Protocol of the Session on November 10, 2016

Der Minister hat trotzdem gesagt, dass der dritte Bauabschnitt – wir bauen ja erst die Brücke, dann das Kreuz und kommen dann zu der Lösung durch Leverkusen – jetzt noch einmal geprüft wird, ob es da eine städtebauliche Lösung geben kann. Natürlich wären Lösungen schön wie in Hamburg oder in anderen Städten. Das wird jetzt geprüft. Wir müssen uns die präzise Darstellung vornehmen, weil wir in dem Feld ansonsten noch mehr Vertrauen verlieren.

Denn eins ist klar: Jeden Morgen fahren die Menschen durch unsere Region. Sie wissen, welche Belastungen da sind. Ihnen dann irgendetwas zu erzählen, wie man alles besser machen könne, das wird ganz schnell zum Rohrkrepierer.

Insofern: Ich weiß, in den vergangenen 30 Jahren haben viele in der Verkehrspolitik viele Fehler gemacht. Wir können den Bürgern nur anbieten, dass wir nach bestem Wissen und Gewissen versuchen, das Problem zu lösen. Wir tun gut daran, dass in diesem Fall der Sanierung der Infrastruktur gemeinsam zu tun und vor allen Dingen gemeinsam zu erklären.

Ich bitte auch die Medien, das zu erklären. Man hat eine schnelle Schlagzeile, aber eine Lösung hat man dadurch noch lange nicht. Lieber sollten wir die Dinge konkret verändern. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Ott. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Ende der Aktuellen Stunde, die ich nun schließe.

Wir kommen zu:

2 Gesetz zur Einführung der Individualverfas

sungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf der Fraktion der FDP Drucksache 16/13113

erste Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die FDPFraktion Herrn Dr. Wolf das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Unser Antragsanliegen ist ebenso wie das der nachfolgenden Tagesordnungspunkte nicht neu und für das Haus sicherlich auch nicht überraschend.

Ausgangspunkt ist, dass die Ergebnisse der Verfassungskommission nach einmütiger Auffassung optimierbar gewesen wären. Insofern möchte ich nur noch einmal sagen, dass wir nach wie vor gerne eine Paketlösung hätten, so wie sie angestrebt war. Die Bereitschaft bei den Freien Demokraten dazu besteht nach wie vor. Sie wissen, dass ich persönlich bis auf den letzten Meter Einigungsversuche unternommen habe, alle Konsenspunkte des politischen Korbes am Ende erst im Juni 2017 in Kraft treten zu lassen.

Ich weiß, dass Herr Engstfeld, der mir jetzt sicherlich zuhört, erheblichste Bedenken hat. Nur, ich sage Ihnen, Herr Kollege Engstfeld: Natürlich kann man einmütig beschließen, dass alles erst später in Kraft tritt. Wir haben es bei der Bundesschuldenbremse erlebt.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Politisch!)

Sowohl Rechte als auch Pflichten kann man auf einen gewissen Zeitpunkt legen, damit niemand privilegiert wird, keiner mit seinen Anliegen vorher schon irgendwo reüssieren kann. Das wäre nach wie vor der Wunsch der Freien Demokraten. Wir hätten gerne eine gemeinsame Lösung über die streitigen Punkte.

Ich komme nunmehr zur Individualverfassungsbeschwerde, unserem Herzensanliegen. Die Stärkung des Individualrechtsschutzes halten wir für absolut richtig und wichtig. Im Unterschied zu den anderen gleich noch zu diskutierenden Tagesordnungspunkten ist zum einen festzuhalten, dass die Individualverfassungsbeschwerde nicht notwendigerweise

eine Verfassungsänderung voraussetzt. Sie alle wissen, dass die Kommunalverfassungsbeschwerde bereits in Kraft ist. Sie steht nicht in der Verfassung. Das heißt, wir brauchten keine, wir könnten es auch einfachgesetzlich regeln. Natürlich hat der Kollege Sven Wolf recht, wenn er an der Stelle sagt: Verfassungsästhetisch wäre es sicherlich schöner. – Aber es ist nicht zwingend.

Zweitens: der Adressatenkreis. Ich glaube, die IVB ist insofern besonders interessant, weil sie sich nicht an einzelne Menschen oder Gruppierungen wendet, sondern letztendlich für alle Menschen in NordrheinWestfalen eine Verbesserung des Rechtsschutzes darstellt. Das erleben wir in elf von 16 Ländern. Ich möchte auch gar keine Debatte darüber führen, wer mit welcher Farbe an welcher Stelle mal dafür oder dagegen war, das eingeführt oder auch dagegengestimmt hat.

