Protocol of the Session on November 9, 2012

Herr Laschet, Sie wissen es genauso wie ich: Das Betreuungsgeld hält Frauen vom Arbeitsmarkt fern und erhöht damit ihr Risiko, von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein. Sie nehmen die 150 € und haben dadurch ein erhöhtes Risiko.

(Zuruf von Karl-Josef Laumann [CDU])

Außerdem hemmt das Betreuungsgeld die Integration. Denn unter den sozial Schwachen sind besonders viele Menschen mit Migrationshintergrund. Sie sind Desintegrationsprozessen in Deutschland viel mehr ausgesetzt als deutsche Familien. Wir haben doch ein großes gesellschaftliches Interesse daran, dass diese Kinder in unsere Einrichtungen kommen. Darum müssen wir kämpfen.

(Zurufe von Karl-Josef Laumann [CDU] und Armin Laschet [CDU])

Herr Laschet, Sie können sich hier doch nicht mehr zur Familien- oder Kinderpolitik äußern. Sie haben es fünf Jahre versucht und gar nichts hinbekommen. Also bitte! Wenn Sie hier das Wort dazu ergreifen, ist das wirklich albern.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das Betreuungsgeld hemmt die Integration, hemmt die nötige Entwicklung der Familien mit Migrationshintergrund, deren soziale Situation besonders schwach ist, hemmt sie, in unsere Einrichtungen zu kommen.

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Das können Sie Ihrer Großmutter erzählen!)

Von daher ist das schon ein Skandal.

Es gibt doch auch bei Ihnen in der CDU genug Menschen, die das Betreuungsgeld als sehr problematisch ansehen, zum Beispiel Kristina Schröder. Sie ist von ihrer politischen Begabung her eher übersichtlich strukturiert, sagt aber:

„Je früher Max und Ali miteinander im Sandkasten spielen, umso besser für die Integration und umso besser für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

In diesem Fall hat Frau Schröder recht. Das besagt auch die gesamte Integrationsdebatte, die dahintersteckt. Wir müssen die Kinder zusammenführen. Und das geht nicht, wenn sie zu Hause bleiben und die Eltern dafür auch noch belohnt werden. Eine völlig falsche Politik!

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich bin entsetzt, meine Damen und Herren, ich habe so etwas in der bundesdeutschen Geschichte noch nicht erlebt. Wirklich alle sagen – über Parteigrenzen, über Konfessionen hinweg; auch die FDP sagt es –: Wir brauchen es nicht. – Und dieser Mensch aus Bayern fordert etwas ein, was er selber in seiner eigenen Biografie gar nicht lebt. Er macht das nur, um konservative Strukturen aufrechtzuerhalten, von denen er glaubt, dass sie mehrheitsfähig sind. Er in Person lebt nicht, was er hier einfordert. Und von solch einem Hallodri werden wir – ganz Deutschland – in eine Situation hineingetrieben, die viel Geld kostet, die auf Pump organisiert und finanziert wird.

Deshalb kann die FDP hier auch nicht mehr kommen und sagen, wir würden Beitragsfreiheit in Kindergärten auf Pump machen. Denn: Was machen Sie denn da? Die Zustimmung zu diesem Gesetz bedeutet genau das Gleiche. Ihre Argumente zu unserer Politik zerplatzen da wie Seifenblasen, finde ich.

Es ist eine unendlich bescheidene Situation. Alle sagen Nein, einer sagt Ja. Alle rennen dem einen, der Ja sagt, hinterher – nur aus wahltaktischen Gründen. Da wird gute Familienpolitik den Machtverhältnissen in Bayern geopfert. Das ist erbärmlich. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Jörg. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Asch.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun ist die Maus geboren. Nach jahrelangen Verhandlungen hat sich die

Streitkoalition in Berlin nunmehr auf ein wahrlich „gewichtiges“ Ziel geeinigt. Und dieses „Megaprojekt“, über das seit Jahren gestritten wurde, das ist nicht die Reform der Pflegeversicherung, das ist auch nicht die Einführung eines gerechteren und niedrigeren Steuersystems à la Guido Westerwelle. Das ist auch nicht die Reform der Rentenversicherung mit der besseren Anerkennung der Erziehungszeiten, wie die CDU es eigentlich wollte. Nein! Man hat sich auf die Einführung einer „Herdprämie“ verständigt.

Dabei gab es diese angebliche Einigung schon öfter: in den Koalitionsverhandlungen im Bund 2009, in zwei Koalitionsausschüssen 2011, 2012, im Kabinett im Juni 2012. Zwischenzeitlich hat sich die CDU auch mal mit der CSU verständigt und dabei die FDP ganz vergessen.

Aber weil diese Streitkoalition in Berlin keinen inhaltlichen Fahrplan, keine gemeinsame programmatische Grundlage hat, ist das Thema wieder auf die Tagesordnung gekommen. Ich bin sehr gespannt, ob das Gesetz überhaupt eine Mehrheit bei den Mitgliedern des Deutschen Bundestages findet. Ich muss sagen: Ich habe Respekt vor Frau Pieper von der FDP. Sie hat bereits die Ablehnung dieses Gesetzes angekündigt. Ich bin mir ziemlich sicher: Sie wird nicht die Einzige aus dem Regierungslager sein.

