Protocol of the Session on September 15, 2016

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/12855

Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/12934

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Piratenfraktion Herrn Lamla das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Freifunkengagierte! Liebes Backbone Team! Wir verfolgen ausschließlich gemeinnützige Ziele. Natürlich hat uns seit etwa eineinhalb Jahren die Arbeit mit Geflüchteten und für Geflüchtete massiv beschäftigt und sie beschäftigt uns weiterhin.

Ich zitiere an dieser Stelle Herrn Philip Berndroth, Vorstand des Freifunk Rheinland e. V., aus der Anhörung im Ausschuss für Kultur und Medien vom 3. Mai 2016.

Worum ging es da? Es ging um den Integrationsplan, um Hilfen für Geflüchtete. Vertreter des Freifunks saßen hier wie selbstverständlich gleichberechtigt am Tisch.

Da sind wir schon bei einem der Punkte im Katalog der gemeinnützigen Zwecke. § 52 Abs. 2 Nr. 10 Abgabenordnung: Hilfe für Verfolgte, für Flüchtlinge. In diesem Katalog sind noch 24 weitere Punkte, zum Beispiel Punkt 7: Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung. Auch das machen die Menschen vom Freifunk. Sie bieten regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen rund um die Nutzung und Entwicklung von offener Software, Netzsicherheit und um den Aufbau von gemeinschaftlich getragener Infrastruktur.

(Unruhe)

Ich warte, bis es ein wenig ruhiger wird. Ich höre mich kaum selbst. – Vielen Dank, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen.

Ich möchte noch Punkt 1 aufführen: Förderung von Wissenschaft und Forschung. Auch das ist ein originärer Zweck von Freifunk. Denn die Freifunkenden selbst betreiben wissenschaftliche Forschung an Netzwerktechnologie und Infrastruktur. Teilweise haben sich sogar Universitäten mit an das Freifunknetz geklemmt, um wertvolle Informationen über MeshNetzwerke zu bekommen.

Viele andere Punkte aus dem Katalog sind nicht so unmittelbar wie diese genannten, aber dennoch mittelbare Zwecke von Freifunk: Förderung von Kunst und Kultur. Förderung von Jugend- und Altenhilfe. Förderung eines bürgerschaftlichen Engagements zugunsten mildtätiger Zwecke. Wenn nicht sogar fast alle Zwecke in der Abgabenordnung haben irgendwie Bezug zur Freifunkidee.

Jetzt geht es hier um die Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Wie kommt es dazu? Bundesweit – auch in NRW – werden Freifunkvereine nicht einheitlich als gemeinnützig anerkannt. Ein mehr oder weniger cleveres Kerlchen aus der SPD-Bundestagsfraktion,

Herr Dirk Wiese, hat beim Bundesfinanzministerium nachgefragt: Wie ist es denn mit dem Freifunk und der Gemeinnützigkeit? Die vom Bundesfinanzministerium haben gesagt: Freifunk: gemeinnützig? Nein.

Grundlage dieser Einschätzung war eine völlig unzureichende Recherche und mangelnde Kenntnis sowohl auf organisatorischer als auch auf konzeptioneller und vor allem auch technischer Ebene. Aber nun hatten wir diesen Salat.

Netterweise lautete die Antwort der NRW-Landesregierung darauf umgehend „Doch!“, und wir werden uns auf Bundesebene dafür einsetzen, dass es so bleibt bzw. so kommen wird.

An dieser Stelle würde ich mich ganz gerne persönlich bei Herrn Minister Lersch-Mense bedanken, aber leider ist er jetzt nicht da.

(Minister Michael Groschek: Ich gebe es wei- ter!)

Vielen Dank.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir Piraten arbeiten eigentlich in Sachen Freifunk ganz gut mit der Landesregierung zusammen. Aber warum wendet man sich zuerst an die Bundesebene? Warum trifft das NRW-Finanzministerium nicht selbst eine Entscheidung dazu? Zuständig ist doch eigentlich erst einmal unser Finanzminister Dr. Walter-Borjans. Leider ist er auch nicht da. Warum äußert sich an dieser Stelle zuerst der Medienminister und nicht der eigentlich zuständige Finanzminister?

