Zu der Anfrage. Ich bedauere ein bisschen, wenn wir heute eine Antwort auf eine Anfrage aus Mitte 2016
mit aktuellsten Zahlen aus 2015 bekommen, wir also im Prinzip die Lage von gestern hier bewerten, und das in ganz vielen Teilen auch noch auf Grundlage von manchmal sehr feingliedrigen, anderseits nur bedingt aussagekräftigen Daten. Herr Minister, Sie schauen. Hinsichtlich der abgefragten Ist-Personalstärken ist das Ganze wieder einmal doch recht unverfroren beschönigend bis verschleiernd.
Zur zentralen Frage, wie die Aufstellung und Ausstattung der Polizei in NRW für eine effektive Kriminalitätsbekämpfung verbessert werden muss, bleiben Sie uns jedenfalls eine Antwort schuldig. Ihre Antwort enthält 18 Seiten und dann Anlagen von geschätzt hundert Seiten mit Tabellen.
Wenn man sich einmal die Mühe macht und sich das genauer anschaut, dann kann man aus dem Zahlenmaterial schon recht schonungslos einige Sachverhalte herauslesen. So wird zum Beispiel deutlich, dass die Einsatztrupps der Autobahnpolizei immer noch viel zu schwach auf der Brust sind, um wirklich wirksam Fahndungs- und Kontrolldruck gegen mobile Täter zu erzeugen.
Ich trage bereits seit Längerem vor, dass wir uns damit dringend beschäftigen müssen, und das halte ich auch weiterhin für ein massives Versäumnis im Kampf gegen Einbrecher oder gegen die Geldautomatensprenger, aber auch gegen Raser, Herr Minister. Wenn, dann müssen wir bei der Autobahnpolizei auch die Autobahntrupps entsprechend ausstatten.
Schauen wir einmal in die Anfrage hinein, beispielsweise wenn es um die Einsatzbelastungen geht. Im Jahr 2015 gab es in den Direktionen der GE der Polizeipräsidien 2,8 Millionen Einsätze, in den Landratsbehörden knapp 2 Millionen, insgesamt etwa 4,7 Millionen Einsätze. Jetzt nennen Sie uns solche Einsatzzahlen, ohne aber die Zahl der gebundenen Kräfte oder die Einsatzdauer zu nennen. Das bringt natürlich dann nur einen begrenzten Informationsgewinn zur entsprechenden Belastung vor Ort.
Ich will das für die Landratsbehörden einmal konkreter machen. Laut Ihrer Zahlen hat sich die Einsatzbelastung der Direktion GE der Landratsbehörden von 2013 mit 1,08 Millionen Einsätzen über 2014 mit 1,7 Millionen Einsätzen auf im Jahr 2015 mit sage und schreibe 1,95 Millionen Einsätzen spürbar erhöht. Im Prinzip hat sich also seit 2013 die Einsatzbelastung in den Landratsbehörden fast verdoppelt.
Gleichzeitig zücken Sie aber im ländlichen Raum bei Personalzuweisungen oder Streifenwagen vor Ort unvermindert den Rotstift. Das ist gerade angesichts solcher Einsatzbelastungen, die wir im ländlichen Raum, bei den Landratsbehörden, haben, unverantwortlich, meine Damen und Herren. Sie können sich
da auch nicht wegducken, wenn es um die Zukunft der Polizei im ländlichen Raum geht, die Sie derzeit nur mit polizeilicher Mindeststärke ausstatten. Die Aussage von Herrn Düren im Untersuchungsausschuss war: Im ländlichen Raum kann nur noch ein Mindestschutz gewährt werden.
Das ist für die Bürgerinnen und Bürger – dazu habe ich beispielsweise gerade Zuschriften aus dem Kreis Minden-Lübbecke bekommen – ein ganz zentrales Thema. Die Frage ist: Wie geht es da weiter mit den Kommissariaten in Lübbecke oder in Bad Oeynhausen?
