Protocol of the Session on November 30, 2016

(Widerspruch von Ministerin Barbara Steffens)

Damit werden Sie aber nur die Beitragszahler und vor allem die Arbeitnehmer zukünftig belasten, wenn diese auch noch die Mittel für die Investitionen aufbringen müssen.

Noch ein paar Worte zum Antrag der Piraten: Sicher verfolgen Sie ein wichtiges Ziel mit der Forderung nach einem Investitionsprogramm für die digitale Infrastruktur. Wir haben im Ausschuss ausführlich über die Hackerangriffe auf Kliniken in Nordrhein-Westfalen und den zusätzlichen Investitionsbedarf bei der IT-Infrastruktur diskutiert. Das ist aus unserer Sicht ein weiterer Aspekt des bestehenden Investitionsstaus und der erforderlichen Anstrengungen zur Steigerung der Landesförderung.

Ihr Antrag bleibt aber unseriös, wenn Sie hier keinen konkreten Haushaltsantrag und keine Gegenfinanzierung vorlegen. Deshalb können wir diesen Antrag auch nur ablehnen.

(Beifall von der FDP)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, ein besonderes Anliegen ist mir die Männer- und Jungengesundheit. Ich freue mich, dass Sie jetzt nach einigen Initiativen der FDP-Landtagsfraktion auch ein Programm für Jungengesundheit planen. Wir brauchen aber ein Konzept für eine gezielte Ansprache von Männern, um diese zu mehr Gesundheitsvorsorge zu motivieren.

(Beifall von der FDP)

Weiterhin halten wir die Finanzierung der Stiftung Wohlfahrtspflege für bedenklich. Sie wollen sowohl die Abführung aus der Spielbankabgabe als auch den Zuschuss aus allgemeinen Haushaltsmitteln erhöhen. Anstatt auf eine nachhaltige Sanierung der Spielbanken setzen Sie auf anwachsende Landes

zuschüsse. Sie gehen hier ein erhebliches fiskalisches Risiko ein, wenn die Einnahmen der Spielbanken weiter sinken.

Zum Schluss komme ich zu einem Thema, das ich bei jeder Haushaltsberatung ansprechen muss, nämlich dem Patientenbeauftragten des Landes mit einem Haushaltsansatz von 400.000 €

(Daniel Düngel [PIRATEN]: Das kommt jetzt ganz überraschend!)

Frau Steffens, das ist nicht lustig – für eine Einrichtung mit rund 1.300 Kontakten im letzten Jahr. Das bedeutet Kosten von rund 300 € für ein Telefonat, 300 € für einen Brief, 300 € für eine E-Mail.

Hinzu kommt eine bedenkliche Vertragskonstruktion. Während Ihr Kollege, Minister Schmeltzer, Initiativen zur Einschränkung von Werkverträgen fördert, setzen Sie hier bewusst auf einen derartigen Vertrag, ohne dass klar wird, was überhaupt das konkret abzuliefernde Werk bedeuten soll. Sie schreiben in Ihrer Antwort auf meine Kleine Anfrage unter anderem, seine Aufgabe sei die Unterrichtung des Landes über aktuelle Erkenntnisse und Entwicklungen. – Eigentlich müsste ein Ministerium so etwas selber leisten.

Dann wird oft noch die Vernetzung mit dem Besuch zahlreicher Veranstaltungen erwähnt. Das heißt: Da die Patienten in Nordrhein-Westfalen anscheinend den Patientenbeauftragten nicht brauchen, wird dieser also zum Eventhopper in der Gesundheitslandschaft.

Letztlich drängt sich mir der Verdacht auf, dass die Konstruktion eines Werkvertrages vor allem gewählt wurde, um das überdurchschnittlich hohe Honorar des Patientenbeauftragten darin einbinden zu können. Wir können jedenfalls auf diese Einrichtung verzichten – und die Bürger in diesem Land offensichtlich auch.

Die rot-grüne Haushaltspolitik setzt auch in der Gesundheitspolitik falsche Schwerpunkte. Wir können daher diesem Haushalt nicht zustimmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. – Für die Fraktion der Grünen spricht Herr Kollege Ünal.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Landeshaushalt NRW wird auch im kommenden Jahr weitere deutliche Verbesserungen für die Finanzierung wichtiger gesundheits- und pflegepolitischer Maßnahmen vorsehen.

Wir stocken den Haushalt im Gesundheits- und Pflegebereich für das Jahr 2017 um weitere 60 Millionen € auf. 2017 haben wir alleine im Bereich der Pflege- und Altenpolitik 4,3 Millionen € mehr. Das heißt, dass wir insgesamt rund 78 Millionen € in den Aufgabenbereich Alten- und Pflegepolitik investieren. Hier steht insbesondere die Weiterentwicklung einer guten Pflege im Lebensumfeld der Menschen im Mittelpunkt. Deshalb werden wir die Entwicklung der Quartiere, in denen die Menschen leben, entsprechend stärken.

