Zerrbild vom offenen Vollzug geliefert. Der offene Vollzug ist keine bloße Vergünstigung. Der offene Vollzug ist auch nicht nur die Maßnahme, Personal einzusparen, Herr Haardt. Der offene Vollzug ist der wesentliche Eckpfeiler im Behandlungsvollzug und bei den ganzen Resozialisierungsbemühungen, die wir hier in Nordrhein-Westfalen gemeinsam auf den Weg bringen.
Sie haben auch unterschlagen, wie es denn zu der Entscheidung kommt, ob ein Gefangener geeignet ist, im offenen Vollzug auf die Freiheit vorbereitet zu werden. Die Kolleginnen und Kollegen haben versucht, das hier noch einmal ausführlicher darzustellen. Das ist eine Risikoabschätzung. Der Minister hat es gesagt. Die Kolleginnen und Kollegen haben es sehr ausführlich gesagt. Es müssen natürlich Flucht- und sonstige Missbrauchsgefahren abgewogen werden: Besteht da eine Gefahr, oder besteht da keine?
Wenn wir schon über die Einschätzung der Gefangenen reden, dann wissen Sie, dass gerade bei Gewalt- und Sexualstraftätern, die eine Strafhaft von über 36 Monaten verbüßen, sogar ein mehrstufiges Prüfverfahren vorgeschrieben wurde. Erst dann wird endgültig die Entscheidung getroffen, ob ein Gefangener tatsächlich geeignet ist, im offenen Vollzug untergebracht zu werden oder nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer trifft diese Entscheidungen? Dazu haben Sie gar nichts gesagt, Herr Kollege Haardt, lieber Kollege Kamieth. Diese schwierige Entscheidung treffen die Beschäftigten im Vollzug. Das sind auch diejenigen, die jeden Tag hart mit den Gefangenen in unseren 36 Haftanstalten arbeiten. Das verdient Respekt. Sie halten nämlich die Knochen für die Sicherheit in unserem Land hin.
Was haben wir für diese Beschäftigten gemacht? Wir haben für eine bessere Bezahlung gesorgt. Wir haben über 450 neue Kolleginnen und Kollegen zur Entlastung eingestellt. Wir haben der Bitte von Gewerkschaften und Personalvertretungen entsprochen, und wir haben gemeinsam für mehr Respekt im Allgemeinen Vollzugsdienst geworben. Wir haben einen Justizminister, der den Vollzug nicht im Regen stehen lässt. Wenn schwierige Ereignisse im Vollzug entstehen, ist der Justizminister vor Ort, stellt sich gemeinsam mit den Beschäftigten und steht Rede und Antwort. Wir modernisieren die Haftanstalten. Wir haben ein modernes Strafvollzugsgesetz beschlossen.
All diese Punkte haben Sie hier in der Debatte vollkommen außer Acht gelassen. Das ist auch deutlich geworden. Frau Kollegin Hanses hat Sie eben schon
gefragt und der Minister hat es sehr deutlich angesprochen: Was ist eigentlich Ihre größte Sorge? – Wenn ich momentan die Zeitung aufschlage, ist das doch gar nicht die Frage, wie die Sicherheit in Nordrhein-Westfalen ist. Die Antwort auf die Frage, was Ihre größte Sorge ist, können Sie sich wahrscheinlich geben. Dann greifen Sie zu einem Trick. Sie versuchen hier im Wahlkampf, den Ball in das gegnerische Feld zu spielen. Sie wollen dabei aber auch den Gegner faulen. Wenn man auf dem Platz steht, muss man ertragen können, dass auch einmal unfair gespielt wird. Wir sollten aber gemeinsam nicht ertragen, dass Sie versuchen, Unbeteiligte hineinzuziehen. Dass Sie versuchen, diesen Wahlkampf auf dem Rücken der Beschäftigten des Strafvollzuges zu betreiben, das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
Wir werden gemeinsam an der Seite der Beschäftigten im Strafvollzug stehen. Wir werden weiterhin dafür sorgen, dass man mit den Beschäftigten, die diese schwierige Aufgabe in Nordrhein-Westfalen erfüllen, mit Respekt umgeht, Herr Kollege Haardt. Dazu gehört aus unserer Sicht auch weiterhin die gute Vorbereitung der Gefangenen auf die Zeit in der Freiheit. Das ist die beste Garantie für die Sicherheit in unserem Land. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Wolf. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit schließe ich die Aktuelle Stunde.
Gesetzentwurf der Fraktion der SPD, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/13314 – Neudruck
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In vielen EU-Ländern dürfen Menschen, die nicht aus einem Mitgliedstaat der EU stammen, bereits seit Langem an Kommunalwahlen teilnehmen. Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, die seit drei Monaten in Deutschland leben und hier gemeldet sind, dürfen ohne Weiteres an Kommunalwahlen teilnehmen. Im Gegensatz dazu können Menschen, die nicht aus der EU stammen, seit vielen Jahren in Deutschland leben, Teil der örtlichen Gemeinschaft sind, im Ehrenamt und im Verein aktiv sind sowie am Arbeitsplatz und in der Nachbarschaft verankert sind, nicht an der Gestaltung ihres unmittelbaren Lebensumfeldes teilhaben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das halten wir für falsch.