Danke schön, Herr Lürbke, für die Möglichkeit der Zwischenfrage. – Sie haben gerade so lapidar mit einem Halbsatz gesagt, dass im ländlichen Raum der Rotstift angesetzt wird. Das suggeriert ja, dass im Innenministerium einer sitzt, der da irgendwelche Stellen streicht. Ihnen ist schon klar, dass die Stellenverteilung nach der BKV, der Belastungsbezogenen Kräfteverteilung, erfolgt. Meine Frage ist: Können Sie mir jetzt erläutern, wo genau sich im System der BKV der Rotstift verbirgt und nach welchen Kriterien er eingesetzt wird? Dann wären wir, was Ihre Aussage angeht, vielleicht schlauer.
Frau Düker, ich habe das im Innenausschuss schon mehrfach erläutert. Zum einen haben wir übrigens auch abgefragt – Herr Kruse ebenfalls –, wie sich die Personalausstattung in den Landratsbehörden entwickelt. Sie ist negativ. Es gibt hier Kürzungen. Sie haben von der BKV gesprochen. Aber Sie wissen auch, dass beispielsweise die Zahl der im Stellentopf enthaltenen Stellen durch die unterjährigen Abgänge – Nachersatztermin ist der 1. Oktober – immer massiv unterschritten wird. Es gibt eine Unterschreitung auch in den Landratsbehörden.
Das ist übrigens auch ein Punkt: Wenn wir das abfragen – auch hier ist das wieder so gemacht worden –, dann bekommen wir immer nur die Zahlen für den 1. Oktober. Das sind doch auch wieder Taschenspielertricks. Die Abgänge, die über das Jahr geschehen
sind, werden uns hier im Haus nie genannt. Vielmehr werden immer nur die Zahlen des Nachersatztermins 1. Oktober genannt. Was vorher passiert, bleibt Ihr Geheimnis. Das ist genau das, was ich an der Stelle kritisiere: dass man, wenn man sich hier offen und ehrlich machen und transparent sein will, dann solche Zahlen vorlegt.
Ich fasse zusammen, wofür wir stehen: Statt Mindestschutz im ländlichen Raum – so hat es Herr Düren gesagt – brauchen wir eine bestmögliche Sicherheit in ganz Nordrhein-Westfalen. Das ist unser Kurs.
Herr Minister, ich kann ja fortfahren und fragen: Was ist denn der Sachstand bei der Aufgabenkritik? Das war ja gerade ein Thema. Wie weit sind wir da? Wir haben den Bericht seit zwei Jahren vorliegen. Aber auch ich bin der Überzeugung, dass im Grunde wenig passiert ist. Was ist denn eigentlich aus Ihren Ankündigungen geworden, Herr Minister, die Sie damals gemeinsam mit dem Verkehrsminister gemacht haben, die Polizeibegleitung von Großraum- und Schwertransporten mit einem Pilotprojekt auf den Prüfstand zu stellen?
Ich höre gerade: Fragen Sie mal Herrn Dobrindt! – Nein, Herr Minister, ich frage Sie. Und wenn ich mir die Zahlen anschaue, die Sie uns hier im Rahmen der Großen Anfrage geliefert haben, dann sehe ich – ich lese Ihnen das gerne vor –: Für das Jahr 2015 sind exakt 24.711 Einsätze zur Abfahrtskontrolle oder Begleitung von Schwertransporten dokumentiert. 24.711 Einsätze! Das ist nicht die Entlastung, die wir uns an der Stelle vorgestellt haben. Ich bitte Sie, darauf gleich noch einzugehen, wie denn der Sachstand bei diesem Pilotprojekt ist.
Nur einmal zum Vergleich: Das waren 24.000 Einsätze. Es gibt sogenannte Schwerpunkteinsätze in Angsträumen Nordrhein-Westfalens. Davon gab es im ganzen Jahr 11.000 im Land, also halb so viele wie zur Absicherung von Schwertransporten.
Es ist übrigens ganz interessant, sich die Statistiken zu den Schwerpunkteinsätzen in den Angsträumen anzusehen. In diesen kann man sich ja wirklich verlieren. In Düsseldorf gab es 451 solcher Einsätze, in Köln ganze elf. Im Grunde haben selbst Bonn, Essen, Hamm und Gelsenkirchen viel mehr Schwerpunkteinsätze gegen Kriminalität gefahren als Köln mit seiner hohen Zahl an Einbrüchen und Taschendiebstählen und der bekannten Täterklientel. Das Ergebnis von 2015 kennen wir alle hier im Haus.
