Protocol of the Session on November 10, 2016

Medien begleiten diese Debatten als Berichterstatter. Zuschauer lauschen auf der Tribüne, können auswärts dem Livestream folgen oder sich geführte Gefechte im Videostream nachträglich ansehen. Das ist demokratisches Grundverständnis. Das ist gut; das ist wichtig; das ist State of the Art.

Wir sitzen hier als Abgeordnete des Landes, als Berufspolitiker, als Profis – nicht immer professionell, aber die Ausübung dieser Tätigkeit ist unser Job, unsere Lebensmitte, eine Dienstleistung auf Zeit, eine große Ehre und Verantwortung. Dabei sind wir, sind Sie Personen des öffentlichen Rechts, genießen Immunität und werden an Ihren Taten gemessen.

Um in der kommunalen Terminologie zu bleiben: Wir sitzen hier in der Hauptamtlichkeit.

Kommunale Mandatsträger üben ihr politisches Handeln in Ehrenamtlichkeit aus. Lokalpolitik ist ihr Hobby, meist auch ihre Leidenschaft, ist ein persönlicher Einsatz neben Beruf und Familie. Im Alltag sind sie Arbeitskollege, Vorgesetzter, Angestellter,

Dienstleister, Unternehmer oder Handlungspartner, sind sie Menschen – so das Ideal, das wir für ein parlamentarisches kommunales Abbild anstreben –, die ihren Alltag in unterschiedlichen Berufen und Lebensumständen verbringen.

Diese Menschen versuchen, nach Feierabend und am Wochenende die vielfältigen Maßnahmen in Realität umzusetzen, die wir ihnen hier ins Gebetbuch schreiben. Die Zeiten haben sich dabei massiv verändert. In einer aktuellen Beantwortung des MIK wurde jüngst aufgezeigt, in welcher Beschusslage sich auch Kommunalpolitiker zunehmend angegriffen sehen – verbal und teilweise tätlich. Dabei sind die Gunst und das Ansehen auch nicht immer leicht zu erringen. Zunehmend oft ist die Haltung, ist die Bildung von Meinungen von schweren Anfeindungen begleitet.

Den kommunalpolitisch Tätigen gebührt mein allergrößter Respekt.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN, den PIRATEN und Henning Höne [FDP])

Ihre Persönlichkeitsrechte sind dabei besonders schützenswert.

Wir haben in der Ehrenamtskommission, im Ausschuss für Kommunalpolitik und auch hier im Plenum vielfach über den Einsatz digitaler Strukturen als Informationsweg diskutiert. Der Mehrwert ist dabei für mich unumstritten.

Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie uns nicht den Fehler machen, den Menschen, die mit ihrem persönlichen Einsatz die Basis unserer demokratischen Strukturen bilden, zu diktieren, wie sie diesen Einsatz auszuüben haben – nicht, solange sie sich anderweitig alltäglich in anderen Rollen behaupten müssen. Es steht bereits heute in der Freiwilligkeit der kommunalen Gremien, Livestream oder Videoübertragungen zu nutzen. Wir haben bereits eine Kannlösung. Daran ist auch nicht zu rütteln.

Lassen Sie uns Chancengeber bleiben und uns weiterhin zur Kernaufgabe machen, wie wir die Rahmenbedingungen unserer örtlichen Kollegen weiter verbessern und stärken können! Lassen Sie uns Chancengeber sein, aber nicht Richter im Diktat!

Wir lehnen den Antrag der Piratenfraktion in der vorgelegten Form ab. Wir tun dies aus Überzeugung und in Anerkennung der kommunalen Leistung. Ich sage: Hut ab! – Danke für diese Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Hen- ning Höne [FDP])

Vielen Dank, Frau Kollegin Steinmann. – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Nettekoven.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 9. April 2014 wurde durch das Plenum beschlossen, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Kommunalpolitik zu überweisen. Mein Kollege Peter Biesenbach hat in dieser Plenarsitzung Ihnen, Herr Kollege Herrmann, die Frage gestellt, ob wir alles aufschreiben sollen, was zulässig ist.

Wir haben Ihren Gesetzentwurf im Ausschuss sachlich debattiert. Sie konnten uns die Frage meines Kollegen nicht beantworten, warum wir eine solche Regelung auf Landesebene einführen sollen, was bereits heute rechtlich möglich wäre. Der Öffentlichkeitsgrundsatz in § 48 Abs. 2 S. 1 der Gemeindeordnung sieht bereits eine entsprechende Regelung vor.

Kommunalpolitiker – wie meine Kollegin eben gesagt hat – üben ihr Mandat ehrenamtlich neben ihrem Beruf und der Familie aus. Ich selbst bin Ratsmitglied im Rat der wunderschönen Stadt Remscheid. Wir haben die Übertragung von Ratssitzungen diskutiert, wir haben Pro und Contra abgewogen. Dabei sind wir parteiübergreifend zu dem Entschluss gekommen, dass wir das nicht möchten, und haben den entsprechenden Antrag einer Ratsgruppe abgelehnt.

