Protocol of the Session on November 10, 2016

Vielen Dank, Herr Kollege Garbrecht. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Maaßen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine funktionierende Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zeichnet sich durch die Mitbestimmungsmöglichkeiten für Betriebsräte aus. In der überwiegenden Zahl der Betriebe wird diese traditionell gewachsene Sozialpartnerschaft als ein hohes Gut betrachtet. Hier wird die betriebliche Mitbestimmung als große Chance für das Unternehmen gesehen. Hier herrschen ein Klima der fairen Auseinandersetzung in der Sache und in der Regel eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Hat ein Unternehmen fünf oder mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, haben diese das Recht auf die Gründung eines Betriebsrates. Dies ist arbeitsrechtlich so geregelt. Die Praxis sieht jedoch oft anders aus. Die Hans-Böckler-Stiftung berichtet, dass fast jede sechste Betriebsratsgründung von den Arbeitsgebern verhindert wird. Einschüchterung der Kandidaten, Versetzungen, Kündigungsandrohungen bis hin zu Betriebsauflösungen sind Mittel, von denen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bzw. die Gewerkschaften berichten, um die Gründung eines Betriebsrates zu verhindern.

Union Busting, die Bekämpfung gewerkschaftlicher Aktivitäten, ist die gezielte Anwendung von Praktiken, um arbeitgeberunabhängige Organisierung und Interessenvertretung unter anderem in einem Betrieb zu unterbinden, auszuhebeln oder im Entstehen zu behindern.

Union Busting wird sowohl betrieben, um den erreichten Status quo an Konnektivität, Mitbestimmung und arbeitsrechtlichem Schutz anzugreifen als auch, um Organisierungsbemühungen von Beschäftigten möglichst im Keim zu ersticken. Eine wesentliche Bestrebung des Union Busting in Deutschland besteht darin, Betriebe und Konzerne zu betriebsratsfreien Zonen zu machen oder einen betriebsratsfreien Status quo zu wahren.

Die Motivation, Betriebsräte zu behindern oder nicht entstehen zu lassen, liegt in dem besonderen Kündigungsschutz, den gewählte Betriebsratsmitglieder

genießen, sowie deren Möglichkeiten, in die unternehmerische Gestaltungsfreiheit einzugreifen. Auch in Deutschland und auch in unserem Bundesland ist ein Geflecht aus einschlägigen Netzwerken entstanden, in dem sich Unternehmensberater, Rechtsanwälte, Personalabteilungen, Detekteien, Leiharbeitsfirmen, Think Tanks und wissenschaftliche Institute über Methoden zur Gewerkschafts- und Betriebsratsvermeidung austauschen.

Aus Sicht der grünen Landtagsfraktion ist es erforderlich, dass wir diesem Agieren auch in NordrheinWestfalen entgegentreten,

(Beifall von den GRÜNEN)

und zwar durch die Entwicklung von Anti-BustingMaßnahmen, basierend auf einer wissenschaftlichen Studie durch die Entwicklung von Strategien zur Eindämmung des Union Busting bis dahin, das Betriebsverfassungsgesetz zu verschärfen und durch eine gesellschaftliche Sensibilisierung und Diskussion im Kontext der NRW-Landesinitiative „Faire Arbeit – fairer Wettbewerb“ zu ergänzen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Maaßen. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Preuß.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Antragsteller beschreiben schlimme Zustände und Sachverhalte, die selbstverständlich nicht akzeptabel sind. In der Tat berichten Medien auch in Deutschland über das aus den USA kommende Phänomen des Union Busting.

Wenn man einmal genau hinschaut, bleibt allerdings unklar: Welche konkreten und vor allen Dingen greifbaren Sachverhalte sind eigentlich gemeint? Mobbing? Druckausübung? Das ist sehr allgemein gehalten, und da wäre die Frage zu klären: Um welche Sachverhalte geht es, die nicht ohnehin schon gesetzlich geregelt sind?