Meine Damen und Herren, es ist schon ein Stück abstoßend, dass eine Partei wie die CSU aus rein parteitaktischen Gründen gegen jede sachliche Vernunft die Gesellschaft in Geiselhaft nimmt, nur um die bayerische Landtagswahl zu gewinnen.

Noch abstoßender ist es, wie in Berlin die Einzelinteressen von Parteien wie auf dem Basar gegeneinander verhandelt werden: Gibst du mir das Betreuungsgeld, gebe ich dir die Praxisgebühr! – Das, meine Damen und Herren, ist Geschacher statt politische Gestaltung.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Viel ist in diesen Tagen die Rede vom Kuhhandel. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Viehhändler haben sich schon zu Wort gemeldet. Ich habe übrigens einen in meiner Familie, der hat sich das auch verbeten. Sie verbitten sich diesen Vergleich als beleidigend. Sie sagen: Im Geschäft der Viehhändler geht es ehrlicher und zielgerichteter zu als in dieser Streitkoalition in Berlin.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Führen wir uns das noch mal vor Augen. Auf allen Ebenen brandmarkt die FDP die „Herdprämie“ als fachlich unsinnig und vor allen Dingen als finanziell nicht darstellbar. Ich zitiere die Staatsministerin der FDP im Auswärtigen Amt:

„Für mich ist das Betreuungsgeld eine doppelte Rolle rückwärts in alte Zeiten. Das ist eine Rück

kehr zum alten Familienmodell Kinder, Küche, Kirche.“

So weit Frau Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt.

Frau Leutheusser-Schnarrenberger, immerhin Justizministerin dieser Streitkoalition in Berlin, hat sich schon längst zu Wort gemeldet und mitgeteilt, dass dieses Gesetz wahrscheinlich verfassungswidrig ist und sie es anfechten wird.

So, das ist die Position von FDP-Politikerinnen.

Aber dann knickt genau diese Fraktion, diese Partei ein, weil sie sich politisch nicht durchsetzen kann und weil sie sich mit einem Bakschisch schmieren lässt.

Und der Herr Parteivorsitzende Rösler versteigt sich auch noch darauf – diese Wertung finde ich besonders „toll“ –, hier habe ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Aha! Will er damit zugeben, dass diese Streitkoalition drei Jahre lang nicht in der Lage war, gemeinsame Ergebnisse zu erzielen, oder was hat sich jetzt gewendet? Oder bezieht sich der Paradigmenwechsel auf die doppelte Rolle rückwärts in alte Zeiten, auf die Rückkehr zum alten Familienmodell Kinder, Küche, Kirche? Dann allerdings hätte er recht, der Herr Rösler – ausnahmsweise mal.

Meine Damen und Herren, das Betreuungsgeld wird von einer breiten Mehrheit der Gesellschaft abgelehnt. Sie wissen, dass Familienverbände, Kinder- und Jugendorganisationen, Frauenverbände, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände, Arbeitgeberverbände, Bildungsforscher die „Herdprämie“ ablehnen.

Gucken wir nach Norwegen; dort gab es solch ein Betreuungsgeld. Fazit ist: Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund sind immer weniger in die Kita gegangen. Dadurch wurde der Spracherwerb beeinträchtigt und die Erwerbstätigkeit von Frauen behindert. Norwegen hat aus diesen Erfahrungen gelernt und dieses Geld für die Zweijährigen jetzt abgeschafft.

Es wäre schön, wenn sich die Politik in diesem Land, in Berlin auch einmal von der wesentlichen Frage leiten lassen würde. Und die lautet, liebe Kolleginnen und Kollegen: Was bringt es unseren Kindern? – Die Antwort ist ganz einfach: Für die Kinder bringt es nichts, sondern es ist eine Gefahr. Es schadet den Kindern, weil ihnen die frühkindliche Bildung in der Kita vorenthalten wird.

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Das ist doch nicht wahr, was Sie sagen!)

Das Betreuungsgeld ist bildungspolitisch falsch. Es konterkariert zudem die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte.

Aber es ist nun mal so: Zusätzliches Geld war schon immer ein gutes Schmiermittel für diese Koa

lition in Berlin. Deren Motor steht kurz vor dem Kolbenfresser und wird mit Schmiermitteln am Laufen gehalten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Mit dem neuen Modell wird zudem ein hoher bürokratischer Aufwand produziert. Wer soll denn eigentlich kontrollieren? Vielleicht kann hier jemand von CDU oder FDP erklären, wie dieses Bildungssparen, das jetzt eingeführt wird, überhaupt gesteuert werden soll. Die Kosten dieser Bürokratie, die Kontrolle in den Einzelfällen, die Meldepflicht – all das müssen wieder die Kommunen machen, all das produziert wieder Kosten für die Kommunen. Und die haben sich auch schon zu Wort gemeldet und sagen, sie könnten das nicht schultern.

Wir reden über ein neues Bürokratiemonster. Wir reden über unseriöse Haushaltspolitik.

(Henning Höne [FDP]: Unverschämtheit!)

Wir reden über die FDPö. FDP. – FDPö. ist auch schön.

(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielleicht war die Assoziation zur FPÖ irgendwie da.

Fragwürdig ist die Rolle des Fraktionsvorsitzenden der FDP, Herrn Lindner. Er hat das Betreuungsgeld 2009 mitverhandelt.

(Christian Lindner [FDP]: Nein!)