Protocol of the Session on January 25, 2017

nehmen, dass diese Gefährder adäquat behandelt werden und dass das auch gerichtsfest erfolgen muss.

Die Landesregierung unterstützt auch die Ankündigung der Bundesregierung, die Abschiebehaft für Gefährder, von denen eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Gefahr der Begehung terroristischer Straftaten ausgeht, gesetzlich zu erleichtern.

(Zuruf von der CDU: Da müssen Sie mal ran!)

Auch aus Sicht der Bundesregierung hat es sich doch gezeigt, dass die rechtlichen Hürden zu hoch waren, Amri in Abschiebehaft nehmen zu können. Deshalb muss die Rechtslage jetzt angepasst werden.

(Dr. Joachim Stamp [FDP] [ein Schriftstück hochhaltend]: Hier! Lesen Sie sich das mal durch! Liegt doch alles vor!)

Das gilt insbesondere für die jetzt noch bestehende sogenannte Dreimonatsfrist, die die Voraussetzungen für die Abschiebung erschwert hat. Wir brauchen künftig eine flexiblere Regelung, damit die Abschiebung von bestimmten Gefährdern nicht mehr an dieser Hürde scheitert. Hiermit wird ein zentrales derzeitiges Hafthindernis beseitigt.

Meine Damen und Herren, wir müssen auch in den Blick nehmen, dass 70 % der in Nordrhein-Westfalen unter Beobachtung stehenden Gefährder einen deutschen Pass besitzen.

Der Bundesjustiz- und der Bundesinnenminister wollen im BKA-Gesetz künftig auch die Überwachung von Gefährdern mittels Fußfessel ermöglichen. Wir unterstützen ausdrücklich das Ziel, Gefährder besonders in den Blick zu nehmen und polizeiliche Maßnahmen zielgerichtet auf diese Personengruppe anzuwenden. Auch die Länder erarbeiten auf Ebene der Innenministerkonferenz eine Regelung zur Umsetzung von Fußfesseln in den Landespolizeigesetzen.

Eines ist mir wichtig: Es gilt jetzt, die Ursachen von Radikalisierungen auch dort anzusetzen und verfassungsfeindliche Bestrebungen bereits in der Entstehung zu verhindern. In Nordrhein-Westfalen wird der Radikalisierungsprävention bereits eine große Bedeutung beigemessen. Mit dem Projekt „Wegweiser“ wird das Ziel verfolgt, bei Jugendlichen oder jungen Heranwachsenden einen Radikalisierungsprozess in seinen Anfängen zu verhindern. „Wegweiser“ beschränkt sich nicht nur auf die Betreuung des sozialen Umfelds, sondern bezieht die betroffenen Jugendlichen und jungen Menschen in die Beratungsarbeit ein.

Neben dem „Wegweiser“-Programm bietet der Verfassungsschutz ein „Aussteigerprogramm Islamismus“ an, mit dem Personen aus der salafistischen

Szene gelöst werden sollen. Die Landesregierung wird das Projekt wie geplant in diesem Jahr deutlich ausbauen und zeitnah auf ganz Nordrhein-Westfalen ausweiten. Die Landesregierung begrüßt es, dass Bundesjustiz- und Bundesinnenministerium den Ansatz jetzt in ihr Konzept aufgenommen haben. Wir müssen also dafür sorgen, dass Gefährder möglichst nicht immer wieder nachwachsen. Langfristig ist das nach meiner Überzeugung sogar der größte Gewinn an innerer Sicherheit, den wir erreichen können.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Terroristinnen und Terroristen sind hoch mobil, national wie international. Deshalb stellt sich als zentrale Herausforderung für die Sicherheitsbehörden nicht allein die Informationsgewinnung,

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

sondern der Informationsaustausch und die sinnvolle Vernetzung. – Wenn Sie sich darüber mokieren, dass ich „Terroristinnen und Terroristen“ gesagt habe, sollten Sie zur Kenntnis nehmen, dass es sehr wohl auch weibliche Terroristen gibt. Es tut mir leid, aber diesen Zwischenruf kann ich wirklich nicht nachvollziehen.

(Marcel Hafke [FDP]: Man kann es auch über- treiben!)

Deshalb stellen sich als zentrale Herausforderung für die Sicherheitsbehörden nicht allein die Informationsgewinnung, sondern der Informationsaustausch und die sinnvolle Vernetzung. Wir wollen eine gemeinsame, moderne und einheitliche Informationsarchitektur, und diese Architektur ist möglich, ohne bewährte Strukturen in den Ländern zu zerschlagen.

Neben der nationalen ist auch eine stärkere internationale Vernetzung dringend geboten. So hat etwa Europol bereits die Kompetenz, Informationen der Mitgliedstaaten zu sammeln, zu analysieren, zu speichern, weiterzuverarbeiten und auszutauschen. Aber bislang sind die nationalen Behörden noch nicht zum Austausch verpflichtet. Die Länder der Europäischen Union müssen sich künftig wechselseitig besser darüber informieren, wer sich jeweils an welchem Ort aufhielt, wer bei ihnen als Straftäter aufgefallen ist. Die Erkenntnisse aus Ermittlungsverfahren müssen schneller und umfassend geteilt werden. Wir unterstützen die Bundesregierung dabei, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass die entsprechenden Voraussetzungen, sobald es geht, geschaffen werden.