„Wer seinen Lebensmittelpunkt seit fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland hat, der soll auch die Chance erhalten, das unmittelbare Lebensumfeld mitzugestalten.“ Ich finde, das ist ein guter Satz. Der ist nicht von mir. Man kann ihn auf www.liberale.de nachlesen. Er ist von Herrn Dürr, dem Bundesvorstandsmitglied der FDP, gesagt worden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir vertreten diese Ansicht ähnlich wie die FDP seit vielen Jahren. Es gibt Parteitagsbeschlüsse bei den Liberalen dazu. Es gibt eine Initiative in Niedersachsen, der die FDP im Jahr 2015 zugestimmt hat. Vor diesem Hintergrund hatten wir natürlich die Hoffnung, dass es gelingen würde, eine rechtssichere Verankerung eines kommunalen Wahlrechts für Migrantinnen und Migranten durch eine Verfassungsänderung hier in Nordrhein-Westfalen auf den Weg zu bringen. Ich hoffe, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dass Sie da ähnlich prinzipientreu sind wie zum Beispiel Ihre Kolleginnen und Kollegen in Niedersachsen.
Es gibt auch eine mächtige Anzahl von Organisationen und Institutionen, die das seit langem gemeinsam mit Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, Grünen und Piraten, über alle Parteigrenzen hinweg fordern. Ich zähle nur Pars pro Toto auf: Der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Diakonie, die Caritas, die Arbeiterwohlfahrt, 31 Resolutionen aus Kommunalparlamenten in unserem Bundesland, darüber hinaus fast einhellig, einstimmig alle Integrationsräte, die es in Nordrhein-Westfalen gibt. Sie alle sehen es genauso wie wir.
Das ist ein Thema – an diejenigen, die meinen, wir hätten das gerade erfunden, lieber Kollege Laschet –, das den Landtag in Nordrhein-Westfalen schon seit 1989 umtreibt, wie man das in „Landtag intern“ nachlesen kann.
Ich habe die schöne Formulierung gefunden – leider auch wieder von einer FDP-Vertreterin – das passe nicht in die Zeit. Lieber Herr Lindner, vielleicht sind Sie mal so freundlich und teilen uns mit, wann denn Ihre eigene Beschlusslage in die Zeit passt.
Wir wollen die Verfassung gerade deshalb ändern, um juristischen Bedenken gegen eine einfachgesetzliche Regelung entgegenzutreten. Diejenigen, die sich Nachhilfeunterricht aus Berlin bestellen, hätten mal besser aktiv an den Beratungen unserer Verfassungskommission teilgenommen, denn dort haben uns zahlreiche renommierte Sachverständige bestätigt, dass es durchaus Handlungsspieleräume gibt.
Herr Laschet, Sie waren kein einziges Mal bei diesen Beratungen anwesend. Ich finde, dass angesichts Ihrer Zwischenrufe der alte Herbert-WehnerSpruch „Erst Kopf, dann Kehlkopf“ durchaus angebracht ist.
Ich darf Ihnen nicht vorenthalten, dass der ekelhafte Versuch – das sage ich ganz deutlich –, das auf ein Türkenwahlrecht zu reduzieren und die Gefahr von AKP-Beteiligungen in Kommunalparlamenten an die Wand zu werfen,
nichts anderes ist, als ein demagogischer Versuch, eine vernünftige Initiative vor dem Hintergrund sinkender Wahlumfragen madig zu machen, lieber Herr Laschet.
(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN – Armin Laschet [CDU]: Sie haben noch nicht kapiert, was da draußen los ist!)
Im Übrigen lassen wir als NRW-Politikerinnen und Politiker uns sicherlich nicht von Herrn Erdogan und seiner AKP vorschreiben, wann für was der richtige Zeitpunkt ist; denn wir wollen doch genau das Gegenteil.
Die Art und Weise Ihrer Aufgeregtheit zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir wollen die Teilhabe von Menschen an einer lebendigen Demokratie. Wir wollen in Nordrhein-Westfalen eine Teilhabe, die gemeinsam gestaltet und nicht spaltet.
Zum Schluss meiner Ausführungen kann ich es Ihnen nicht ersparen, lieber Herr Laschet, Ihnen einen prima Kommentar von WDR 1 von gestern vorzuhalten.
Von www1.wdr.de – Unter dem Titel „Bei der CDU liegen die Nerven blank – Türkei-Krise soll nutzen“ führt Herr Lauscher als neuestes Beispiel das geplante Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Ausländer an.