Angenommen – wirklich nur einmal angenommen –, keiner der Punkte aus der Abgabenordnung würde unmittelbar für Freifunk gelten. Dann läge es an der obersten Finanzbehörde in NRW, zu entscheiden. So einfach ist das eigentlich.

Wir sind uns eigentlich alle einig darüber, dass wir mit dem Freifunk die Allgemeinheit selbstlos fördern. Deshalb muss NRW in dieser Hinsicht sofort aktiv werden; denn, glauben Sie mir, niemand will hier vor dem Finanzgericht klagen, ob Freifunk gemeinnützig ist oder nicht. Das ist nun mal eine politische Frage, die wir hier klären können.

Als bevölkerungsreichstes Bundesland können wir hier in NRW wieder einmal Vorreiter in Sachen Freifunk sein. Also, lassen Sie uns die Chance ergreifen.

Unser Antrag wird übrigens, entgegen der Verlautbarung in der ersten Version der Tagesordnung, direkt abgestimmt. Zwischenzeitlich haben SPD, Grüne und FDP sich zu dem Sachverhalt mit einem eigenen Antrag positioniert, weshalb ich denke, dass eine Diskussion in den Ausschüssen hinfällig geworden ist.

Trotzdem werden wir Piraten der Landesregierung natürlich auf die Finger schauen, ob sie auch wirklich

an der Anerkennung der Gemeinnützigkeit für Freifunkvereine arbeitet. – Meine Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Lamla. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Vogt.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Freier Zugang zum Internet ist für viele Menschen wichtig – ob im Café oder in Bildungseinrichtungen. Wir sind uns einig, dass unter wirtschaftlichen, kulturellen und natürlich auch unter Bildungs- und Teilhabeaspekten ein freier Zugang zum Netz sinnvoll ist. Dies hat Nordrhein-Westfalen früher als viele andere Bundesländer erkannt. Die Landesregierung und auch wir hier im Landtag haben uns frühzeitig dafür eingesetzt, dass die Rahmenbedingungen für Initiativen, die offene WLANZugänge einrichten, verbessert werden.

Wir haben hier gemeinsam mit Piraten, Grünen und SPD im Juni 2015 einen Antrag beschlossen, der besagt, dass Gebäude, die in Landeseigentum stehen, leichter für offene WLAN-Projekte zugänglich gemacht werden sollen. Wir haben beschlossen, dass die Vorteile und Möglichkeiten von Freifunk besser dargestellt werden sollen, und wir haben darüber hinaus finanzielle Förderungen beschlossen.

Diese Projekte wurden alle auf den Weg gebracht, aber Nordrhein-Westfalen war auch auf Bundesebene aktiv. Insbesondere beim Thema „Störerhaftung“ war diese Landesregierung engagiert und hat mit dafür gesorgt, dass dieses Problem für offene WLAN-Anbieter gelöst wurde.

Ein weiteres Projekt des Landes trägt den Titel „100xWLAN“. Hierzu stehen 1 Million € zur Verfügung, mit denen ebenfalls in Zusammenarbeit mit Freifunkinitiativen Landesgebäude mit freien WLANZugängen ausgestattet werden.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, vieles ist auf den Weg gebracht. Vieles, was gut läuft, wird ehrenamtlich organisiert. Die Errichtung der Router, der Netzwerke und auch die Vermittlung von Medienkompetenz werden von vielen Ehrenamtlern geleistet. Das Ehrenamt ist häufig in Vereinen organisiert. Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit dieser Vereine würde ihre Arbeit in vielen Fällen erleichtern.

Das CDU-geführte Bundesfinanzministerium

(Zuruf von Robert Stein [CDU])

weiß dieses Engagement – Herr Stein, Sie nicken – aber anscheinend nicht richtig zu schätzen. Das Schäuble-Ministerium erteilte einer generellen Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Freifunkvereinen eine Absage.