Es ist darüber hinaus notwendig, die untauglichen Abkommen mit den nordafrikanischen Staaten zur Rückführung von Ausreisepflichtigen schnellstmöglich zu verbessern.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- ruf von der CDU)

Ich weiß, da kommt wieder: „sichere Herkunftsländer“. Nehmen Sie doch bitte einmal zur Kenntnis, dass die Frage der sicheren Herkunftsstaaten nur dann Sinn machen würde, wenn es auch ein effektives Verfahren zur freiwilligen Rückkehr und zur Rücknahme gäbe.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Ansonsten verlängert sich der Stau vor dem Flaschenhals der Abschiebemöglichkeiten. Das muss man auch einmal zur Kenntnis nehmen.

(Jochen Ott [SPD]: Richtig!)

Das sind Vorhangdebatten, die geführt werden, um Versagen zu verdecken, das die Bundesregierung zu verantworten hat

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

in Person der beiden Minister, die diese Abkommen ausgehandelt haben. Das gehört zur Wahrheit dazu.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Widerspruch von der CDU – Ar- min Laschet [CDU]: Unglaublich!)

Meine Damen und Herren, wir brauchen mehr europäische und internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terror und nicht weniger. Das zeigt auch die Festnahme des mutmaßlichen Terroristen in Neuss am Samstag.

(Zuruf von der CDU)

Hier hat die internationale Zusammenarbeit zwischen unserer NRW-Polizei und den Gremien und den Kollegen in Österreich gut funktioniert. Wir brauchen zusammenfassend eine weiter verbesserte Kooperation. Damit meine ich die Stärkung der inneren Stabilität unserer Gesellschaft und von Polizei und Justiz sowie einen Ausbau der Prävention gegen Extremismus. Wir müssen die ernsthafte Diskussion über alle Vorschläge, die wirklich für mehr Sicherheit sorgen können,

(Zuruf von der CDU)

mit großem Tempo und zugleich großer Sorgfalt und Besonnenheit führen. So wichtig es ist, darüber zu reden, welche Fehleinschätzungen es gegeben hat, so richtig und wichtig ist es aber auch, über die Erfolge im Kampf gegen Terrorismus zu reden.

Wir sollten nie übersehen: Wir sind nicht schutzlos. Mit einer Bevölkerung, die weiter besonnen und wachsam ist, mit insgesamt gut ausgebauten und ausgestatteten Sicherheitsorganen haben wir ein sehr hohes Sicherheitsniveau in unserem Land. Das ist der Grund, warum es auch Erfolge im Kampf gegen Terror gibt. Seit dem Jahr 2000 konnten zwölf Anschläge – zwölf seit 2000! – durch die rechtzeitige Intervention der Sicherheitsbehörden in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen verhindert werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

So wurde auch der schreckliche Anschlag verhindert, der offensichtlich im vorigen Sommer hier in Düsseldorf in der Altstadt geplant war.

Meine Damen und Herren, wir stellen uns der Herausforderung durch den Terrorismus.

(Zuruf von Michele Marsching [PIRATEN])

Wir sind uns der Gefahren bewusst, aber wir haben die Mittel, den Willen und die Ausdauer, um mit dieser Herausforderung fertig zu werden – so wie wir schon einmal mit einer anderen Form von Terror fertig geworden sind, der unser Land in den 70er-Jahren herausgefordert hat. Und wieder werden wir weder unsere Freiheit noch unseren Rechtsstaat noch unseren Lebensstil aufgeben.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Terroristen werden keines ihrer Ziele erreichen, wenn wir weiter besonnen zusammenstehen und die Sicherheit weiter stetig verbessern.

Lassen Sie uns bei allen Auseinandersetzungen, die wir auch in diesem Haus führen und führen müssen, immer das klare Signal aussenden, dass wir im Kampf gegen den Terror Seite an Seite stehen. – Herzlichen Dank.

(Lang anhaltender lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin. – Die Landesregierung hat ihre Redezeit um zwei Minuten und 40 Sekunden verlängert. Das wird den anderen Fraktionen entsprechend gutgeschrieben. – Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Armin Laschet das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerpräsidentin, uns eint das, was Sie am Ende und am Anfang Ihrer Rede gesagt haben: das Entsetzen über den Terror, die Bedrohung für unsere freiheitliche Gesellschaft, die Ablehnung all derer, die das gegen unseren Staat jetzt auch von rechts nutzen wollen, um die Gesellschaft zu spalten.

Uns eint die Trauer um die zwölf Toten. Uns eint das Mitfühlen mit den Opfern, die immer noch unter dem Anschlag leiden. Die Botschaft sollten wir am Anfang sagen: Hier stehen wir in Nordrhein-Westfalen alle zusammen.

(Beifall von der CDU, der SPD, den GRÜNEN, der FDP, den PIRATEN und Dietmar Schulz [fraktionslos])

Warum ist diese Debatte notwendig? Unser Land Nordrhein-Westfalen befindet sich seit Wochen im

Zentrum einer bundesweiten Debatte über die innere Sicherheit. Sie haben heute vieles angesprochen und auch angekündigt, was jetzt kommen soll. Aber Sie haben auch viele Fragen, die die Öffentlichkeit, die Medien und auch wir in den Ausschüssen des Landtags stellen, erneut offengelassen. Sie haben die Unterrichtung nicht genutzt, um einiges davon aufzuklären.

Deshalb müssen wir uns drei prinzipielle Fragen stellen.

Erstens: Was war in der Zeit vor dem Anschlag? Hätte man den Attentäter vom Breitscheidplatz bereits in Nordrhein-Westfalen stoppen können? Welche Möglichkeiten gab es? Und wenn es sie gab – warum wurden sie nicht genutzt?