Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales Drucksache 16/13551
Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/13623
Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPDFraktion Herrn Kollegen Yüksel das Wort. – Bitte, Herr Kollege.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 26. März trat die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen auch in Deutschland in Kraft. Den beteiligten Ländern wurden weitere Vorkehrungen und Dokumentationspflichten im Bereich der Hilfe und Schutzmaßnahmen für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen zuteil.
Parallel hierzu ergab sich der nach § 37 des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten verpflichtende Bericht zur Evaluierung des Gesetzes, dass ein konkreter Handlungsbedarf des Gesetzgebers geboten ist. Insofern war eine Novellierung des Gesetzes sinnvoll und auch unausweichlich.
Vor diesem Hintergrund haben wir uns gemeinsam im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales Vertreterinnen und Vertretern der Ärzteschaft, der Kommunen, der Krankenhäuser sowie Vertreterinnen und Vertreter weiterer involvierter Akteure angehört. Dabei ging es uns insbesondere um die Einbeziehung der Betroffenen, mit denen wir seit Monaten und Jahren intensive Gespräche führen. Viele Kolleginnen und Kollegen aus den Wahlkreisen können davon ein Lied singen.
Durch die wertvollen Einsichten und Erfahrungen, die uns durch die Gespräche und Anhörungen zuteilwurden, entstanden wesentliche Novellierungspunkte für das besagte Gesetz. Wir können sagen, dass wir in dem Gesetzgebungsverfahren aus Betroffenen Beteiligte gemacht haben.
Was beinhalten diese Novellierungspunkte? Grundsätzlich lässt sich sagen, dass durch die Novellierung im Geiste der UN-Behindertenrechtskonvention die
Betonung auf den freien Willen von betroffenen Menschen mit psychischen Leiden verstärkt wird. Dies zeigt sich insbesondere in den Änderungen in § 2, die jene Grundsätze des Gesetzes ausdrücken sollen. Doch es sind nicht nur Formulierungen, die hier die psychisch leidenden Personen in den Vordergrund rücken, sondern die Novellierung baut auch weiter an einem Rahmen, der die Rechte der Betroffenen konkretisiert und somit eine sichere Rechtsgrundlage für psychisch leidende Personen und insbesondere deren Angehörige schafft.
Infolge dessen wird das jeweilige Krankenhaus nicht nur zur ärztlichen Dokumentation verpflichtet, sondern die Betroffenen müssen nun über ihre Rechte und Pflichten sowohl mündlich als auch schriftlich unterrichtet werden. Denn wer von seinen Rechten Gebrauch machen will, muss sie auch kennen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Des Weiteren ist der betroffenen Person und deren Angehörigen bzw. rechtlicher Vertretung über richterliche Beschlüsse unverzüglich zu berichten. Dies betrifft insbesondere die richterlichen Anordnungen bezüglich der Zwangsmaßnahmen. Damit setzen wir die Dokumentations- und Informationspflicht, die eingefordert worden ist, durch die UN-Konvention weiter um.
Doch nicht nur die Dokumentation und Information der Betroffenen, sondern auch deren Unterbringung wird mit dieser Novellierung verbessert. Krankenhausträger sollen den Aufenthalt im Freien für mindestens eine Stunde am Tag ermöglichen. Damit konkretisieren wir die zuvor offen formulierte Aufforderung des Aufenthalts im Freien und geben einen klaren Maßstab vor. Dadurch erhalten die Betroffenen und deren Angehörige die Möglichkeit, die Angemessenheit der Unterbringung zu überprüfen.
Des Weiteren setzen wir fest, dass Zwang grundsätzlich nur dann anzuwenden ist, wenn eine weniger eingreifende Maßnahme aussichtlos ist. Solche Maßnahmen müssen den Betroffenen rechtzeitig angekündigt werden, um das Ersuchen eines Rechtsschutzes zu ermöglichen. Außerdem muss sich zuvor um die Zustimmung der Betroffenen zumindest bemüht worden sein. Von Ausnahmen darf in diesem Kontext nur bei akuter Gefahr Gebrauch gemacht werden.
Ein Landesbeirat Psychiatrie soll zudem ins Leben gerufen werden, dessen besonderer Schwerpunkt unter anderem auf der Vermeidung von Zwangsmaßnahmen liegt. Hier sollen auch Betroffene und deren Angehörige vertreten sein. Ein solcher Landesfachbeirat – das trat in der Anhörung deutlich zutage – wird von den involvierten Sachexperten eindeutig begrüßt.
Bei akuter Gefahr, die nicht durch mildere Umstände abgewendet werden kann, sollen besondere Sicherungsmaßnahmen dem Personal ermöglichen, sich
und die Betroffenen in eine sichere Lage zu bringen. Wir maßen uns hier als Gesetzgeber nicht an, eine bessere Entscheidung als das verantwortliche Personal zu treffen, das täglich mit solchen Herausforderungen zu tun hat. Ganz bewusst lassen wir hier offen, zu welchem Zeitpunkt welches Mittel angewendet werden muss. Damit setzen wir die UNKonvention weiter um, ohne dem verantwortlichen Personal ein unflexibles und praxisfernes Regelwerk vorzuschreiben.
Bei all diesen Fortschritten gibt es aber auch gleichzeitig Herausforderungen wie zum Beispiel die Realisierung flächendeckender Einrichtungen mit ambulanter Krisenhilfe, die rund um die Uhr zur Verfügung steht. Im Zuge dessen ist auch eine weiterhin intensive Beteiligung am Prozess zur Entwicklung des Landespsychiatrieplanes notwendig.
