Protocol of the Session on November 30, 2016

Ich nenne Ihnen einen Leitgedanken, der die nordrhein-westfälische Justizpolitik dieser Landesregierung und auch der Koalitionsfraktionen bestimmt. Die Justiz in unserem Lande muss für jeden erreichbar sein; sie muss aber auch jeden erreichen. Was den zweiten Teil anbelangt, dass die Justiz jeden in diesem Lande erreichen muss, brauchen wir uns für die Arbeit der letzten sechs Jahre nicht zu verstecken, glaube ich.

(Beifall von der SPD)

Wir haben die Maßnahmen zur Strafverfolgung ausgebaut und allein in diesem Jahr 300 neue Stellen für schnellere Verfahren und eine bessere Vernetzung der Strafverfolgungsbehörden in diesem Land geschaffen. Wir begegnen neuen Kriminalitätsphänomenen mit speziellen Abteilungen bei den Staatsanwaltschaften.

Die Kriminalität verändert sich. Der Bankräuber von heute geht nicht mehr mit einer über den Kopf gezogenen Strumpfhose in die Bank, sondern setzt sich an seinen Computer. Es kommen ganz andere Herausforderungen auf die Justiz und die Strafverfolgung zu.

Darauf reagieren wir zeitgemäß und angemessen, zum Beispiel mit einer Zentralstelle für die Bekämpfung von Cyberkriminalität in Nordrhein-Westfalen. So reagieren wir passgenau auf aktuelle Kriminalitätsphänomene. Wenn wir die Leute dann noch entsprechend verurteilen, sorgen wir dafür, dass die erste Verurteilung auch möglichst die letzte bleibt.

Nordrhein-Westfalen ist mit seinem behandlungsorientierten Strafvollzug bundesweit das Vorzeigeland, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Ja, wir investieren in diesem Bereich auch in Steine. Wir werden in den nächsten Jahren mehr als 700 Millionen € in die Komplettsanierung bzw. den Neubau von fünf Justizvollzugsanstalten investieren. Wir investieren aber insbesondere in den Faktor Mensch; denn der Faktor Mensch ist der entscheidende Faktor in der Behandlung unserer Strafgefangenen. In den Menschen zu investieren, ist ein aktiver Baustein zur Sicherheit.

Damit die Justiz für jeden erreichbar bleibt – das ist der erste Teil unseres Leitgedanken –, bemühen wir uns natürlich auch, Möglichkeiten zu schaffen, dass Bürgerinnen und Bürger möglichst schnell, effektiv und kostengünstig zu ihrem Recht kommen bzw. Rechtsschutz genießen. Im Entwurf zum Haushalt 2017 haben wir Ihnen weitere Vorschläge dazu unterbreitet.

Wir wollen die Sozialgerichtsbarkeit als besonders belastete Gerichtsbarkeit weiter stärken. Das sind Verfahren, von denen die Menschen besonders existenziell betroffen sind. Deshalb müssen wir auch dafür sorgen, dass diese Verfahren nicht allzu lange dauern.

Wir stärken die Amtsgerichte in Nordrhein-Westfalen ein weiteres Mal, insbesondere um die Frage der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge schnell beantworten zu können. Hier geht es um Menschen; hier geht es um Kinder. Auch da sind wir gefordert, schnell Klarheit zu schaffen.

Darüber hinaus setzen wir uns für eine Modernisierung der Justiz in unserem Lande ein. Wir sind es heute schon gewohnt, online einkaufen zu können. Meine Damen und Herren, in einigen Jahren werden Sie in Nordrhein-Westfalen auch online eine Klage einreichen können. Wir setzen gerade die Grundvoraussetzungen dafür um. Die ersten Pilotgerichte sind an den Start gegangen. Wir digitalisieren unsere Justiz. Das sorgt für schnellere Verfahren sowie für bessere Arbeitsmöglichkeiten bei den Justizbeschäftigten und stärkt insgesamt auch die Justiz.

Sie sehen also, meine Damen und Herren: Dort, wo Handlungsbedarf besteht, investieren wir punktgenau in die Justiz. Dort, wo wir handeln müssen, handeln wir. Deswegen ist der Haushaltsentwurf 2017 ein guter Haushaltsentwurf. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Minister. – Bleiben Sie bitte am Pult. Es gibt eine angemeldete Kurzintervention aus der Piratenfraktion. Dazu hat Herr Kern jetzt das Wort. Bitte schön.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Britta Altenkamp [SPD]: Wer hätte das gedacht?)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, ich habe ich Ihnen nicht unterstellen wollen, dass Sie die Akten einsehen können. Ich wollte aber festgestellt wissen …

(Britta Altenkamp [SPD]: Nein, ist klar! – Ge- genruf von Simone Brand [PIRATEN]: Jetzt lasst ihn doch einmal ausreden!)

Ich finde aber, dass es keinen guten Eindruck macht, wenn Sie an diesem Punkt noch einmal einsteigen.

(Zurufe von der SPD)

Es macht insgesamt für die Politik einfach keinen guten Eindruck.

Um Ihre Neugierde zu befriedigen und weil Sie ausweislich Ihrer Aussage nicht in die Akten schauen können, biete ich Ihnen aber an,

(Nadja Lüders [SPD]: Nein, vom Gesetz her kann er das nicht! – Hans-Willi Körfges [SPD]: Noch nicht einmal zuhören können Sie!)