Ich habe es schon eingangs gesagt: Die CDU hat nach der tatsächlichen Ist-Stärke gefragt. Auch hier wieder wurden die dem Wachdienst grundsätzlich
zur Verfügung stehenden Beamtinnen und Beamte ermittelt, auch wenn manche aktuell – bedingt durch Krankheit, Mutterschutz oder Abordnung – abwesend waren. Das ist das, was Sie uns in dem Zusammenhang liefern. Da frage ich mich nur: Was soll das? Wir wollen doch wissen, wie viele Beamte tatsächlich einsatzbereit sind, und nicht die Zahl derer erfahren, die irgendwo auf einer Liste bzw. in irgendeiner Planung stehen, obwohl sie tatsächlich krank, beurlaubt oder sonst wohin abgeordnet sind. So kann man sich als Opposition und als Parlament kein realistisches Bild über die Situation machen.
Wenn wir diese Informationen nicht haben – manchmal denke ich auch bei der Beantwortung der Kleinen Anfragen, dass Sie sie selbst auch nicht vorliegen haben –, dann ist doch klar, dass eine blinde Führung auf Probleme und Mehrbelastungen vor Ort nicht reagieren kann.
Die FDP-Fraktion hat gefragt, wie sich zum Beispiel die Zahl der Tumultdelikte entwickelt hat. Es ist bekannt, dass Polizeipräsidenten beklagt hatten, dass die Häufung der Tumulteinsätze – Zahl der eingesetzten Einsatzmittel und Einsatzkräfte, lange Einsatzdauer – eine höhere Belastung bedeutet. Und nun antwortet der Minister, er habe gar keine Ahnung, wie sich die Tumultdelikte entwickelt hätten. Das passt im Grunde genommen ins Bild. Ich finde es peinlich, dass solche Informationen bei einem derart zentralen Thema nicht vorliegen. Blinde Führung kann auf die Probleme nicht entsprechend reagieren.
Wozu das führt, haben wir auch im Fall Amri – das will ich hier nicht außen vorlassen – gesehen. Gestern hat der grüne Fraktionsvorsitzende auf Berlin gezeigt und gesagt, dort habe man Personallücken gehabt. Das müssen wir aber auch hier für NordrheinWestfalen ansprechen. Sie haben als Innenminister zu verantworten, dass die Teams zur Überwachung von Gefährdern in Nordrhein-Westfalen völlig unterbesetzt sind. In Zeiten des Terrors ist ihre Aufgabe so wichtig wie nie zuvor, auch wenn es die Fahndungsgruppe Staatsschutz gibt. Trotzdem waren laut „Bild“-Zeitung zuletzt beim MEK – wir durften das ja lesen – 35,8 % der Stellen in Nordrhein-Westfalen unbesetzt. Und die im Februar angekündigten zusätzlichen MEKs sollen – so, wie Sie das jetzt planen – erst im Jahr 2018 aufgebaut sein.
Fakt ist doch – das ist mein letzter Satz –: Wer nicht frühzeitig die erforderlichen Maßnahmen ergriffen und die Attraktivität und Anreize erhöht hat, der hat im Grunde bei der Überwachung von Gefährdern und Schwerkriminellen auf Lücke gesetzt. Das ist an der Stelle originäres Organisationsunvermögen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und (Herren)! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Vielen Dank. Als ich die Große Anfrage gelesen habe, habe ich mir zuerst die Frage gestellt: Was will uns der Autor eigentlich damit sagen?
Mit „Autor“ meine ich aber in diesem Fall aber nicht die Landesregierung, sondern den Fragesteller. Die Überschrift lautet: Wie muss die Aufstellung und die Ausstattung der Polizei Nordrhein-Westfalen für eine effektive Kriminalitätsbekämpfung verbessert werden? – Dann folgt ein ganzer Wust an Fragen, die mit der Überschrift im Prinzip nicht das Geringste zu tun haben.