Ihre Gesetzesänderung ist nicht notwendig, da bereits heute eine Veröffentlichung möglich ist. Wir sind der Meinung, dass die Entscheidung darüber weiterhin der kommunalen Selbstverwaltung unterliegen sollte, und werden deshalb Ihren Gesetzentwurf heute ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Nettekoven. – Für die Fraktion der Grünen spricht der Kollege Krüger.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Ich will einen anderen Zungenschlag in die Argumentation hineinbringen als der, der von den beiden Beteiligten im Vorfeld benutzt wurde.

Zunächst einmal, Herr Herrmann: Ihr Anliegen, das Sie vortragen, ist durchaus gerechtfertigt. Nur ist der Lösungsvorschlag, den Sie uns aufzeigen, unseres Erachtens nicht praxistauglich bzw. mit den vereinbarten Regelungen nicht zu vereinbaren.

Ich möchte auf den jetzigen Verfahrensstand eingehen. Dort, wo sich die Räte entschieden haben, Ratssitzungen über Bild- und Tonaufzeichnungen mittels Internet – über Livestreaming, wie es so schön heißt – zu veröffentlichen, ist die Einwilligung eines jeden einzelnen Betroffenen notwendig, und zwar für jeden einzelnen Redebeitrag.

Diese Aufzeichnungen werden dann für ein Jahr gespeichert. Mitarbeiter der Verwaltung, die möglicherweise in das Bild hineinkommen, können der Aufzeichnung widersprechen. Die Aufzeichnungen, die vorgenommen werden, erfolgen ausschließlich von Redebeiträgen, die vom Rednerpult aus gehalten werden.

Wenn man sich einmal die Praxis in den kommunalen Räten ansieht, dann stellt man fest, dass Redebeiträge üblicherweise nicht vom Rednerpult gehalten werden – sofern es überhaupt vorhanden ist –, sondern in der Regel vom Platz erfolgen.

Da stecke ich in dem Dilemma, dass jemand gerne seinen Beitrag veröffentlicht sehen möchte, der dazu auch eine entsprechende Einwilligung erteilt; er hat aber Sitznachbarn vor ihm, neben ihm, hinter ihm, die in dem Bild mit aufgezeichnet werden. Und die können dieser Veröffentlichung widersprechen.

Insofern gibt es da durchaus Handlungsbedarf, nämlich einerseits bei der Wahrung der Persönlichkeitsrechte von Kommunalpolitikern, und andererseits ein Instrument zu finden, wie die Bürgerschaft über das Ratsleben ein Stück weit besser informiert werden kann.

Diesem Anspruch werden Sie mit Ihrem Gesetzentwurf aber nicht gerecht, weil Sie den Aspekt „Wahrung der Persönlichkeitsrechte“ völlig ausgeklammert haben. Herr Herrmann, wir haben hierzu diverse Gespräche mit dem Datenschutzbeauftragten geführt, um gemeinsam mit dem Ministerium zu überlegen, inwieweit es praktikable Lösungen gibt, die es ermöglichen, bei Einwilligung der Betroffenen auch Aufzeichnungen für Reden vorzunehmen, die vom Platz gehalten werden, wohlwissend, dass dann auch automatisch die Sitznachnachbarn mit aufgezeichnet werden.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das macht der Rat sel- ber in seiner Satzung vor Ort!)

Wir haben bisher noch keinen praktikablen Weg gefunden. Insofern – bei aller Sympathie für Ihr Anliegen, das wir durchaus für gerechtfertigt halten – halten wir den Weg, den Sie uns hier aufzeigen, für keinen guten und werden uns deswegen auch gegen die Gesetzesvorlage aussprechen.

Das heißt aber nicht, dass das Anliegen nicht gerechtfertigt ist. Wir werden schauen, wie wir es in den weiteren Monaten, möglicherweise auch in der nächsten Legislaturperiode, erneut aufgreifen können. – Bis dahin.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Krüger. – Für die FDP spricht der Kollege Höne.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Ausschuss habe ich es bereits gesagt: Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen. Das geht in die Richtung des Kollegen Nettekoven und der aufgeworfenen Frage: Sollen wir demnächst anfangen, alles aufzuschreiben, was möglich ist, oder sollen wir uns auf die Rahmenbedingungen und auf die Dinge konzentrieren, die nicht möglich sind?

Das Streaming von Ratssitzungen in den Kommunalparlamenten wurde ausführlich diskutiert: in der Ehrenamtskommission, im Ausschuss und auch hier im Plenum. Nach der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ vom 23. Oktober 2016 nutzen bereits sieben von 28 Großstädten in Nordrhein-Westfalen das Streaming. Das ist der Gegenbeweis für die Notwendigkeit Ihres Gesetzentwurfs. Was Sie hier fordern, läuft bereits. Vorreiter war laut „WAZ“ die Stadt Bonn, übrigens schon 2009. Im nächsten Jahr soll auch die Stadt Leverkusen folgen. Es passiert also etwas in diesem Bereich.

