Die gesamte Antragstellung zielt – das gibt sie auch in ihrer Begründung zu – auf Bandenkriminalität ab. Dann sollte man auch dort ansetzen. Dieser Antrag setzt aber beim Grunddelikt an, obwohl es eigentlich um Bandenkriminalität geht, die nach dem Gesetz auch schon härter bestraft wird. Ein solches Vorgehen ist rechtsdogmatisches Harakiri. Man kann doch nicht am Grunddelikt herumfummeln, um irgendwie einen Qualifikationstatbestand zu erreichen und
Zum Schluss noch ein Schmankerl: In der Begründung des Antrages wird auch die Sicherheit von Daten auf dem Smartphone und Bankzugangsdaten angeführt. Das ist ein ganz lustiger Ansatz – Datenschutz durch Strafrecht. Das ist wirklich abenteuerlich. Wir setzen da lieber auf Verschlüsselungstechnologien, die wirklich sicher sind. Denn wenn die Daten futsch sind, nutzt es Ihnen relativ wenig, dass der Täter am Ende vielleicht härter bestraft wird. In diesem Lande wird aber statt über Verschlüsselungstechnologie lieber darüber philosophiert, welche Hintertürchen man in Verschlüsselungssoftware einbauen kann.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Der Überweisung werden wir natürlich zustimmen. Wir werden den Antrag in seine Einzelteile zerlegen, schreddern und dann entsorgen, hoffe ich.
Die abschließende Frage wäre bei diesem rechtsdogmatisch toxischen Antrag nur noch: Papiermüll oder Sondermüll? – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Taschendiebstahl ist in unseren Tagen zweifellos ein drängendes Kriminalitätsproblem. Heute ist hier schon sehr viel Schlaues zu dem Antrag der FDP gesagt worden. Deswegen kann ich das aus Sicht der Landesregierung im Wesentlichen nur noch einmal zusammenfassen. Gestatten Sie mir, dies zu tun. Zuvor würde ich aber gerne noch einmal auf die Bemühungen der Landesregierung eingehen, dieses Kriminalitätsphänomen auch tatsächlich effektiv zu bekämpfen.
Schon 2011 hat eine Arbeitsgruppe des Innenministeriums Handlungsempfehlungen zur Bekämpfung der Taschendiebstahlsbanden in Nordrhein-Westfalen entwickelt, an denen sich auch die Kreispolizeibehörden im Rahmen ihrer örtlichen Bekämpfungs
projekte orientieren. Das Landeskriminalamt unterstützt die Arbeit vor Ort durch Sonderauswertungen zu örtlichen Brennpunkten sowie zu besonderen Tatbegehungsformen, sodass die einzelnen Behörden in die Lage versetzt werden, ganz gezielt eingreifen zu können.
Die Problematik des sogenannten Antanzens steht sehr intensiv im Fokus der Bekämpfungsmaßnahmen. Taschendiebstahl kann in erheblichem Umfang durch Präventionsmaßnahmen verhindert werden. Deswegen hat die Landesregierung bereits 2014 eine entsprechende Präventionskampagne gestartet.
Natürlich leistet auch die Justiz einen Beitrag dazu. Im Zuge der Umsetzung des 15-Punkte-Programms der Landesregierung haben die Staatsanwaltschaften gerade auch die zügige Aburteilung von Taschendiebstählen in den Blick genommen. Gezielt sind Projekte zur Bekämpfung der Straßen- und Taschendiebstahlskriminalität entwickelt worden, und das besonders beschleunigte Verfahren ist flächendeckend dazu verstärkt worden.
Wir brauchen uns was die Kriminalitätsbekämpfung in diesem Bereich anbelangt, in Nordrhein-Westfalen nicht zu verstecken, meine Damen und Herren.
Wenn die FDP jetzt meint, man müsste an der Strafrahmenschraube drehen, dann hat mich das verwundert. Mir ist es auch so gegangen: Als ich den Antrag gelesen habe, habe ich gedacht, es sei ein CDUAntrag. Sie sprechen auch, lieber Herr Lürbke, von einer „Intimdistanz“. Was ist eine „Intimdistanz“? Ist das so etwas wie die „Reker’sche Armlänge“, oder was habe ich darunter zu verstehen? Es ist etwas schwierig.
