Protocol of the Session on November 30, 2016

Dann wurden bei der Landesanstalt für Medien und im WDR die Gremien aufgebläht, um die politische Arithmetik für Rot-Grün etwas angenehmer zu gestalten. Diese Gremien sind nun sehr groß.

Dafür ist das Medienforum NRW in den letzten sieben Jahren doch sehr überschaubar gewesen. Dessen Relevanz war auch in diesem Jahr – tut mir leid, Kollege Vogt – eine Fehlanzeige. Da ist im Land keine große Wirkung mehr zu spüren. Da reicht es auch nicht, zu sagen: Wir wollen es nicht so machen wie in München.

Aber bevor man dann drei Tage der inszenierten Hilflosigkeit präsentiert, sollte man vielleicht einmal dieses Event – das ist ja so ein Kongress auch immer – zusammen mit den Partnern, den Playern, die man hier am Standort NRW hat, kommunizieren: mit RTL, Bertelsmann, Vodafone, Unitymedia und der Telekom – ja, auch mit dem WDR, aber vor allem auch mit der reichhaltigen Produktionsbranche.

Dass sie alle in NRW sind, hat übrigens überhaupt nichts mit Ihrer Politik zu tun. Sie waren schon etwas länger da.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Medienpolitisch geht von NRW im Grunde auch keine Innovation aus. Sie haben kein Konzept für die Zukunft des Lokalfunks, obwohl Sie sich gerade wieder so beweihräuchert haben. Da stecken Sie ja sogar den Kopf in den Sand.

Es reicht eben nicht – der Staatssekretär ist leider nicht da –, über die Zukunft von DAB+ zu lamentieren, über DAB+ zu schimpfen, aber ansonsten überhaupt keine Vorstellung davon zu haben, wie es denn mit dem System weitergehen soll. Die Verunsicherung ist riesengroß. Man kriegt für Führungspositionen schließlich zurzeit auch gar keine Nachfolger. Die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zu diesem Thema war auch wieder der Hauch von nichts und verdeutlichte die Konzeptionslosigkeit der Landesregierung.

Der Etat ist eine Fortschreibung dieser 12,7 Million €. Der Haushalt funktioniert nun auch nicht so, wie man das bei den Rundfunkbeiträgen macht, wo immer nach dem Belieben der Staatskanzleien geschröpft

werden kann. Aber es passt ja zur Haushaltspolitik in NRW, dass man sich einige Spielwiesen jetzt aus dem Beitragstopf finanzieren lässt. Das hatten wir auch schon beim letzten Mal kritisiert.

Sie haben gerade das Grimme-Institut gelobt. Aber das Haus ist hinter den sieben Bergen in Marl abgetaucht. Das gilt übrigens auch für das Forschungskolleg. Davon hört man ebenfalls schon lange nichts mehr. – Klar; es gab jetzt einen Auftakt. Aber das ist das Kennzeichen der Medienpolitik in NRW: Es gibt immer den einen oder anderen Auftakt, der sich dann als PR-Inszenierung entpuppt. Dann kommt wieder nichts, weil Sie gar kein Drehbuch und überhaupt keine Vorstellung davon haben, wie es mit der Herausforderung im digitalen Zeitalter weitergehen kann. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Nückel. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Lamla.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe verbliebene Zuschauer! „NRW wird 2020 wieder zum Geberland“ – so titeln seit ein paar Tagen die Medien und schreiben in diesem Zusammenhang von einer sichtlich zufriedenen Regierungsbank.

Auch der medienpolitische Sprecher der SPDFraktion, Herr Vogt, führt in einer Pressemitteilung zum Medienhaushalt im besten Werbedeutsch aus:

„Nordrhein-Westfalen als das Medienland

schlechthin bietet eine Heimat und beste Bedingungen für Medien aller Art.“

Mensch, das Medienland schlechthin – vielen Dank, liebe SPD! Das hört sich wahrlich ganz gut nach Geberland an. Aber wenn man sich die Zahlen und Fakten genau anschaut, wird schnell klar, dass Sie hier „Geberland“ mit „Angeberland“ verwechseln. Denn so rosig, wie Sie es darstellen, sieht es im bundesweiten Vergleich nicht aus.

NRW soll die absolute Nummer eins bei den TVProduktionen sein? Legt man die Einwohnerzahl zugrunde, ist NRW bei den TV-Produktionen höchstens Mittelmaß. Im Bereich der Kinoproduktion verschwindet NRW hinter Berlin und Bayern und wird zur schlechten Nummer drei. Es ist also nichts mit „das Medienland schlechthin“.

