Protocol of the Session on January 25, 2017

Erstens: Was war in der Zeit vor dem Anschlag? Hätte man den Attentäter vom Breitscheidplatz bereits in Nordrhein-Westfalen stoppen können? Welche Möglichkeiten gab es? Und wenn es sie gab – warum wurden sie nicht genutzt?

Zweitens: der Umgang mit dem Anschlag. Wie sollte eine Landesregierung, die in weiten Teilen für die Beobachtung und Abschiebung des späteren Attentäters zuständig war, verantwortlich und verantwortungsbewusst mit einem solchen Anschlag umgehen?

Drittens: Welche Gesetzeslücken sind vielleicht vorhanden? Was müssen wir jetzt ändern? Wie können wir das Netz der Beobachtung enger aufspannen? Wie können wir die Zugriffsmöglichkeiten der Sicherheitsbehörden verbessern? Wie viele vergleichbare Gefährder gibt es eigentlich noch? Wie kann man ihrer jetzt habhaft werden?

Wir haben zu der dritten Frage für die heutige Sitzung Vorschläge vorgelegt. Unser Antrag zur Terrorismusbekämpfung hat einen umfangreichen Maßnahmenkatalog. Er liegt heute dem Plenum vor.

Unsere Grundüberzeugung ist – das hat man bei diesem Anschlag gemerkt –: Es darf in Deutschland keine Zonen unterschiedlicher Sicherheit geben.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP – Michele Marsching [PIRATEN]: Das hat null mit Amri zu tun!)

Wir brauchen im nordrhein-westfälischen Polizeigesetz und in vielen anderen Landesgesetzen den gleichen Sicherheitsstandard wie in anderen deutschen Bundesländern.

Ich nenne Ihnen ein paar Beispiele: Die elektronische Fußfessel ist eine Gesetzesinitiative von Bundesminister de Maizière und Bundesminister Maas, die in Sachen Ausländerrecht zuständig sind. In diesen Fällen gibt es die Zuständigkeit des Bundes.

Sie haben eben zu Recht davon gesprochen, dass es auch deutsche Gefährder gibt. Wenn wir für den Umgang mit ihnen eine Rechtsgrundlage schaffen, muss dies im Landesrecht geschehen. Jede der Maßnahmen, die ich jetzt nenne, für die die Landesregierung Vorschläge macht, werden wir mit unterstützen. Wenn Sie sie nicht machen, werden wir Ge

setzesvorschläge erarbeiten, wie in Nordrhein-Westfalen der gleiche Standard wie in Bayern, BadenWürttemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz oder anderen deutschen Ländern hergestellt werden kann.

(Beifall von der CDU)

Zweitens. Der Unterbindungsgewahrsam ist bei uns auf wenige Stunden beschränkt, in Bayern und Baden-Württemberg auf 14 Tage. Er muss auf 14 Tage ausgedehnt werden.

(Beifall von der CDU)

Drittens: die Videobeobachtung. Wir brauchen neue Möglichkeiten der Videobeobachtung, unter anderem mit Instrumenten der Gesichtskennung, an zentralen Orten.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Das ist doch irre! Wofür? – Michele Marsching [PIRATEN]: Oh, ist das schlecht!)

Wir brauchen endlich wie in 13 deutschen Ländern die Schleierfahndung. Die hilft auch bei islamistischen Gefährdern.

(Beifall von der CDU – Michele Marsching [PIRATEN]: 13 Treffer bei 20.000 Kontrollier- ten!)

Wir brauchen im nordrhein-westfälischen Polizeirecht, damit die Telefonüberwachung sowie die Überwachung und Analyse von Konten und Bankdaten von Gefährdern erkennbar werden, eine Möglichkeit, dass das auf diesen Fall ausgedehnt wird. Auch das steht in vielen deutschen, auch rot-grün regierten Ländern bereits im Landesrecht, in Nordrhein-Westfalen noch nicht. Wir müssen das schaffen.

(Beifall von der CDU – Verena Schäffer [GRÜNE] und Norwich Rüße [GRÜNE]: Falsch!)

Und wir brauchen bei der Identitätsverschleierung – das war ja bei Herrn Amri der Fall: 14 Identitäten – für die Ausländerbehörden eine Möglichkeit, das noch schneller konsequent zur Anzeige zu bringen, und Staatsanwaltschaften, die diese Identitätsverschleierung mit allem Nachdruck verfolgen.

Über all diese Maßnahmen müssen wir sprechen. Das werden wir noch in vielen Landtagssitzungen bis zur Wahl machen.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Auch nach der Wahl? – Zuruf von Marc Herter [SPD])

Auch nach der Wahl, Frau Ministerpräsidentin.

