Protocol of the Session on January 25, 2017

Ein weiteres Thema ist die väterfreundliche Familienpolitik. Auch hierzu gibt es in Ihrem Bericht Ausführungen. Das ist ebenfalls ein wichtiges Zukunftsthema. Wir haben im Jahr 2016 die Väterkampagne angestoßen. Angesichts der Rückmeldungen, die von ganz vielen Vätern aus Nordrhein-Westfalen kamen, habe ich gemerkt, dass dies wirklich ein Thema ist, das Vätern auf den Nägeln brennt; denn viele Väter müssen mit beruflichen Nachteilen rechnen, wenn sie zum Beispiel ihr Recht auf Elternzeit einfordern. Deshalb sind wir gut beraten, Väter in diesem Recht weiter zu stärken, sie zu ermutigen und ihnen auch die entsprechende Unterstützung zukommen zu lassen.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Herr Kern ist meiner Meinung. Das ist ganz fantastisch.

Bei einem weiteren Ziel, auf das wir uns auf dem Gipfel geeinigt haben und das auch wichtig ist, weil diesbezüglich noch nicht besonders viel passiert ist, handelt es sich um das Thema „Führen in Teilzeit“. Die meisten in Teilzeit arbeitenden Menschen sind im Moment noch Frauen. Ich glaube, dass bei diesem Thema noch großes Potenzial besteht, dem wir uns stärker widmen sollten und bezüglich dessen wir in Zukunft noch stärker Maßnahmen anstoßen sollten, damit wir auch hier das gesamte Potenzial ausschöpfen können.

Ein wichtiges Thema – das kam auch im Kinder- und Jugendbericht zum Tragen, den ich vor wenigen Tagen vorgestellt habe; das spielt natürlich auch Abschlussbericht der Enquetekommission eine wichtige Rolle – ist immer noch die Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche. Im Bericht wird noch einmal

das Programm „Ungleiches ungleich behandeln“ angesprochen. Wir versuchen es immer wieder gegen alle Widerstände zu verteidigen und weisen darauf hin, dass wir zum Beispiel in Kitas, die sich in sozialräumlich schwieriger gelagerten Quartieren befinden, mehr investieren wollen und es stärker verfestigen wollen.

In diese Richtung wollen wir auch mit dem neuen Kitagesetz gehen; denn wir wissen, dass diese Maßnahmen wirklich wirksam sind, weil sie Kinder zum Beispiel dabei unterstützen, Sprache besser zu lernen – und Sprache ist immer noch der wichtigste Schlüssel für eine gelingende Bildungsbiographie. Das gilt nicht nur für Flüchtlingskinder, sondern auch für alle anderen Kinder. Deshalb war ich sehr froh darüber, auch diesen Grundsatz in Ihrem Abschlussbericht zu lesen.

Wenn wir über Chancengerechtigkeit reden, kommen wir um ein Thema nicht herum, das auch weiterhin ein wichtiges Thema der Landesregierung sein wird. Dabei handelt es sich um das Thema „Kein Kind zurücklassen“. Wie Sie wissen, haben wir dieses Programm gerade mit 22 weiteren Kommunen aus ganz Nordrhein-Westfalen, die jetzt noch dazugekommen sind, ausgeweitet; denn wir wissen: Wenn wir in Zukunft wirkliche Chancengerechtigkeit herstellen wollen, ist das ein wichtiges Präventionsprogramm.

Das ist auch ein Thema des Abschlussberichts. Es geht darum, dass wir noch weiter in dieses Programm investieren. Wir möchten „Kein Kind zurücklassen“ in das ganze Land tragen. Ich freue mich darüber, dass sich 22 weitere Kommunen an diesem Programm beteiligen.

Das Thema „Jugendpolitik“ steht vielleicht nicht immer so prominent im Vordergrund, wie es das an vielen Stellen tun sollte. Im Abschlussbericht der Enquetekommission kommt es aber, wie ich finde, in sehr angemessener Art und Weise vor. Gerade beim Thema „einmischende Jugendpolitik“ besteht meines Erachtens noch Luft nach oben. Ich glaube, dass wir da noch mehr erreichen können. Denn alles, was wir heute beschließen und worüber wir heute diskutieren, wird früher oder später Jugendliche treffen; es wird ihre Lebenswirklichkeit und ihren Alltag darstellen.