Jetzt nennen Sie NRW auch noch weiter: Zukunftsland Nummer eins für Games und Webvideos. Auch hier gilt bei genauerem Hinschauen: Es ist nichts dran am „schlechthin“, sondern es ist geschummelt. Herr Vogt, es ist tatsächlich geschummelt; denn be

lastbare Zahlen gibt es gar nicht. Die Games-Branche bleibt in der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige weiterhin völlig unzureichend abgebildet. In diesem Bereich betreibt die SPD eine Pressemitteilungspolitik und schreibt weiter Sachen wie: „Wir fördern die Innovationskraft der Medienbranche in NRW.“ Hey, supi!

Ich zitiere aus dem Haushaltsantrag, den Sie vorhin auch schon erwähnt haben: „600.000 € dienen der gezielten zusätzlichen Förderung innovativer Games und 360-Grad-Projekte.“

Das wäre schon gut, wenn die Ausführung nicht so verdammt knauserig und unausgegoren daherkommen würde. An dieser Stelle erinnere ich gerne noch einmal daran, dass wir als Piraten hier einen Antrag zur Erhebung der Branchendaten der Game-Development-Branche eingebracht hatten. Dazu wurde eine Anhörung im Landtag durchgeführt, aus der sich ergab, wie wichtig ein Überblick über die tatsächlichen Verhältnisse in der Branche in NRW wäre. Aber Sie haben den Antrag damals abgelehnt.

Wie sollen nun diese Mittel den Spieleentwicklerinnen und -entwicklern in NRW an der richtigen Stelle helfen, wenn wir dank Ihrer Ablehnung die richtige Stelle gar nicht kennen? Und was zum Geier sind 360-Grad-Projekte?

(Beifall von den PIRATEN)

Das weiß ich nicht. Vielleicht können Sie mir das noch mal erläutern. Ich wittere da ein paar Leuchttürme und die klassische Projektitis.

Ich würde mich wirklich freuen, wenn wir noch einmal die Möglichkeit bekämen, darüber zu reden, wie wir strukturell und finanziell nachhaltig auf Routineaufgaben aufbauend die von Projektarbeitsverhältnissen geprägte und hoch risikoreiche Games-Entwicklungsbranche in NRW nachhaltig fördern könnten. Allerdings befürchte ich, dass wir in dieser Legislaturperiode nicht mehr die Möglichkeit dazu bekommen werden.

Dann gibt es noch die Webvideo-Spaces. Das hört sich ein bisschen nach den Maker- und Hackerspaces an, deren Vertreterinnen und Vertreter wir Anfang des Jahres in den Kultur- und Medienausschuss eingeladen haben. „Spaces“ hört sich voll „fancy“ an und erinnert auch an die Kinotrends dieses Jahres. Schließlich hatten wir mit dem Raumschiff Enterprise und dem Todesstern auf der Kinoleinwand mit dem Weltraum zu tun. Der Weltraum ist voller Möglichkeiten und regt vor allem die Fantasie und die Ambitionen an – Ambitionen für Größeres und Idealeres, also mehr als das, was wir heute haben.

Eigentlich sind diese Spaces eine schöne Idee. Aber was ist mit den vorhandenen Maker- und Hackerspaces, die sich schon heute bereits seit Jahren zum Teil mit Webvideos und ähnlichen Medienproduktion beschäftigen? Was haben Sie konkret vor, und wie

gedenken Sie, diese Mittel auch in nichtkommerzielle und offene Strukturen einzubringen? Denn gerade dieser Experimentalraum jenseits von Marktlogik und finanziellen Zwängen ist für spätere profitable Projekte oft die beste Brutstätte. Und die brauchen wir.

Oder denken Sie bei der Webvideo-Spaces-Förderung an etwas anderes? Vielleicht denken Sie ganz gezielt an die Förderung der ganz großen Player. Denn den ersten Webvideo-Space gibt es bereits seit 2012 in Los Angeles. Er gehört zu YouTube. Er hat nicht 600.000 € gekostet, sondern 25 Millionen Dollar. YouTuber können ihn dort kostenlos nutzen – mit einem Haken: wenn sie genügend Abonnenten haben. In Berlin gibt es seit 2015, ebenfalls von YouTube, einen Webvideo-Space in Kooperation mit einer privaten Filmhochschule, der auch für YouTuber kostenlos ist – na ja; zumindest für die mit 10.000 Abonnenten.