(Vereinzelt Lachen von der SPD)

Jetzt kommt ein wirklich wichtiger Punkt.

(Zurufe von der SPD: Ja, endlich! – Weitere Zurufe)

Sie finden das alles lustig. Ich weiß nicht, ob die Zuschauer, die die Sitzung jetzt verfolgen, es lustig finden, dass die Sozialdemokraten bei diesem Thema lachen.

(Jochen Ott [SPD]: Das findet überhaupt kei- ner lustig!)

Das ist ein ernstes Thema, über das wir uns unterhalten.

(Beifall von der CDU, der FDP und Dietmar Schulz [fraktionslos])

Man kann sagen, jetzt ist Wahlkampf. Aber ich sage Ihnen: Die überlebenden Opfer, die Menschen, die etwas erlitten haben, schauen nicht nach Wahlterminen.

(Zuruf von der SPD: Aber Sie!)

Die wollen wissen: Was ist da passiert? Ich sage einmal selbstkritisch: Die größte Katastrophe in der Landesgeschichte von Nordrhein-Westfalen, die Loveparade, haben wir, weil zu dem Zeitpunkt ein Regierungswechsel stattfand – eine alte Regierung war da, wenige Tage später passierte das, eine neue Regierung kam ins Amt –, nicht in der Intensität mit Untersuchungsausschüssen aufgeklärt,

(Beifall von der CDU)

wie es nötig gewesen wäre. Das sage ich ganz selbstkritisch. Wir waren dann Opposition. Ich sage Ihnen auch: Wir werden es nicht dulden, dass noch einmal ein Wahltag dazu führt, dass wir alle die Arbeit einstellen und sagen: Wir reden nach der Wahl weiter.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Jetzt muss über dieses Thema geredet werden!

Ich sage Ihnen auch, selbst wenn wir das nicht tun, wenn wir nicht mehr über das Thema sprechen, werden die Populisten von Links und Rechts über dieses Thema reden, und seröse Medien werden weiter – Wahlkampf hin oder her – nachfragen. Sie meinen doch wohl nicht, dass das Rechercheteam von NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, Herr Prantl, Stefan Aust, Georg Mascolo ihre Recherchearbeit einstellen, nur weil zufällig am 14. Mai eine Landtagswahl ist.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Deshalb ist auch der Landtag gefordert, in aller Klarheit die Fragen zu stellen, die erforderlich sind, Sitzung für Sitzung, Ausschuss für Ausschuss. Und wenn wir dann mal Fragen stellen, und die auf dem Weg vom Präsidialbüro zur Präsidentin durch die Tür über den Flur auf dem Schreibtisch des Sachbearbeiters 60 Sekunden zu spät eintreffen, dann wäre es gut, wenn die Fraktionen von SPD und Grünen sagen würden: Wir wollen aufklären; deshalb bestehen wir jetzt nicht auf diesen 60 Sekunden; wir wollen

in einer Fragestunde Rede und Antwort stehen. – Die Frau Präsidentin hat gesagt, SPD und Grüne seien nicht einverstanden, und deshalb habe sie so entschieden. – Das ist kein guter Stil im Umgang miteinander.

(Lebhafter Beifall von der CDU, der FDP und Michele Marsching [PIRATEN] – Widerspruch von der SPD – Sigrid Beer [GRÜNE]: Hat sie überhaupt nicht!)

Herr Herter, die Frau Präsidentin hat uns mitgeteilt – wir stellen Ihnen das zur Verfügung –, dass es kein Einvernehmen mit den Fraktionen des Hauses gab. Piraten und FDP haben gesagt, sie seien einverstanden, dass die Fragestunde stattfindet. Aber wie auch immer, …

(Lebhafter Widerspruch von der SPD)

Lieber Herr Herter, dann müssen Sie mit der Frau Präsidentin sprechen, die ja nicht unserer Fraktion angehört. Sie hat gesagt: Es gab kein Einvernehmen der Fraktionen. – Von drei Fraktionen weiß ich, dass es Einvernehmen gab. Deshalb wäre es gut gewesen, wenn der Innenminister in einer Fragestunde Rede und Antwort gestanden hätte.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Jetzt kommt das eigentliche, tiefer gehende Problem, und das ist der Umgang mit der ganzen Angelegenheit. Wenn der Innenminister oder Sie, Frau Ministerpräsidentin, gesagt hätten: Da sind möglicherweise Fehler passiert,

(Nadja Lüders [SPD]: Hat er!)

sowohl beim Bund als auch bei den Ländern als auch im gemeinsamen Terrorabwehrzentrum, wo auch immer

(Zuruf von der SPD: Hat sie doch gerade ge- macht!)

ich rede über die Kommunikation der letzten Tage –, wenn Sie das gemacht hätten, …