Ich glaube, in der Diskussion ist schon sehr deutlich geworden, dass Sie das gesamte Strafrahmenkonzept hier auf den Kopf stellen. Ich glaube, wir sind, was den Strafrahmen anbelangt, schon ganz gut aufgestellt. Wir haben bereits heute ein breites Spektrum an Sanktionsmöglichkeiten.
Schon der einfache Taschendiebstahl kann mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden. Wird er gewerbsmäßig begangen, bewegen wir uns bereits in einem Strafrahmen von drei Monaten bis zu zehn Jahren. Bei bandenmäßigem Taschendiebstahl sind sogar mindestens sechs Monate Freiheitsstrafe vorgeschrieben. Wir sollten das Thema nicht verharmlosen, aber wir müssen schauen: Wie passt das in ein Gesamtgefüge?
Klar ist, es ist ein empfindlicher Eingriff in die höchstpersönliche Sphäre eines Opfers. Aber wie ist das erst bei der Körperverletzung? Herr Kollege Wolf hat da ein sehr gutes, zutreffendes Beispiel genannt. Auch das sexuell belästigende Gegrapsche oder ein Faustschlag ins Gesicht können mit einer Geldstrafe,
Die FDP möchte jetzt den einfachen Taschendiebstahl, den das Opfer manchmal vielleicht gar nicht direkt bemerkt, mit einer Mindeststrafe von drei Monaten bis hin zu zehn Jahren bestrafen. Das ist ein offensichtliches Missverhältnis.
Lassen Sie mich auch noch sagen: Sie behindern mit Ihrem Vorschlag auch eine Maßnahme, die der FDP gerade in den letzten Monaten sehr wichtig gewesen ist. Im letzten Rechtsausschuss haben wir noch darüber diskutiert, dass wir in NordrheinWestfalen sehr erfolgreich das besonders beschleunigte Verfahren praktizieren, nunmehr in Abstimmung zwischen Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten. Das funktioniert aber nur, wenn Sie einen gewissen Strafrahmen nicht überschreiten können.
Das heißt, das, was Sie jetzt mit einem so massiv großen Strafrahmen vorschlagen, würde letztendlich dazu führen, dass wir zahlreiche Verfahren nicht mehr als besonders beschleunigte Verfahren durchführen können. Aber es ist gerade ein effektives Mittel, dass die Strafe der Tat auf dem Fuße folgt. Das sollten wir eher weiter fördern, als den Rahmen nicht abgestimmt einfach auszubauen.
Ich sehe schon den verzweifelten Gesichtsausdruck von Herrn Wedel in der ganzen Debatte. Lieber Herr Kollege Wedel, ich schätze Sie als Rechtspolitiker sehr. Machen Sie bitte weiterhin die Rechtspolitik in Ihrer Fraktion, überlassen Sie das nicht einem Innenpolitiker! – Vielen Dank.
(Beifall von der SPD und den PIRATEN – Christof Rasche [FDP]: Da spricht die Erfah- rung aus der Regierung!)
Vielen Dank, Herr Minister. – Wir sind noch nicht bei der Abstimmung, denn der fraktionslose Abgeordnete Schulz hatte sich gemeldet. Da hat es wohl einen Übermittlungsfehler gegeben, das war hier nicht angekommen. Aber Sie haben selbstverständlich jetzt das Wort, Herr Kollege Schulz. Bitte schön.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das war kein Übermittlungsfehler, es war angemeldet. Es ist in dem Fall eher unüblich, das letzte Wort zu haben; das habe ich aber gerne.