Die Arbeit der Betriebsräte ist im Rahmen der Mitbestimmung im Betriebsverfassungsgesetz geregelt und gesichert. § 119 Betriebsverfassungsgesetz regelt explizit Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder. Auch die Gründung von Betriebsräten ist im Betriebsverfassungsgesetz klar geregelt. Die Mitbestimmung ist wesentlich für die Sozialpartnerschaft und ein wichtiges Instrument für einen Interessenausgleich in den Betrieben.

Nun ist aber die Frage: Was soll denn genau geregelt werden? Es gibt Arbeitgeber, die mit den Betriebsräten und Betriebsräte, die mit den Arbeitgebern sowieso vertrauensvoll zusammenarbeiten, weil nur so bestimmte Dinge in den Betrieben im Interesse der

Unternehmen und der Arbeitnehmer bestmöglich und konfliktfrei gestaltet werden können. Es gibt aber auch Arbeitgeber, die ein gestörtes bis ablehnendes Verhältnis zu den Betriebsräten pflegen – aus welchen Gründen auch immer. Darüber hinaus gibt es Situationen, in denen Konflikte und unterschiedliche Interessenlagen sozusagen in der Natur der Sache liegen.

Gerade deshalb sind Betriebsrat und Arbeitgeber nach dem Betriebsverfassungsgesetz unter Beachtung der geltenden Tarifverträge zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet. Zur Sicherstellung der Betriebsratsarbeit genießen die Betriebsräte einen besonderen Schutz, auch einen Kündigungsschutz. Selbstverständlich darf die Wahl eines Betriebsrates oder seine Arbeit nicht behindert werden, sonst droht Strafe.

Wenn Sie mit dem vorliegenden Antrag also die Schließung von Gesetzeslücken fordern, müssen Sie auch sagen, wo welche Lücken bestehen, damit sie gegebenenfalls geschlossen werden können.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das kostet dann!)

Wenn alles reibungslos läuft, brauchen wir keine gesetzliche Regelung. Im Falle des Union Busting gibt es das Betriebsverfassungsgesetz, das den Betriebsrat umfassend schützt.

Der Antrag hier bleibt schwammig und vage. Sie widersprechen sich auch selbst in Ihrem Antrag. Auf der einen Seite fordern Sie rechtliche Änderungen, und auf der anderen Seite soll das Union Busting durch eine wissenschaftliche Studie erst einmal genauer erforscht werden, um daraus Handlungsempfehlungen ableiten zu können.

Wenn Sie also Grauzonen und praktische Methoden ansprechen, ohne sie näher zu beschreiben und Vorschläge zu machen, wie denn dieses Phänomen eingedämmt werden soll, ist der Antrag aus unserer Sicht nicht abstimmungsfähig. Ein politischer Diskurs über Konflikte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern muss in den Gewerkschaften und in den Arbeitgeberverbänden geführt werden. Die Politik hat sich da herauszuhalten. Die Gesetzeslage ist aus unserer Sicht eindeutig.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Nein!)

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Preuß. – Für die FDP spricht Herr Kollege Alda.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Für die

Freien Demokraten sind die Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften sowie die betriebliche Mitbestimmung wesentliche Bestandteile der sozialen Marktwirtschaft. Diese Partnerschaft hat mit zum Erfolg der deutschen Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten geführt.

Bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen, aber auch beim Umgang mit Krisen in Unternehmen können auf diese Weise miteinander die besten Lösungen gefunden werden. Wir stehen für den Erhalt dieser Unternehmensführung.

(Beifall von der FDP)

Ebenso stehen wir für den Erhalt der Tarifautonomie, übrigens ganz im Gegensatz zur SPD, die mit dem Tarifeinheitsgesetz von Andrea Nahles das Streikrecht kleiner Gewerkschaften eingeschränkt hat.

(Beifall von der FDP)

Im vorliegenden Antrag wird nun behauptet, dass ein sogenanntes Union Busting, die Behinderung der Arbeit von Gewerkschaften und Betriebsräten, ausgerechnet in NRW immer weitere Kreise zieht. Sie berufen sich dabei auf zwei Studien. Eine stammt von der Otto-Brenner-Stiftung, die andere von der HansBöckler-Stiftung. Beide Studien sind ein Jahr bzw. zwei Jahre alt. Beide Stiftungen sind gewerkschaftsnah. Die Otto-Brenner-Stiftung steht der IG Metall nahe. Die Studien haben Sie sehr zielführend herausgesucht. Diese Studien versuchen, anhand von Einzelbeispielen aufzuzeigen, dass sich ein vor allem aus den USA bekanntes Phänomen auch in Deutschland ausbreitet.