Die Altenpflegeausbildung ist erwähnt worden. Wir werden sie auf hohem Niveau weiterführen. Wir haben nun fast 18.000 Ausbildungsplätze in NRW. Seit dem Jahr 2010 haben wir diese Kapazitäten verdoppeln können. Alleine für die Altenpflegeausbildung gibt NRW 64 Millionen € aus. Kein anderes Bundesland ist in der Lage, in dieser Höhe die Altenpflegeausbildung zu finanzieren.

Für die Krankenhausfinanzierung haben wir in diesem Jahr den Ansatz für Investitionskosten und kurzfristige Anlagegüter um 16 Millionen € erhöhen können. Insgesamt haben wir im Haushalt 533 Millionen € für die Krankenhausfinanzierung vorgesehen. Wir wissen natürlich, dass diese Summe sicher hinter den Erwartungen der Krankenhausträger und der Krankenhausgesellschaft liegt. Aber in anderen Bundesländern ist es genauso. Kein einziges Bundesland ist in der Lage, den Investitionsstau, den wir seit Jahren in der Bundesrepublik insgesamt haben, aufzulösen. Deswegen muss man dafür sicherlich eine andere Lösung entwickeln.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, jedes zweite Kind macht im Laufe seines Lebens Erfahrungen mit Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch. An den Folgen dieser Gewalt leiden diese Kinder lebenslang. Kinderschutzambulanzen in den Krankenhäusern helfen, die Zeichen von Misshandlungen und Missbrauch zu erkennen und richtige Maßnahmen einzuleiten. Deshalb haben wir jetzt in diesem Haushalt zur Förderung der Kindesschutzambulanzen 5,5 Millionen € für die entsprechende Unterstützung bereitgestellt. Das halte ich für eine sinnvolle Ergänzung unterschiedlicher Maßnahmen.

Wir verabschieden heute auch das PsychKG. Damit darf es aber keinen Stillstand bei der zeitgemäßen Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung geben. Insbesondere die UN-Behindertenrechtskonvention zeigt uns auf, wie viel Handlungsbedarf in diesem Bereich besteht. Deswegen müssen wir die Psychiatrie in Richtung offener und sanfter Psychiatrie weiterentwickeln, auf ambulante Settings setzen und Wünsche der Patientinnen und Patienten in den Vordergrund stellen. Daher finanzieren wir in diesem Bereich auch den Ausbau der Krisenhilfe rund um die Uhr, auch am Wochenende. Das ist ein wichtiges Ziel. Dieses Ziel wollen wir mit dieser finanziellen Unterstützung erreichen.

Wir haben auch Angebote im gesundheitlichen Bereich weiter ausgebaut. Eines davon hat die Kollegin ja erwähnt, und zwar, dass wir die Krebsberatungsstellen finanzieren. Aber es muss unser Ziel sein, Krebsberatungsstellen in die Regelversorgung zu überführen.

Schließich haben wir für die Information und Unterstützung geflüchteter Menschen die interkulturellen Gesundheitslotsinnen und -lotsen finanziert. Für die Integration der Menschen, die zu uns geflüchtet sind, sehe ich dies als eine sehr wichtig an.

Auch im Bereich der Drogen- und Suchtpolitik, zum Beispiel bei der Aidsprävention und -hilfe, bleiben wir bei unserer engagierten Politik, die bei dem Bedarf der Menschen und der einzelnen Zielgruppen ansetzt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Ünal. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Düngel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! NRW verschläft die Zukunft. NRW investiert nicht in die Infrastruktur unserer Krankenhäuser. NRW investiert nicht in die IT-Infrastruktur.

Ich könnte mich jetzt, wie es meine Vorrednerinnen und Vorredner teilweise getan haben, über mehr oder weniger kleine Fehlleistungen im Gesundheitsministerium auslassen, seien es die unabhängigen psychosozialen Krebsberatungsstellen, die offenbar nicht mit Landesmitteln gefördert werden sollen, oder die Mangelfinanzierung von Impfkampagnen und Hygienemaßnahmen, die wir in den letzten Jahren immer wieder angesprochen haben. Das spare ich mir an dieser Stelle. Denn ein zentrales Thema beschäftigt uns seit Monaten: Das ist selbstverständlich die Pflegesituation im Allgemeinen.

Speziell in Nordrhein-Westfalen kommt hinzu, dass vor einiger Zeit 30 Krankenhäuser von Kriminellen digital attackiert wurden. Die EDV-Systeme der Krankenhäuser wurden mit Computerviren infiziert. Die EDV ist ausgefallen, wurde heruntergefahren. In der Folge konnte nicht mehr auf Gesundheits- und Patientendaten zugegriffen werden. Es stand sogar eine Lösegeldforderung im Raum. Einige Krankenhäuser mussten sich dann zeitweilig von der Versorgung abmelden. Das heißt: Patienten mussten verlegt werden; geplante Operationen mussten verschoben werden.

Dafür tragen Sie als Gesundheitsministerin die Verantwortung, Frau Ministerin Steffens.

(Ministerin Barbara Steffens: Nein!)