Alle haben ein bisschen recht. Alle haben etwas Wichtiges gesagt, leider Gottes die FDP nicht so ganz. Ich habe, anders als der Kollege Kern, wirklich oben angefangen, den Antrag zu lesen, habe immer weiter gelesen und mir gedacht: Mensch, da hat der Kollege Wedel mal echt eine super Fleißarbeit hingelegt. Dann kam ich an Stellen der Begründung, es war von „Tabuzone“ und „Bandendiebstahl“ die
Rede, und ich dachte: Moment, das ist nicht Wedel. Dann habe ich mir in der Tat auch die Unterschrift angesehen und festgestellt: Kollege Lürbke, der Innen- und Sicherheitsexperte der FDP, hat das Ding als Erster unterschrieben. Da habe ich gedacht: Jetzt liest du es noch einmal ganz genau.
Dabei kam ich genau auf all die Stellen, die hier schon als Kritikpunkte aufgeführt worden sind – bis auf den letzten Satz, in dem es heißt: „Die Freiheit der Verwendung von Bargeld gilt es weiter sicherzustellen.“ Da war ich irritiert und dachte: Moment! Wo ist die Unterschrift des Kollegen Witzel? – Die fehlt an der Stelle eigentlich. Das finde ich super: Bargeldsicherung über den Straftatbestand des schweren Diebstahls. Eine tolle Sache!
Bei allem muss eines klar sein, liebe Kollegen von der FDP: Das Sicherheitsgefühl der Menschen auf den Jahrmärkten, auf den Wochenmärkten, in den Fußgängerzonen und, und, und wird durch eine Verschärfung der Straftatbestandsmöglichkeiten und eine Erhöhung der Rechtsfolgenandrohung sicher nicht erhöht. Denn diejenigen, die Sie damit ansprechen wollen, müssen überhaupt das deutsche Gesetz lesen können. Die Banden, die nach Deutschland kommen, sind des Deutschen in der Regel gar nicht mächtig. Da haben wir schon ein Riesenproblem. Selbst wenn sich das herumspricht, wird die Bandenkriminalität, die Sie hier beseitigen wollen, durch die Verschärfung der Straftatbestandsmöglichkeiten sicherlich nicht eingedämmt werden.
Was bleibt denn übrig von dem Tatbestand des Diebstahls? Wenn man ein bisschen überlegt und die Sache vielleicht auch überspitzt, dann stellt man fest, dass nur noch der Ladendiebstahl übrig bleibt. Selbst das ist bei der Überwindung von Zugangs- oder Ausgangsbarrieren schon fraglich. Denn dann müssten Sie den Ladendiebstahl im besonders schweren Fall eigentlich auch noch dahineinpacken, und dann bleibt gar nichts mehr übrig. Dann können wir § 242 StGB eigentlich direkt streichen.
Ich freue mich auf die Diskussion im Rechtsausschuss. Ich bin ja leider nicht dem Rechtsausschuss zugewiesen, werde mir aber erlauben, gerade zu diesem Tagesordnungspunkt, wenn darüber im Rechtsausschuss gesprochen wird, anwesend zu sein und hoffe auf allseitige Zustimmung für meine Teilnahme an der Diskussion. Darauf freue ich mich in der Tat sehr. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind am Schluss der Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 16/14011 an den Rechtsausschuss – federführend – sowie an den Innenausschuss. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann der Überweisungsempfehlung nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der Piraten dem Kollegen Marsching das Wort, der heute wieder im Kapuzenpullover erscheint.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause! Das Bundesverfassungsgericht ist das Staatsorgan, das nach Umfragen von Meinungsforschungsinstituten regelmäßig die größte Zustimmung bekommt, das größte Vertrauen, das größte Ansehen in der Bevölkerung genießt, und zwar mit großem Abstand vor Parteien und auch vor Parlamenten. Das mag diverse Gründe haben, aber zwei Gründe scheinen mir offensichtlich:
Wenn Sie dazwischenrufen, müssen Sie so laut rufen, dass ich es auch höre, oder das Knöpfchen da drücken.
Erstens ist das Bundesverfassungsgericht unabhängig in seiner Urteilsfindung, das heißt vor allen Dingen unabhängig von Parlamenten und unabhängig von Parteien.
Zweitens sind die Urteile des Bundesverfassungsgerichts regelmäßig nachvollziehbar, und sie sind gut
begründet. Auch Vertreter der Politik bezeugen ja regelmäßig, dass sie die Urteile und die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts respektieren.