An dieser Stelle wird klar, meine Damen und Herren: Nichts ist klar – außer, dass Sie in der Medienwelt des 21. Jahrhunderts ziemlich hilflos herumstochern. Aufgrund der herausragenden Mutlosigkeit und phänomenal fehlender Kreativität werden wir diesen Einzelplan ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Lamla. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Lersch-Mense.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich will nicht alles wiederholen, was Kollege Vogt richtigerweise zur herausragenden Stellung des Medienstandortes Nordrhein-Westfalen gesagt hat.

(Beifall von der SPD)

Ich kann das alles zu 100 % unterstreichen.

(Zuruf von Thorsten Schick [CDU])

Aber wenn ich das offen sagen darf, Herr Nückel: Den nun wirklich gravierenden und schwierigen Fragen eines enormen Strukturwandels, den wir in der Medienwelt mit der rasant stattfindenden Konvergenz von linearen und nichtlinearen Angeboten und mit der dynamischen Entwicklung im Webvideo-Bereich und im Games-Bereich derzeit haben, wird Ihre Art der Auseinandersetzung in keiner Weise gerecht.

(Zuruf von der FDP)

Vor allen Dingen habe ich keinen einzigen konstruktiven Vorschlag gehört.

Das, was die Landesregierung im Bereich der Stärkung der Medienkompetenz macht, und das, was wir

im Bereich Netzkodex angestoßen haben, sind jedoch wirklich Initiativen, die dazu führen werden, dass diese Entwicklung nicht einfach unkritisch bejubelt wird, sondern die Fähigkeit zu kritischen Auseinandersetzungen in unserem Land erhalten und gestärkt wird. Das ist der richtige Weg, sich mit diesen Entwicklungen auseinanderzusetzen.

Die Landesregierung ist da also auf gutem Wege. Dabei wird sie durch die Regierungsfraktionen unterstützt. Dafür will ich mich ausdrücklich bedanken. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Lersch-Mense. – Damit hat Herr Lersch-Mense die Redezeit der Regierung noch einmal um 30 Sekunden überzogen, die selbstverständlich alle Fraktionen auch zur Verfügung haben.

Als nächste Rednerin spricht für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Freifrau von Boeselager.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Minister Lersch-Mense, wenn ich das richtig rekapituliere, ist der Haushalt insgesamt um 2,7 Milliarden € erhöht worden. Davon haben wir jetzt für internationale Zusammenarbeit und Eine-Welt-Politik 3,9 Millionen € und für Europa 540.000 € im Haushalt stehen. Von dem Mehr im Haushalt könnten wir also unseren Haushaltsansatz für Europa auf das 5.000-Fache erhöhen.

Ich bin enttäuscht darüber, dass man nicht mehr in diesen Ansatz für internationale Zusammenarbeit und die Arbeit innerhalb Europas hineingegeben hat. Sie haben selbst in Ihrer Einführungsrede zu den europäischen und internationalen Kapiteln mit offenen Karten gespielt. Als wir nämlich in Bonn unsere Sitzung hatten, haben Sie gesagt:

Wesentliche Unterschiede zum laufenden Haushalt gibt es nicht. Im Wesentlichen soll die Europaarbeit mit den Europaschulen – das begrüßen wir; daran haben wir gar keine Kritik – und den Kommunen fortgesetzt werden. Im Wesentlichen soll die BeneluxStrategie aus dem Jahr 2013 in der Folie bleiben. Im Wesentlichen wird das Regionale Weimarer Dreieck weiter eine Rolle spielen. Sie wollen sich auch ein bisschen Ghana widmen. Die GIZ-Förder- und Austauschprogramme sowie Konferenzen haben Sie erwähnt.

Alles zusammen ist aber nichts Neues im Westen; das muss ich Ihnen sagen. Man könnte wirklich mehr machen. Die Landesregierung köchelt lediglich ein bisschen im europäischen und internationalen Haushalt herum.

Zurzeit erleben wir die größte europäische Krise seit den Römischen Verträgen. Wir meinen, NordrheinWestfalen müsste mit seinen fast 18 Millionen Bürgerinnen und Bürgern – wenn wir ein eigenständiges Land wären, stünden wir an fünfter Stelle innerhalb Europas – noch mehr tun, Herr Minister.