Das Schlüsselerlebnis war für mich das Verfassungssymposium in der Villa Horion, was die Präsidentin dort initiiert hat. Es war absolut eindeutig, dass sich alle Protagonisten, die dort gesprochen haben, von der Bundesebene über die Landesebene, für dieses Instrument ausgesprochen haben, selbst der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, der ja vielleicht die Sorge haben könnte, dass die Bedeutung seines Gerichts geringer würde.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Sie sind vielleicht früher gegangen, Herr Wolf!)

Nein, auch er war dafür und auch die Präsidenten und Vertreter , die aus anderen Bereichen gesprochen haben. Ich meine, es ist inhaltlich überzeugend.

Natürlich gibt es auch vonseiten der Regierungskoalition – das weiß ich ja – Befürchtungen, was den Aufwand betrifft. Aber das ist ein Stück weit ein Totschlagargument. Denn wenn wir uns auf die Behauptung von Verfassungsverstößen beruhend auf Landesrecht, sowohl was Gesetze als auch Rechtsakte betrifft, beschränken und eine strikte Vorprüfung einführen – analog zum Bundesverfassungsgericht –, dann gibt es keine uferlose Ausweitung. Das ist einfach eine Mär. Die Fallzahlen bleiben – das zeigen die Fälle in anderen Ländern – überschaubar.

Personell kann man wohl auch Entwarnung geben. Ja, man braucht ein Stück Stärkung der wissenschaftlichen Zuarbeit. Aber Rechtsstaatlichkeit ist wichtig. Sie kostet zwar Geld, letztendlich ist dieser Kostenaufwand jedoch überschaubar. Uns ist es das in jedem Fall wert. Ich würde mich freuen, wenn es das auch Ihnen wert wäre.

Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Wolf. – Für die SPD-Fraktion spricht Kollege Sven Wolf. Heute ist ein Tag der Wölfe.

(Zuruf: Wir wollen nichts am Jagdgesetz än- dern! – Vereinzelt Heiterkeit)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, Sie wissen, der Wolf ist zurück in Nordrhein-Westfalen; das ist ja häufig zu lesen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Ver- einzelt Heiterkeit)

Herr Kollege Dr. Wolf, Sie haben sehr schön eingeleitet, dass sich die nächsten Tagesordnungspunkte alle mit Themen beschäftigen, die ihren Ursprung in der Verfassungskommission haben. Ich finde es auch legitim und nachvollziehbar, dass die Fraktionen nach und nach die Ideen, die dort eingebracht worden sind, noch mal auf den Tisch bringen.

Das hat auch etwas damit zu tun – Sie haben es gerade ausgeführt –, dass es in der Verfassungskommission keine Einzelabstimmung gegeben hat. Daher kommen nun einzelne Vorschläge aus den Fraktionen – nicht aus allen Fraktionen. Ich gebe zu, ich habe keinen Vorschlag von der CDU-Fraktion vernommen. Aber es kann ja sein, dass sich die Kolleginnen und Kollegen noch beraten und gegebenenfalls auch einen Vorschlag machen, wie die Verfassung in Nordrhein-Westfalen ergänzt werden soll.

Meine Damen und Herren, mit dem Gesetzentwurf der FDP diskutieren wir heute nicht nur die Individualverfassungsbeschwerde, sondern es geht auch um einen weiteren Vorschlag: Sollen Verfassungsrichter in Nordrhein-Westfalen künftig die Möglichkeit erhalten, ein individuelles Sondervotum bei den Urteilen abzugeben? – Auch das ist in der Verfassungskommission diskutiert worden. Hier sprechen ebenfalls Gründe dafür und dagegen.

Ich glaube, Sie waren sich aber in der Verfassungskommission einig, dass man das tatsächlich einfachgesetzlich regeln kann. Wenn ich meine Kolleginnen und Kollegen, die Mitglieder der Verfassungskommission sind, frage und ihre Antwort nachvollziehe, kann man darüber wohl noch mal sprechen.

Was die Individualverfassungsbeschwerde selber angeht, gibt es gute Gründe, die dafür sprechen. Aber ich finde, es gibt genauso gute Gründe, die dagegen sprechen. Einige Punkte hatten Sie schon angesprochen. Ich will sie noch ergänzen.