Deshalb glaube ich, dass es mehr strukturelle Möglichkeiten gibt, Jugendliche noch stärker zu beteiligen und zum Beispiel an die, wie ich finde, sehr erfolgreiche Aktion des Landesjugendrings anzuknüpfen, nämlich mehr Freiräume für Jugendliche zu schaffen, damit sie mehr Autonomie für ihre eigene Zeit haben.

Insgesamt kann man wirklich sagen, dass die Enquetekommission sehr erfolgreich und sehr gelungen konstruktiv zusammengearbeitet hat. Vielleicht lässt sich dieses gute Klima ja auf unseren Familienausschuss übertragen. Das würde mich sehr freuen.

Was mich besonders freut, ist, dass es die Enquetekommission wirklich geschafft hat, die Gesamtsituation von Familien in den Blick zu nehmen und damit einen fundierten, einen wirklich tiefgehenden Abschlussbericht zu erstellen, der für uns alle eine gute Grundlage für die Familienpolitik der Zukunft darstellt. Ich freue mich darauf, mit Ihnen gemeinsam daran weiterzuarbeiten. Wenn ich mir die Ergebnisse anschaue, dann habe ich überhaupt keine Zweifel daran, dass das auch gelingt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin Kampmann. – Nun spricht für die SPDFraktion Herr Dr. Maelzer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich finde es eine gute Leistung der Enquetekommission, fast 170 Handlungsempfehlungen weitestgehend im Konsens zu beschließen.

Allerdings hat mir die Arbeit in dieser Kommission auch gezeigt, wie unterschiedlich doch die Blickwinkel auf Familien bei den unterschiedlichen Parteien sind. Das hat auch die Diskussion ein Stück weit zum Ausdruck gebracht.

Warum tut sich zum Beispiel die FDP mit einem Fachbegriff wie der „strukturellen Rücksichtslosigkeit“ so schwer? Für mich gibt es darauf nur eine Antwort, denn wenn man seine Richtigkeit anerkennt, ist man auch zum Handeln gezwungen. Aber genau diese Konsequenz will die FDP nicht. Denn in Ihrem Sondervotum führen Sie ja aus, das Letzte, was Sie wollten, seien Vorgaben für Arbeitgeber. Leider waren Ihnen da die Interessen der Wirtschaft wichtiger als die Interessen der Familien.

Stattdessen sagen Sie, man solle den Familien selbst mehr Lösungskompetenz zutrauen. Was heißt das übersetzt? Da, wo wir Sozialdemokraten und auch die Mehrheit der Enquetekommission zu Familien sagen: „Wir wollen euch helfen“, sagt die FDP: „Ihr schafft das schon“. Ich bin froh, dass die Mehrheit da deutlich ambitioniertere Ziele verfolgt.

Aber auch mit der CDU hatten wir unsere Reibungspunkte, wenn es um Begriffe ging. Ich kann mich daran erinnern, dass die CDU immer wieder echte Wahlfreiheit einforderte, eine genaue Definition aber bis heute schuldig geblieben ist. Das wäre aber deshalb so wichtig, weil gerade die Befürworter eines Betreuungsgeldes echte Wahlfreiheit immer wieder als Kampfbegriff gebraucht haben und wir nicht wollen, dass über Begrifflichkeiten Konzepte durch die Hintertür eingeführt werden, die von der Mehrheit der Familien abgelehnt werden.

Walter Kern, du hast eben ausgeführt, ihr wolltet keine Empfehlung Richtung Bundesebene aussprechen. Nun war aber der ausdrückliche Auftrag dieser Enquetekommission, Fragwürdigkeiten beispielsweise bei der Besteuerung von Familien, bei der sozialen Sicherheit für Kinder, bei der Gleichberechtigung von Familien ohne Trauschein oder auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren und bei Arbeitszeitmodellen in den Blick zu nehmen. Das geht eben nicht ohne die Bundesebene. Ich glaube, der Grund war vielmehr, dass ihr wisst, dass ihr für eure Positionen weder politische noch gesellschaftliche Mehrheiten habt, und es deswegen lieber ausgespart habt.

Daran hat auch euer Sondervotum nicht viel geändert. Denn etwa 50 % des Sondervotums haben wir in der Enquetekommission gemeinsam beschlossen. Darauf hat die CDU kein Copyright. Und was die anderen 50 % angeht, hätten wir uns gefreut, wenn ihr das in die Kommissionsarbeit eingebracht hättet. Dann hätten wir das miteinander diskutieren können. Aber da konnten wir natürlich nicht mitgehen, ohne selber die Möglichkeit zu haben, dazu Stellung zu beziehen.