Die weiterhin konsequente Verfolgung dieser Ziele möchten wir mit diesem Entschließungsantrag, der Ihnen vorliegt, unterstützen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Yüksel. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Birkhahn das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Herren und Damen! Diese zweite Revision des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten ist notwendig geworden durch Gesetzesentscheidungen des Verfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs sowie natürlich durch die UN-Behindertenrechtskonvention.
Im Lauf der Beratungen über diesen Gesetzentwurf der Landesregierung und auch im Verlauf der öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat sich gezeigt, dass auch Experten und Verbände weitestgehend den vorliegenden Entwurf mittragen.
Vor diesem Hintergrund finde ich es umso bedauerlicher, dass die Landesregierung im Vorfeld eine Vorabrevision der Änderungen zum Gesetzentwurf angekündigt hatte, dann jedoch keinerlei Bemühungen für eine fraktionsübergreifende Zusammenarbeit mehr zeigte.
Bei diesem wichtigen Thema wäre dies ausdrücklich zu begrüßen gewesen. Dann nämlich hätten wir wichtige Fragen im Sinne der Betroffenen gemeinsam klären können.
ganz konkrete rechtliche Rahmenbedingungen. Warum können SPD und Grüne es sich nicht verkneifen, über das Ziel hinauszuschießen und auch auf therapeutische Inhalte einzugehen? Ich nenne nur die milieutherapeutische Betreuung und die Umsetzung in Einrichtungen und Krankenhäusern.
Ebenso hätte im Vorfeld der heutigen zweiten Lesung gerne detailliert über die Regelungen für Minderjährige gesprochen werden können. Gerade bei Kindern oder Jugendlichen, die keine eigenen Rechtsmittel gegen eine Zwangsbehandlung geltend machen können, finden wir es angemessen, dass die Genehmigung durch die Sorgeberechtigten und eine richterliche Zustimmung gleichermaßen vorliegen müssen. Im Sinne des Kindeswohls kann es nur richtig sein, eine zweite Meinung zwingend einholen zu müssen. Auch Eltern sind in einer solchen schwierigen Lage oft überfordert. Sie sind froh, wenn sie die Verantwortung mit einer erfahrenen Richterin oder einem erfahrenen Richter teilen können, auch wenn dies einen Eingriff in das Sorgerecht bedeutet.
Unser Wunsch war, dass hier erfahrene Richter und Richterinnen von Familiengerichten Recht sprechen. Dies ist aber bei der gegenwärtigen Rechtslage nicht der Fall, weil diese Entscheidung durch Verwaltungsgerichte getroffen würde. So muss der Bund die notwendigen Änderungen erlassen. Dafür werden wir uns am entsprechenden Ort einsetzen.
Die Anträge der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen lehnen wir ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Auch 40 Jahre nach der Enquete zur Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik sind deren Ziele, eine auf Menschen ausgerichtete Psychiatrie sowie psychotherapeutische und psychosoziale Versorgung, nach wie vor sehr aktuell.
Wir verabschieden heute eine neue Fassung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten, kurz PsychKG. Das Gesetz aus dem Jahre 1999 entsprach weder den Anforderungen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung in den letzten Jahren vollzogen hat, noch entsprach es den Veränderungen der Rechtslage bei den Patientinnen- und Patientenrechten.
Die Kritikpunkte richten sich dabei immer auf die Zwangsbehandlung und Zwangsunterbringung infolge einer vermuteten Eigen- und Fremdgefährdung aufgrund einer psychischen Erkrankung. Ziel muss es daher sein, den von den Zwangsmaßnahmen betroffenen und bedrohten Menschen ein eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
Deshalb werden mit den Änderungen zum PsychKG wichtige Verbesserungen vorgenommen, mit denen stärker als bisher dem von den Patientinnen und Patienten ausgedrückten Willen Rechnung getragen werden muss.
An dieser Stelle wollte ich einige Punkte nennen. Herr Yüksel hat die Punkte unseres Änderungsantrags aber schon genannt.
Ein Punkt ist die besondere Berücksichtigung des Willens der Betroffenen. So muss der freie Wille der Betroffenen Voraussetzung für den Abschluss einer Behandlungsvereinbarung sein. Das haben wir festgeschrieben.
Unter den besonderen Schutzmaßnahmen in § 20 ist nun geregelt, bei Fixierungen eine ständige persönliche Bezugsbegleitung sowie die Beobachtung mit kontinuierlicher Kontrolle der Vitalfunktionen sicherzustellen.
Zudem ist anders als bisher der Anspruch auf den täglichen Aufenthalt im Freien verbindlich geregelt. Er sollte täglich mindestens eine Stunde ermöglicht werden. Die Unterbringung sollte so weitgehend wie möglich in offener Form erfolgen. Es ist sicherzustellen, dass die Erforderlichkeit der weiteren Unterbringung grundsätzlich täglich ärztlich überprüft, begründet und dokumentiert wird.
Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Änderungen hatten wir in unserem Änderungsantrag vorgeschlagen, um eine gewisse Verbesserung im PsychKG herbeizuführen. Wir wissen auch, dass es keine große Psychiatriereform ist. Die Änderungen regeln nur die Zwangsbehandlung und die Zwangsunterbringung. Aber auch hier lässt sich aufgrund der Zuständigkeit nicht alles im PsychKG regeln. Deshalb haben wir in einem Entschließungsantrag weitere Handlungsbedarfe aufgezeigt und Lösungen angemahnt.
Hierzu gehören einige Punkte bei der Unterbringung nach dem Betreuungsrecht, beispielsweise die Rechte der Kinder, die nach § 1631 BGB untergebracht sind, die Verhinderung der Zwangsmedikation und die Einschränkung des Gebrauchs von Psychopharmaka, um nur einige Punkte zu nennen, die wir im PsychKG nicht mitbehandeln konnten.