Nach der Föderalismusreform haben die Länder deutlich mehr Kompetenzen. Durch Entscheidungen, die wir hier treffen, können auch Grundrechtsverletzungen hier eintreten. Das ist mit Sicherheit ein Argument, das dafür spricht.

Wir haben außerdem in Nordrhein-Westfalen eigene Landesgrundrechte. Auch da sollten wir selbstbewusst dafür sorgen, dass diese Grundrechte im Konzert der Grundrechte Gehör finden.

Eine Formulierung – sie stammt von Professor Sachs – finde ich sehr schön: Das ist so etwas wie die Subsidiarität umgekehrt.

Die Verfassung – das wäre auch ein schönes Signal – springt damit dem Bürger bei. Das kann auch dazu beitragen, bei den Bürgern eine größere Verankerung für das Verständnis, was hier in NordrheinWestfalen passiert, zu erzeugen.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt natürlich auch Gründe, die dagegen sprechen. Ich sehe momentan keine Rechtsschutzlücke. Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land haben die Möglichkeit, sich bei einer eventuellen Grundrechtsverletzung an Karlsruhe zu wenden. Sie haben die Möglichkeit, sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu wenden. Und natürlich sind auch alle Richterinnen und Richter des Landes bei uns aufgerufen, Grundrechte zu überprüfen. Auch bei fachgerichtlichen Entscheidungen sind Grundrechtsfragen mit einzubeziehen.

Unser Rechtsstaat in Nordrhein-Westfalen, Deutschland und Europa bietet den Bürgerinnen und Bürgern mit vielen Gerichten ausreichend Möglichkeiten, unsere gemeinsamen Grund- und Menschenrechte zu verteidigen.

Das waren übrigens auch genau die Argumente der Kolleginnen und Kollegen der FDP in Baden-Württemberg, die sie dort vorgetragen haben, zu sagen: Sie wollen dort keine Individualverfassungsbeschwerde einführen.

Die vielen Rechtswege, die ich eben aufgezeigt habe, können aber auch zu einem zusätzlichen Problem führen. Es wird mit Sicherheit die eine oder andere Diskussion zwischen den jeweiligen Verfassungsgerichten geben. Es kann durchaus zu Konflikten kommen, zum Beispiel bei der Wahrung und bei der Reichweite von Grundrechten. Wir sollten, wenn wir darüber diskutieren, uns auch die Frage stellen: Wollen wir Doppelstrukturen einrichten? Müssen Bürger dann nach Karlsruhe und nach Münster gehen, oder schließt sich das gegenseitig aus, oder werden Rechtswege dadurch unnötig verlängert?

Ich will noch kurz eine rechtliche Frage ansprechen: die Rechtswegerschöpfung. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erwartet, dass jemand sämtliche Rechtswege ausschöpft. Dann wäre auch die Frage zu klären, die in der Literatur nicht einheitlich beantwortet wird: Gehört dann eine Individualverfassungsbeschwerde in Nordrhein-Westfalen dazu? Muss man die erheben, bevor man sich an Straßburg wenden kann oder nicht?

Egal, zu wessen Gunsten die Abwägung ausfällt – Herr Dr. Wolf, Sie haben das eben schon zitiert und gesagt, das hätte etwas mit der Ästhetik zu tun; ich meine, das hat etwas mit der Bedeutung zu tun –: Die Entscheidung sollte auch in der Verfassung verankert sein. Daher empfehle ich Ihnen – Sie haben gerade von Einigungsangeboten und Paketlösungen gesprochen –, vielleicht im folgenden Tagesordnungspunkt noch mal den Vorschlag von SPD und Grünen zur Änderung der Verfassung genau anzusehen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Wolf. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Kamieth.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider muss ich feststellen, dass mit den heute von den anderen Fraktionen eingebrachten Gesetzentwürfen die Arbeit der Verfassungskommission konterkariert wird. Drei Jahre lang haben wir uns mit Änderungsbedarf, möglichen Änderungen unserer Landesverfassung beschäftigt. Wir haben viele Sachverständige gehört. Wir haben um Kompromisse gerungen – auch in der Frage der Einführung der Individualverfassungsbeschwerde.

(Zuruf und Lachen von Hans-Willi Körfges [SPD])

Schön, dass Sie bei dem Thema „Verfassung“ lachen. –