Bei allem Kritischen, was ich an den Anfang gestellt habe, möchte ich aber auch sagen, was mich an dieser Kommission besonders gefreut hat. Das hat auch mit Definitionen zu tun. In unserem Kommissionsbericht kommt ein Väterbild zum Ausdruck, das sich sehr stark an einer modernen und aktiven Vaterrolle im Familienleben und bei der Kindererziehung orientiert. Mütter und Väter – das zeigt auch der Familienbericht des Landes NRW – wünschen sich eine gleichberechtigte Teilhabe am Erwerbsleben und an der Fürsorgearbeit. Um es klar zu sagen: Sie wünschen sich nicht nur eine partnerschaftliche Diskussion darüber; Sie wollen mehrheitlich eine partnerschaftliche Aufteilung.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es ist bereits angeklungen: Wenn wir das auch als Politik wollen, ist es wichtig, dass die Arbeitswelt familiengerechter und nicht die Familien arbeitsmarktgerechter werden. Das wird aber nicht nur mit freundlichen Appellen an die Arbeitgeber gelingen. Freiwillige Lösungen allein werden uns nicht entscheidend voranbringen.

Für uns Sozialdemokraten steht deshalb fest, dass die Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzen muss. Wir haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Mütter und Väter gleichermaßen die Chance haben, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Eine flexible Familienarbeitszeit, wie sie im Kommissionsbericht angelegt ist, würde eben nicht nur mehr Frauen die Chance auf Erwerbsbeteiligung und damit eigene Existenz- und Alterssicherung ermöglichen; nein, auch Väter hätten durch vollzeitnahe Teilzeitarbeit

die Möglichkeit, mehr Zeit mit der Erziehung ihrer Kinder zu verbringen. Genau das ist es, was moderne Väter sich wünschen.

Meine Damen und Herren, wirkliche Wahlfreiheit gibt es aus Sicht der SPD erst dann, wenn Väter und Mütter nicht mehr dazu gezwungen werden, sich zwischen Beruf und Familie zu entscheiden. Da sind familiengerechte Arbeitszeitmodelle ähnlich wichtig wie eine gebührenfreie, ausreichende und qualitativ hochwertige Kitabetreuung.

Eine aktive Vaterschaft beginnt übrigens bereits, bevor das Kind auf der Welt ist. Es muss selbstverständlich werden, dass Krankenkassen die Teilnahme von Vätern an Geburtsvorbereitungskursen erstatten. Und für Väter muss es einen verbindlichen Sonderurlaubsanspruch zur Begleitung der Partnerin bei der Geburt des Kindes geben.

Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, dass ich Vater bin. Meine Tochter ist gerade 14 Monate alt. Sie ist also jung genug, damit ihr Leben von dem geprägt sein kann, was wir in der Enquetekommission empfehlen. Sie wird dann in eine Kita gehen, die qualitativ und personell besser ausgestattet ist als heute, eine Kita, die sie und ihre Familie bei der Erziehung und Bildung des Kindes partnerschaftlich begleitet. Und ihre Eltern werden für den Kita-Besuch nichts bezahlen müssen, weil die SPD dafür sorgen wird, dass Gebührenfreiheit nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird.

(Beifall von der SPD)

Kinderarmut wird durch eine Kindergrundsicherung zurückgedrängt sein. Armut wird sich in Familien nicht mehr vererben, weil wir präventiv und rechtzeitig eingreifen. Sie wird eine Grundschule besuchen, die ähnlich wie Kitas heute als Familienzentren im Sozialraum wirken. Und in der weiterführenden Schule wird es flächendeckende Ganztagsangebote geben, aber auch Freiräume, um den Alltag eigenverantwortlich und gemeinsam mit der Familie zu gestalten.

Wenn meine Tochter erwachsen ist, wird sie sich nicht nur aussuchen können, ob und wen sie einmal heiratet, sondern der Staat wird jede Ehe als Partnerschaft gleichwertig anerkennen und unterstützen. Und sie wird in einer Welt leben, die den Wert einer Ehe weiterhin anerkennt, die finanzielle Förderung von Familien aber in erster Linie am Vorhandensein von Kindern und nicht an einem Trauschein ausrichtet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wenn meine Tochter wirklich in einer solchen Welt aufwachsen wird, dann hat sich die Arbeit in dieser Enquetekommission wirklich gelohnt. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Maelzer. – Für die grüne Fraktion spricht Frau Kollegin Paul.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbstverständlich schließe auch ich mich dem Dank für die gute Zusammenarbeit an, die natürlich manchmal den einen oder anderen Haken hatte. Aber so ist das – auch in Familien. Man hat nicht immer nur gute Tage, Herausforderungen sind sicherlich das Alltägliche.