Aber – und das ist ein weiterer Grund dafür, warum wir uns Ihrem Gesetzentwurf nicht anschließen werden – Persönlichkeitsrechte sind für uns von herausragender Bedeutung, und es ist eben ein Unterschied, ob ich Berufspolitiker bin, ob ich Mitglied eines gesetzgebenden Parlamentes – des Landtages oder des Bundestages – bin, oder ob ich ehrenamtlich Mitglied in einem Kommunalparlament und somit Teil der kommunalen Selbstverwaltung bin. Auf diesen Aspekt ist auch in der Sachverständigenanhörung im März des vergangenen Jahres hinreichend hingewiesen worden.

Es scheitert also nicht an den rechtlichen Möglichkeiten, wie Sie hier suggerieren, sondern es scheitert, wenn überhaupt, am politischen Willen vor Ort. Dieser politische Wille ist Teil der kommunalen Selbstverwaltung, die wir eigentlich alle im Hause hoch schätzen. Wir zumindest tun das. Darum setzen wir darauf, dass die Kommunen vor Ort für sich schon die richtige Entscheidung treffen werden. Aus diesem Grund brauchen wir diesen Gesetzentwurf nicht und lehnen ihn ab.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Höne. – Für die Piraten spricht der Kollege Herrmann.

Herr Präsident, vielen Dank für die Erteilung des Wortes. – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Wir haben heute schon viel über die Bedeutung der Einbeziehung und Beteiligung der Menschen in die politischen Gestaltungsmöglichkeiten, die unser demokratisches System bietet, gesprochen, sei es durch die Absenkung des Wahlalters oder durch ein Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger im kommunalen Bereich und vieles mehr.

Es ist wichtig, die Einbeziehung und Beteiligung der Menschen in die politischen Prozesse immer wieder zu fördern, damit sie sich nicht abwenden und sagen: Die reden in ihren Hinterzimmern und machen sowieso, was sie wollen.

Genau darum, nämlich um die Stärkung der Partizipation und der Beteiligung an den politischen Prozessen auf kommunaler Ebene, geht es in unserem Gesetzentwurf. Konkret geht es um die Festschreibung in der Gemeindeordnung, dass der Rat einer Stadt seine Sitzungen per Video- oder Audiostreaming ins Internet übertragen darf, wenn er es denn möchte. Das soll der Rat vor Ort entscheiden. Er soll auch vor Ort darüber entscheiden, wie er es macht.

Dabei geht es nicht um die professionelle Darstellung der Menschen, Frau Kollegin Steinmann. Vielmehr ist das Ziel, möglichst vielen Menschen die Teilnahme an den Sitzungen zu ermöglichen; denn auch wenn die Ratssitzungen in den Kommunen in aller Regel öffentlich sind, ist es ein Unterschied, ob ich jeweils dorthin gehen muss oder aber von zu Hause aus zuschauen kann, vielleicht auch zu einer anderen Zeit, nämlich abends. Die technischen Möglichkeiten sind durch das Internet gegeben und sollten auch genutzt werden.

Unser Gesetzentwurf datiert vom März 2014 und ist somit schon etwas älter. Wir hatten die Beratungen zurückgestellt, um das Thema auch in der Arbeitsgruppe zur Stärkung des kommunalen Ehrenamts behandeln und beraten zu können.

Im Abschlussbericht der Ehrenamtskommission steht dazu auf Seite 27 – ich zitiere –:

„Die Transparenz der Arbeit von Rat und Verwaltung ist ein wichtiges Anliegen. Live-Übertragungen von Sitzungen (Streaming) können dazu beitragen, die Transparenz zu erhöhen. Hierfür ist nach derzeitiger Rechtsauffassung die Einwilligung aller Mitglieder der kommunalen Vertretung einzuholen … Die Arbeitsgruppe regt an, die Rechtsgrundlagen für Livestreams aus kommunalen Gremien zu prüfen und zu präzisieren.“

Diese Prüfung ist bisher nicht erfolgt, und auch in dem Gesetzentwurf von Rot-Grün mit dem Namen „Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung“, das wir gleich noch behandeln werden, ist

dazu nichts enthalten. Deshalb haben wir unseren Entwurf hier heute zur Abstimmung gestellt.

Ich möchte kurz auf die Kritikpunkte eingehen, die eben genannt worden sind.

Der Klassiker: Das gibt es doch schon, das brauchen wir nicht. – Das sogenannte Rats-TV gibt es tatsächlich in einigen Städten und Gemeinden, und ich glaube, das ist unter anderem auch dem Einfluss der Piraten zu verdanken. Nicht nur hier im Landtag gibt es seit dieser Legislaturperiode wesentlich mehr Sitzungen, die im Internet übertragen werden, auch seit den Kommunalwahlen gibt es durch die über 130 Mandatsträger der Piraten in den Räten viele Initiativen zum Streaming, und viele wurden auch mehrheitlich angenommen. Das ist gut und wichtig.