Ich will damit schließen, dass ich mich ganz zufrieden zeige mit dem, was wir geschafft haben. Unabhängig jedoch von dem, was wir heute beschließen werden, werden wir als SPD-Fraktion die gerade von mir angesprochenen Ziele weiterverfolgen. Jeder in diesem Land kann, darf und muss damit rechnen: Wir wollen in den Kommunen nicht länger Menschen mit Migrationshintergrund von der demokratischen Mitverantwortung ausschließen.
Wir wollen das Wahlalter tatsächlich absenken und nicht nur die Möglichkeit dafür schaffen. In dieser Angelegenheit werden wir uns sicher noch sprechen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Heute Morgen haben wir in diesem Hause „70 Jahre Landtag Nordrhein-Westfalen“ gefeiert. Noch älter sind die ersten Beratungen über eine Verfassung für unser Bundesland; denn bereits im April 1949 – also noch vor der Landesgründung – begannen die ersten Vorarbeiten an der Landesverfassung für Nordrhein-Westfalen, die letztlich vor 66 Jahren nach intensiven Debatten am 10. Juni 1950 in Kraft getreten ist.
Dieser ausgiebig diskutierte und von der Mehrheit in Parlament und Volk gestützte Grundrahmen für das
Parlament, für die Arbeit der Gesetzgebung und für das Leben in Nordrhein-Westfalen hat sich im Wesentlichen bewährt. Schon häufig wurde die überdurchschnittliche Stabilität der nordrhein-westfälischen Landesverfassung gelobt – als Ausdruck der Güte, Beständigkeit und Qualität. Im Laufe von 66 Jahren gab es lediglich 21 Änderungen der Landesverfassung, zuletzt in Sachen „Sperrklausel für Kommunalwahlen“ in diesem Jahr.
Heute beraten wir abschließend die 22. Änderung, der ein intensiver Beratungs- und Arbeitsprozess in der Verfassungskommission vorausging. Mit externem Sachverstand wurden sämtliche verfassungsrelevanten Themen erörtert: Schuldenbremse, Wahlrecht, Wahlalter, direkte Demokratie, Rechtsschutz, Rechte der Kommunen sowie die Rechte des Parlaments und seiner Abgeordneten. Das Ergebnis befindet sich heute in der finalen Gesetzgebungsphase.
Wenn angesichts der Ergebnisse in der Verfassungskommission immer wieder von „Enttäuschung“ oder den „wenigen Ergebnissen“ gesprochen wird, bleibt dennoch Folgendes festzuhalten:
Von Beginn der Verfassungskommission an war es eindeutig, dass unterschiedliche politische Vorstellungen aufeinanderprallen. Darauf hat der Kollege Körfges im Wesentlichen in Teilen seiner Rede hingewiesen.
Von Beginn an war klar, dass es große Schwierigkeiten geben wird, in allen aufgeworfenen Aspekten gemeinsame Beschlüsse zu fassen.
Genauso war klar, dass die Verfassungskommission nur die gemeinsame Plattform dafür sein kann, sich die Verfassung in bestimmten Teilen anzuschauen und Schlüsse zu ziehen, wo Verbesserungen und Änderungen notwendig sind und wo sie mit einer Zweidrittelmehrheit erreicht werden können.
Wahr ist, dass in wesentlichen Punkten keine gemeinsame Position der Kommission gefunden werden konnte; dabei wäre das aus unserer Sicht gut möglich gewesen. Bei Volksgesetzgebung, Individualrechtsschutz auf Landesebene, bei den Kommunen und sogar beim Thema „Schuldenbremse“ wären Einigungen möglich gewesen, genauso wie beim Wahlalter.
Wir wären schließlich sogar bereit gewesen, einer Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre zuzustimmen, wenn darüber erst der nächste Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen abgestimmt hätte. Sie wissen: Wir sind weiterhin aus guten Gründen für eine Beibehaltung des Wahlalters von 18 Jahren. Die Geschäftsfähigkeit und das Wahlrecht sollen in Nordrhein-Westfalen nach unserer Auffassung weiter zusammengehören. Das ist völlig klar.
Deswegen hätten wir darüber jetzt einen politischen Wettstreit führen können, der im Mai 2017 entschieden worden wäre. Dann hätte der neue Landtag in diesem Lichte entscheiden können. Das war nicht gewollt.
Deswegen bleibt der Eindruck zurück, dass möglicherweise der bestimmende Grund dafür war, ein Vehikel zu finden, um die Schuldenbremse am Ende des Tages in der Verfassung zu vermeiden. Sie haben da eine große Lösung blockiert und damit eine Absenkung des Wahlalters für die Zukunft verhindert. Das ist bedauerlich, aber letztlich nicht zu ändern.
In vielen notwendigen und wichtigen Punkten haben wir gute und tragfähige Ergebnisse erreicht; Kollege Körfges hat schon auf einige hingewiesen. Ich bin froh und dankbar, dass nicht nur die Beteiligung von Sachverständigen dabei geholfen hat; vielmehr konnten wir auch externes Wissen einbeziehen. So haben mehrere ausführliche Anhörungen dazu beigetragen; außerdem haben uns viele Zuschriften von außen erreicht. Dafür danke ich.
Manche geben Veranlassung – genauso wie mancher Redebeitrag hier –, das eine oder andere noch einmal genauer zu beleuchten.
Dazu gehört unter anderem die Eidesformel. Die Änderung der Eidesformel symbolisiert weder die Aufgabe des deutschen Volkes, noch steht sie für ein integrationspolitisches Zeichen, sondern sie stellt für die Regierungsmitglieder einen Bezug zum Land Nordrhein-Westfalen und zu den Staatsbürgern, die im Land Nordrhein-Westfalen leben, her.