Moderne Familienpolitik muss der Vielfalt von Familienformen Rechnung tragen – das ist schon vielfach angeklungen –, aber auch die einzelnen Beteiligten von Familie und ihre jeweils speziellen Bedürfnisse in den Blick nehmen. Vor diesem Hintergrund ist es eine spezielle, uns Grünen besonders wichtige Linie in diesem Bericht gewesen, auch einen gendersensiblen Blick auf die unterschiedlichen Herausforderungen von Frauen und Männern beim täglichen „Doing Family“ zu richten.

Frauen und Männer – Kollege Maelzer hat das gerade schon gesagt – wünschen sich ein partnerschaftliches Modell, nicht nur beim Diskutieren darüber, sondern auch bei der Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit. Allein die Realität sieht leider in vielen Fällen immer noch anders aus.

Die Zahlen einer aktuellen WZB-Studie unterstreichen noch mal, warum es wichtig und richtig gewesen ist, das auch in diesem Bericht so deutlich aufzugreifen. Denn auch hier sagen 75 % der befragten Väter, sie würden gerne weniger arbeiten. Leider sagen aber auch 46 %, dass sie keine passende Stelle finden, oder sogar 36 %, dass in ihren Betrieben Teilzeit für Väter nicht üblich ist oder ihre Vorgesetzten gar explizit dagegen sind.

Das zeigt auf, hier ist durchaus noch Handlungsbedarf. Selbstverständlich sind dort die öffentlichen Arbeitgeber als Vorbilder gefragt, aber auch etwa die privaten Betriebe, die Gewerkschaften als wichtige Partner.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sorgeaufgaben, liebe Kolleginnen und Kollegen, dürfen aber kein Armutsrisiko sein. Insbesondere Alleinerziehende – von ihnen ist der allergrößte Teil weiblich – und ihre Kinder tragen in diesem Land leider nach wie vor ein besonders hohes Armutsrisiko. Die mangelnde Vereinbarkeit gerade für Frauen und Alleinerziehende trägt oftmals dazu bei, dass ihre prekären Beschäftigungsverhältnisse im Lebensverlauf für sie ein erhebliches Armutsrisiko bergen. Schwierige ökonomische Verhältnisse im Heute sind leider der Ausgangspunkt für Altersarmut morgen. Auch dem muss moderne Familienpolitik Rechnung tragen.

Zum Schluss: Vereinbarkeit und Unterstützung sind aber auch eine Frage von Bündelung. Deshalb bin ich froh, dass wir uns in der Familienenquete auch darauf verständigt haben, dass beispielsweise Familienbüros – vorhin ist es schon angeklungen – zur zeitlichen und organisatorischen Entlastung von Familien beitragen können, weil sie Leistungen aus einer Hand bündeln. Auch hier ist die Zeitfrage für viele Familien wichtig. Dort hat uns der Gutachter Prof. Mückenberger gute Ausgangsbedingungen attestiert.

Lassen Sie uns also gemeinsam an diesen Fragestellungen weiterarbeiten – gerne auch in der familiären, manchmal guten, manchmal anstrengenden Atmosphäre wie bisher. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Paul. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Damit stelle ich fest, dass der Landtag den Abschlussbericht der Enquetekommission zur „Zukunft der Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen“ – Enquetekommission V – Drucksache 16/14000 zur Kenntnis genommen hat.

Ich darf im Namen des Hohen Hauses allen Mitgliedern der Enquetekommission sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die engagierte und sehr umfangreiche Arbeit danken. Ich bin sicher, das ist ein guter Beitrag für die Zukunft, weil solche Berichte in der Regel sogar in weitere Legislaturperioden wirken, weil man immer wieder nachguckt, was verhandelt und besprochen wurde. Deshalb werden sie so gründlich erarbeitet und haben für lange Zeit und für zukünftige Entscheidungen ihre Bedeutung. Also: Herzlichen Dank an alle die, die mitgemacht haben.

(Beifall von allen Fraktionen)