Zunächst muss ich zugeben, dass die Kritik an dem Nichtvorhandensein gewisser Daten zumindest insofern berechtigt ist, als sich diese Tatsache auch bei der Beantwortung der Anfrage zeigt; denn die Daten in der Antwort sind im Prinzip völlig untauglich, um irgendetwas daraus abzulesen. Das liegt daran, dass vieles nicht oder nur teilweise entsprechend gespeichert wird und daher die Fragen auch nicht adäquat beantwortet werden konnten. Viele Fragen werden sinngemäß mit Sätzen beantwortet wie: „Eine Auswertung ist automatisiert nicht möglich.“, oder: „Eine Differenzierung nach bestimmten Kriterien ist nicht möglich.“, oder auch: „Deshalb sind diese genannten Daten und Zahlen für einen Vergleich ungeeignet.“
Das heißt, Herr Kruse und Herr Lürbke, Sie können aus diesen Zahlen im Grunde überhaupt keine wirklich vernünftigen Schlüsse ziehen. Die Schlüsse, die Sie gerade gezogen haben, können Sie im Prinzip in die Tonne kloppen.
Ich stimme ich Ihnen darin zu, dass man das dem Grundsatz nach durchaus kritisieren kann. Es ist unbestritten, dass Statistiken ein unerlässliches Mittel zur Kontrolle der Wirksamkeit von Maßnahmen sind. Wir haben erst kürzlich selber einen Antrag auf Reform von Kriminalitätsstatistiken eingereicht und dazu eine Anhörung beantragt.
Trotzdem müssen wir ein wenig das Verhältnis wahren: Welchen Mehrwert bringt eine bestimmte Statistik bzw. bringen bestimmte Daten? Welchen Aufwand verursacht ihre Erfassung? – Diese Verhältnismäßigkeit läge hier nicht vor. Vielleicht fordern Sie jetzt als Konsequenz aus der unzureichenden Beantwortung dieser Anfrage – das entnehme ich auch Ihren Redebeiträgen –, die von Ihnen abgefragten Daten zukünftig besser zu speichern.
Aber sogar für den Fall, dass alle Fragen, die Sie hier gestellt haben, vollumfänglich in Ihrem Sinne beantwortet worden wären, frage ich mich immer noch: Wo
Es beginnt bereits damit, dass die Fragen ausschließlich auf quantitative Aspekte zielen, und das auch noch völlig systemlos. Herr Kruse, Sie haben gerade selber kritisiert, dass die BKV ungeeignet sei, weil sie rein quantitative Aspekte berücksichtigt. Und dann kommen Sie mit einer großen Anfrage, die genau dasselbe tut. Wo ist der Mehrwert für die BKV? Wo ist der Mehrwert für die Ausgangsfrage, die Sie gestellt haben? – Man kann natürlich über Probleme bei der BKV reden; das ist ja auch berechtigt, keine Frage. Diese Fragen und diese Antworten bringen jedoch nichts.
Das Problem bei der BKV besteht einfach darin, dass bisher noch nichts Besseres gefunden wurde. Natürlich ist sie nicht gut, aber bisher gibt es einfach nichts Besseres.
Dann sprechen Sie in Ihrer Vorbemerkung – und damit kommen wir wieder zu dem Knackpunkt – ausdrücklich von Aufgabenkritik und dass diese nur möglich sei, wenn die Landesregierung Auskunft darüber gibt, welche polizeilichen Leistungen der Bürger in welchem Umfang in Anspruch nimmt.
Zunächst einmal stimme ich zu, dass diese Aussage zumindest nicht ganz falsch ist. Wir haben hier aber schon des Öfteren über Aufgabenkritik gesprochen, und ich frage mich ernsthaft, Herr Kruse und vielleicht auch Herr Lürbke, ob Sie überhaupt wissen, was dieser Begriff inhaltlich bedeutet. Unter diesem Stichwort diskutieren wir über polizeiliche Aufgaben, die eventuell komplett wegfallen oder zumindest irgendwie verlagert werden können, also Aufgaben – um es vereinfacht auszudrücken –, die nicht unbedingt dem absoluten Kernbereich der polizeilichen Aufgaben zuzurechnen sind.
Dann erfragen Sie unter Bezugnahme auf diesen Aspekt die Anzahl von Anzeigenerstattungen, von Festnahmen, von polizeilichen Beobachtungs- und Feststellungsberichten, von Sicherstellungen. Dann frage ich mich wiederum: Was genau wollen Sie von diesen Aufgaben wegkürzen? Was davon fällt Ihrer Meinung nach nicht unter den absoluten Aufgabenkernbereich der Polizei? Darunter fällt doch alles; davon können Sie gar nichts wegkürzen.