Ihnen meine Examen vorzulegen, weil Sie Zweifel gehegt haben, ob ich die entsprechende Befähigung hätte. Das biete ich Ihnen hiermit an.

(Nadja Lüders [SPD]: Nein, auch nicht! – Hans-Willi Körfges [SPD]: Auch nicht!)

Thomas Kutschaty, Justizminister): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme jedes Argument der Oppositionsfraktionen sehr ernst und versuche, in meinen Wortbeiträgen auf die Vorredner einzugehen. Aber mehr ist mir zu Ihrem Beitrag heute leider nicht eingefallen.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD – Zuruf von Nicolaus Kern [PIRATEN])

Vielen Dank, Herr Minister Kutschaty. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 04. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 16/13504, den Einzelplan 04 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses anzunehmen. Wer möchte dem folgen? – SPD und Grüne wollen dem folgen. Wer will dem nicht folgen? – CDU und FDP folgen dem nicht, die Piraten folgen dem nicht, und Herr Schulz, fraktionslos, folgt dem auch nicht. Habe ich jemanden übersehen? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Einzelplan 04 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses Drucksache 16/13504 in zweiter Lesung mit breiter Mehrheit der Koalitionsfraktionen angenommen.

Ich rufe auf:

Einzelplan 06 Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung

Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/13506

Ich eröffne die Aussprache. Für die CDU-Fraktion hat Herr Dr. Berger das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch in der Wissenschaftspolitik hebt sich nun der Vorhang zum letzten Akt

(Unruhe – Glocke)

des Dramas.

(Heiterkeit von der CDU)

Wir werden also den letzten Haushalt der Wissenschaftsministerin Schulze heute hier in diesem Haus besprechen.

Ich will aber einmal mit einer positiven Botschaft dieses Haushaltes beginnen. Es stimmt; der Haushalt ist angestiegen. Wir diskutieren heute den historisch höchsten Wissenschaftsetat des Landes NordrheinWestfalen.

(Beifall von der SPD)

Damit enden allerdings auch schon die positiven Botschaften.

(Beifall von der CDU – Zurufe: Oh!)

Denn man muss natürlich die Entwicklung und den Aufwuchs des Haushalts in Zusammenhang mit der Steigerung der Studierendenzahlen setzen. Wir stellen fest: In den letzten Jahren sind die Studierendenzahlen um 40 % angestiegen, während beispielsweise die Grundfinanzierung nur um 21 % gestiegen ist. Das sagen nicht wir; das sagen die Hochschulrektoren.

Das schlägt sich auch in Zahlen nieder. Das haben wir ja an dieser Stelle schon mehrfach aufgezeigt. Das Land Nordrhein-Westfalen gibt im Schnitt 5.300 € pro Studierendem aus. In Thüringen sind es weit über 9.000 €. Allein diese Diskrepanz zwischen 5.300 € für einen Studierenden hier und 9.000 € für einen Studierenden woanders zeigt, dass es unfair und ungerecht zugeht, und zeigt, dass wir in Nordrhein-Westfalen leider wieder auf einem Abstiegsplatz stehen.

Das geht auch weiter. Wir haben eine Antwort auf eine Kleine Anfrage vorliegen. Diese Anfrage ist von der FDP gestellt worden, und zwar von Frau Freimuth. Nicht nur bei den Pro-Kopf-Aufwendungen sind wir auf dem letzten Platz, sondern auch bei der Betreuungsrelation. 2010 haben sich 82 Studierende einen Professor geteilt. 2014 waren es fast 100. In der gleichen Zeit ist es in Thüringen zu einer Verbesserung der Relation von 53 auf 50 gekommen. In Nordrhein-Westfalen sind es 100 Studierende pro Professor, in Thüringen 50 Studierende pro Professor.

Frau Schulze, was sagen Sie nun dazu? Ich zitiere aus der „Westdeutschen Zeitung“. Sie sagen, die

Qualität der Lehre an den Hochschulen sei gewährleistet; die Kopfzahlen seien ungeeignet und wären verzichtbar. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Frau Ministerin Schulze, Sie sagen, es sei unerheblich, ob 50 oder 100 Studierende in einem Hörsaal säßen, und es habe keine Auswirkungen auf die Qualität, wenn ein Professor 100 statt 50 Studierende betreuen solle.

Dass nicht nur das Schulministerium auf die Erhebung des Unterrichtsausfalls verzichten wollte, sondern Sie auch lieber nicht mehr nach der Betreuungsrelation gefragt werden wollen, zeigt nur zu deutlich die miserable Bilanz der Landesregierung im Bereich der Bildung und insbesondere in der Hochschulpolitik.

(Beifall von der CDU)

Steigt man noch tiefer in den Haushalt ein, dann ist festzustellen, dass die Steigerungen im Einzelplan 06 weniger auf Ihren eigenen politischen Gestaltungswillen zurückgehen, sondern viel mehr auf die Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Denn der wesentliche Teil des Aufwuchses der Mittel stammt aus den Mitteln des Hochschulpaktes. Er muss zwar zu 50 % kofinanziert werden. Aber dieser Aufwuchs ist eben nicht durch Ihre politische Kraft und nicht durch rotgrüne Willensbekenntnisse zur Hochschulpolitik erreicht worden, sondern einzig und allein der Aktivität unserer Regierung in Berlin zu verdanken.

(Beifall von der CDU)