Allein der Zeitpunkt Ihres Antrags, ein Jahr bis zwei Jahre nach Erscheinen der Studien, aber nur wenige Monate vor der Landtagswahl, weist aus meiner Sicht schon darauf hin, dass Sie hiermit ein Thema für Ihr Gewerkschaftspublikum in den Landtag bringen wollen. Dafür kenne ich Sie lange genug, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen.

Ich sehe hier aber keine echten Handlungsmöglichkeiten der Landespolitik, die über weitere Untersuchungen hinausgehen.

Herr Kollege Alda, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche.

Jetzt muss ich mich dem Kollegen von der CDU anschließen. In vielen der beschriebenen Beispiele handelt es sich bereits heute um Rechtsverstöße, etwa um Nichtbeachtung von Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes oder des Kündigungsschutzes.

Herr Kollege Alda, Entschuldigung, dass ich versuche, Sie zu unterbrechen. Das habe ich jetzt erfolgreich getan. Herr Kollege Schulz würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Ja, bitte.

Vielen Dank, Herr Kollege Alda, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Wir haben jetzt viel über das Betriebsverfassungsgesetz und den vielfältigen Schutz gehört. Sie sprechen auch darüber.

Sind Sie mit mir der Auffassung, dass insbesondere einzelne Betriebsräte den besonderen Schutz im Hinblick auf die gleichberechtigte Mitbestimmung in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht aufgrund Art. 26 der Landesverfassung genießen und daraus möglicherweise eine denkbare Lösung im Hinblick auf eine Individualverfassungsbeschwerde in Erwägung gezogen werden könnte?

Ich sage ganz einfach: ein Glück, dass ich kein Jurist bin. Denn dann brauche ich darauf nicht zu antworten. Das hat nichts mit diesem Thema hier zu tun.

(Heiterkeit und Beifall von der FDP und Inge Blask [SPD])

Sie fordern stattdessen gleich Strafverschärfung und neue bundesgesetzliche Regelungen, ohne konkrete Gesetzeslücken aufzuzeigen. Das ist wieder einmal typisch: Sie wollen vermeintlichen Missbrauch bekämpfen und rufen sofort nach mehr Regulierung. Daraus wird sehr schnell ein weiterer Baustein zur zunehmenden Regulierung des deutschen Arbeitsmarktes.

Jetzt kommen wir zum Kern Ihrer tatsächlichen Absichten. Denn letztlich zielen Sie auf einen Punkt, den Sie im Bund nicht durchsetzen konnten. Sie wollen doch bei der Regulierung von Zeitarbeit und Werkverträgen im Gegensatz zur Gesetzesvorlage des Bundes nicht nur eine Unterrichtung des Betriebsrates über den Einsatz von Werk- und Dienstverträgen, sondern vielmehr sogar ein Mitentscheidungsrecht. Das wäre aber ein Eingriff in den Kernbereich der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Daraus lese ich ganz klar die Vorbereitung auf Rot-Rot-Grün.

Ein flexibler Arbeitsmarkt, zu dem auch Instrumente wie Zeitarbeit und Werk- oder Dienstverträge zählen, ist ein wesentliches Element einer arbeitsteiligen Wirtschaft. So kann auf veränderte Nachfrage und technologischen Wandel schnell reagiert werden. Gerade die digitale Wirtschaft setzt viel stärker auf flexibel zu organisierende Projektaufträge. Weitere

Regulierungen wären hierbei gesamtwirtschaftlich sogar kontraproduktiv.

(Beifall von der FDP)

Sie werden angesichts der Digitalisierung und der neuen Arbeitsformen, die in Kürze über uns kommen werden, mit solchen Versuchen aus der Mottenkiste des Klassenkampfs scheitern.

Deswegen können wir dem Antrag nicht zustimmen. – Danke schön.