Angelehnt an die historische Formulierung der Bayerischen Verfassung aus dem Jahr 1818, dem Schwur auf „des ganzen Landes allgemeines Wohl und Beste“, soll der Eid künftig auf das Wohl des Landes Nordrhein-Westfalen geleistet werden. Hier findet keine beliebige Ausweitung statt. Im Gegenteil – sie verpflichtet die Landesregierung und seine Mitglieder erstmals konkret auf das Staatsvolk des Landes Nordrhein-Westfalen und ist damit auch ein Ausdruck des Landesbewusstseins, das wir hier in 70 Jahren völlig zu Recht entwickelt haben.
Wir haben eine undifferenzierte Ausweitung der Eidesformel von vornherein abgelehnt. Entsprechend der Debatte um das Ausländerwahlrecht halten wir es bei dem Begriff des Volkes im Sinne des Grundgesetzes für zwingend, dass die Begriffe im Land Nordrhein-Westfalen und im deutschen Grundgesetz völlig übereinstimmen. Das Land NordrheinWestfalen als Rechtssubjekt erfasst nämlich nicht nur das Staatsgebiet, sondern auch das Staatsvolk des Landes Nordrhein-Westfalen.
aus dem Grundgesetz auch für das Staatsvolk des Landes Nordrhein-Westfalen. Nach der Intention des Grundgesetzes besteht das Volk aus den deutschen Staatsangehörigen. Dementsprechend findet ausdrücklich keine Ausweitung des Volksbegriffs im Rahmen der Eidesformel statt, da der Volksbegriff in Deutschland durch das Grundgesetz einheitlich definiert ist und jedenfalls in einer Eidesformel für Mitglieder der Landesregierung überhaupt nicht statuiert werden kann.
Nun gilt die Eidesformel für das Land NordrheinWestfalen, und damit eben auch für das Volk des Landes Nordrhein-Westfalen. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Präambel unserer Verfassung hinweisen, geschaffen von den Vätern und Müttern dieser Verfassung. Sie benennen am Ende nämlich auch den Verfassungsgeber. Verfassungsgeber sind die Männer und Frauen des Landes NordrheinWestfalen. Das sind nicht irgendwelche Einzelpersonen, sondern das ist das Staatsvolk im Sinne des Grundgesetzes im Bereich des Landes NordrheinWestfalen.
Das entspricht übrigens auch den Gedanken des Bundesverfassungsgerichts aus seinen Entscheidungen in den Jahren 1983 und 1990, die bis heute wegweisend sind. Ich zitiere aus diesen Entscheidungen den übereinstimmenden Satz:
„Die den Bundesländern zukommende Staatsgewalt kann gemäß Art. 20 Abs. 2, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG ebenfalls nur von denjenigen getragen werden, die Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG sind.“
So weit das Bundesverfassungsgericht. Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat recht. Das galt damals, und das gilt auch heute.
Der erstmalige Bezug für die Mitglieder der Landesregierung auf das Land Nordrhein-Westfalen ist Ausdruck des Selbstbewusstseins unseres Landes. Das Land Bayern schwört übrigens schon immer auf den Freistaat Bayern und auf seine Verfassung. Wenn wir das nach 70 Jahren jetzt auch tun, ist das sicherlich richtig.
Ich glaube, dass bleibendes Verdienst der Kommission sein wird, die Rechte des Parlaments als Ganzes, seiner Fraktionen und aller Abgeordneten erheblich verbessert zu haben. Mit der heutigen Beschlussfassung werden wir dem Landtag in seiner Rolle als Gesetzgeber gegenüber der Landesregierung eine stärkere Position verleihen, die Fraktionen entlang ihrer tatsächlichen Rolle durch eigene Regelungen in der Verfassung stärken und künftig alle Verfassungsrichter unmittelbar durch den Landtag wählen. Das sind wichtige Schritte zur Stärkung der
Die Zuständigkeiten des Verfassungsgerichtshofs beispielsweise für Nichtanerkennungsbeschwerden werden an einer wichtigen und entscheidenden Stelle erweitert.
Abschließend – im gesamtstaatlichen Rahmen wahrscheinlich eine Originalität –: Eine wichtige Vorschrift für das Land Nordrhein-Westfalen bleibt erhalten. Der Ministerpräsident oder die Ministerpräsidentin wird auch weiterhin aus der Mitte des Landtags gewählt.
(Michele Marsching [PIRATEN]: Total wich- tig! Megawichtig! Mensch, was würde das Land nur ohne diese Regelung machen?)
Auch das ist Ausdruck der starken Rolle des Landtags. Wir haben den Landtag, alle Abgeordneten und die Fraktionen gestärkt. Im Ergebnis ist das alles in allem ein vertretbarer Kompromiss. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Lienenkämper. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Engstfeld.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Lienenkämper, ich habe es Ihnen schon bei der Aussprache zur Arbeit der Verfassungskommission gesagt und sage es jetzt noch einmal: Falsches wird nicht richtiger, indem man es ständig wiederholt.
Ihre Behauptung, dass wir heute nicht die große Lösung diskutieren, weil diese an der Blockade von Rot-Grün gescheitert ist, ist nicht richtig. Sie waren es!
Ihre Fraktion hat es zu verantworten, dass wir heute keine große Lösung verabschieden, sondern nur das kleine Paket. Das wissen Sie ganz genau!
Eine moderne Landesverfassung, die von den Bürgerinnen und Bürgern gebilligt wird, ermöglicht in der Gegenwart wie auch in der Zukunft, die rechtlichen Grundlagen eines Landes allgemein akzeptiert und respektiert sowie entsprechend den neuen Gegebenheiten festzulegen.