Aber was macht die Landesregierung? Nichts. Im besten Fall werden irgendwo runde Tische eingerichtet. Im schlechtesten Fall wird die Verantwortung in Richtung Bund, Kommune oder sonst wohin geschoben. Wofür übernimmt diese Landesregierung, wofür übernehmen Sie, Frau Ministerin Steffens, eigentlich einmal wirklich die Verantwortung?

Das zentrale Thema der Investitionskostenförderung der Krankenhäuser wird von Ihnen nach wie vor unter den Teppich gekehrt. Der Druck hingegen nimmt von allen Seiten zu. Krankenhäuser und Bedienstete schlagen Alarm, schreiben rote Zahlen und müssen vermehrt auf moderne IT verzichten.

Unsere hier im Hohen Haus durchgeführten Anhörungen, aber auch das Investitionsbarometer Nordrhein-Westfalen des RWI zeigen: NRW investiert zu wenig in seine Kliniken. Die medizinische Versorgung in den Kliniken hat sich in den vergangenen Jahrzehnten revolutioniert. Doch die Herausforderungen der Zukunft werden unterfinanzierte Kliniken nicht meistern können.

Was ist mit Ihrem eigenen Anspruch „MegaBits. MegaHerz. MegaStark“? Womöglich ist es hier so wie bei der Kanzlerkandidatur der SPD: Sie wissen vielleicht, wie Digitalisierung gelingen könnte. Dies sagen und dann entsprechend handeln wollen Sie allerdings nicht.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wie kann man solche Vorfälle vermeiden? Man muss in eine sichere Infrastruktur investieren. Man muss die Krankenhäuser handlungsfähig machen. Nicht nur multiresistente Keime, sondern auch multiresistente Computerviren haben in Krankenhäusern nichts zu suchen.

(Beifall von den PIRATEN)

Das Gesundheitsministerium sagt: Wir haben kein Geld; außerdem sind wir nicht zuständig. – Beides ist falsch, Frau Ministerin Steffens. Wir müssen das notwendige Geld zur Verfügung stellen. Natürlich ist es auch die Aufgabe des Landes, hier Unterstützung zu leisten.

Auch ausgewiesene Experten – ich habe die Anhörung eben schon angesprochen – bestätigen, dass weiter investiert werden muss. Zum Beispiel führt der IT-Sicherheitsexperte Florian Grunow aus:

„Das Sicherheitsniveau der meisten Geräte ist auf dem Stand der 80er- und 90er-Jahre.“

In einer von uns initiierten Anhörung wurde bestätigt, dass in vielen Krankenhäusern immer noch das mittlerweile 16 Jahre alte Windows XP genutzt wird. Das ist erschreckend. Unser Vorschlag, unsere Lösung ist ein Sonderinvestitionsprogramm über 600 Millionen €.

Wir brauchen ein flächendeckendes Datenschutzmanagementsystem. Das kostet ca. 100.000 € pro Krankenhaus. Für alle Krankenhäuser macht das rund 36 Millionen €. Wir brauchen Personalschulungen. Das sind noch einmal rund 50 Millionen €. Zu guter Letzt kommt die Hardware; das ist der größte Teil dabei. Mit geschätzten 1 bis 1,3 Millionen € pro Krankenhaus sind das etwa 300 bis 500 Millionen €. Das begründet die Forderung, die wir hier in unserem Antrag stellen.

Frau Kollegin Schneider, selbstverständlich wird es dazu in der dritten Lesung auch den entsprechenden Haushaltsänderungsantrag geben. Dann stellen wir unsere Haushaltsänderungsanträge im Gesamten noch einmal vor. Aber unser Antrag macht Ihnen nichts Falsches vor; wir haben die 600 Millionen € dort bereits ganz klar beziffert.

Wenn Sie nicht handeln, Frau Ministerin Steffens, und weiterhin Krankenhäuser angegriffen werden, dann könnte die Versorgung weiter eingeschränkt sein. Sie könnte vielleicht sogar in einem ganzen Regierungsbezirk gefährdet sein. Es könnten Daten nicht nur in Geiselhaft genommen, sondern auch veröffentlicht werden. Kriminelle könnten Zugriff auf medizinische Geräte erhalten und vielleicht Infusions- oder Insulinpumpen beeinflussen und fernsteuern. Um zu verstehen, was das bedeuten kann, muss man kein Spezialist für Agentenfilme sein.

In den letzten Tagen haben uns dann auch die Angriffe auf die IT der Telekom beschäftigt. Ich möchte am Ende meiner Rede den Chef der Telekom zitieren, der erklärt hat:

„Hört bei der Internet-Sicherheit auf eure Nerds und nicht auf eure Finanzchefs!“

Herr Höttges sagt hier und da schon mal etwas Kluges. Er hat sich zum Beispiel auch für ein bedingungsloses Grundeinkommen eingesetzt. Aber darauf will ich nicht weiter eingehen. Das ist schon die zweite kluge Aussage in letzter Zeit. Deswegen steht sie auch hier.