Ja, es gibt derzeit auch in NRW einzelne Vereine, denen die Gemeinnützigkeit anerkannt wurde, beispielsweise über die Argumentation, zur Bildung beizutragen.

Wir als SPD wollen eine rechtssichere Regelung, die die Arbeit der Freifunkvereine erleichtert und auf einen sicheren Boden stellt. Darum fordern wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner in unserem Antrag nicht nur eine weitere ideelle und finanzielle Unterstützung der Freifunkinitiativen durch die Landesregierung, sondern wir fordern auch, dass sich NRW auf Bundes- und EU-Ebene weiterhin für gute Rahmenbedingungen zur Einrichtung offener WLANZugänge einsetzt. Schließlich soll sich NRW für eine umfassende Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Freifunkinitiativen starkmachen.

Dass dies nicht immer einfach ist – Sie hatten es gerade schon angesprochen, Herr Lamla –, sehen wir auch bei der Diskussion um Gemeinnützigkeit von Journalismus. Die FDP hat hierzu einen zusätzlichen Antrag gestellt. Grundsätzlich sind wir darüber noch in der Diskussion, Herr Nückel. Das heißt, wir haben es nicht abgelehnt. Aber wir wollen beim Thema „Gemeinnützigkeit von Journalismus“ durchaus ein paar andere Rahmenbedingungen setzen. Wir haben andere Arbeitsbedingungen, wir haben andere Player, wir haben die Journalistenverbände, die dazu sehr differenziert Stellung nehmen, weshalb wir diese beiden Themen nicht einfach in einem Antrag mixen können.

Unser Antrag ermöglicht der Landesregierung mehrere Optionen, im Bereich Freifunk Rechtsanwendung und Rechtsfortbildung im Sinne der Vereine zu erzielen. Nur auf die Abgabenordnung Bezug zu nehmen, ist uns zu wenig. Sie sehen: Wir wollen NRW weiterhin als das Unterstützerland für offene WLANZugänge voranbringen und werben um Zustimmung für unseren Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Vogt. – Nun spricht Herr Bolte für die Grünenfraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Lamla, Sie haben eben gesagt, wir hätten uns zwischenzeitlich zu dieser Frage positioniert. Wir haben die Anträge am selben Tag eingebracht. Das muss man der guten Ordnung halber vielleicht für das Protokoll festhalten. Mit dem Entschließungsantrag der FDP haben wir erst recht nichts zu tun. Das wollte ich nur zur Klarstellung sagen, gerade weil wir uns in Bezug auf das Ziel an so vielen Stellen einig sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach der Nachrichtenlage scheint heute schon ein ganz guter Tag für die digitale Teilhabe zu sein.

Der Europäische Gerichtshof hat heute eine weitere grundsätzliche Klärung zur Frage der Störerhaftung, die uns ja im Zusammenhang mit Freifunk immer wieder beschäftigt hat, erzielt. Man muss bei diesem Urteil sicherlich noch auswerten, wo sich daraus gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt und ob es nicht vielleicht doch wieder Hintertüren für die Abmahnindustrie gibt, so wie das auch in der bundesrechtlichen Regelung an einigen Stellen zu sein scheint.

Dem Grunde nach ist heute ein guter Tag, weil der EuGH klargestellt hat, dass WLAN-Betreiber nicht für das haften, was über ihre Netzwerke abgewickelt wird. Diese Klarstellung ist – so einfach sie eigentlich klingt – erst mal gut.

Die Klarstellung klingt einfach. Wenn man sich aber die Geschichte anschaut, dann sieht man, wie lange es in Deutschland gedauert hat, diese doch eigentlich relativ einfache Frage der Haftungsfreistellung final zu klären. Das war für den WLAN-Ausbau in Deutschland und die Sicherung der digitalen Teilhabe schlecht. Umso wichtiger war es, dass sich in den vergangenen Jahren schon so viele Freifunkerinnen und Freifunker dieser Frage gewidmet und mit großem Engagement für digitale Teilhabe gesorgt haben.

Wir waren als Land in dieser inhaltlichen Frage immer klar. Wir waren auch bei der Schaffung von Rahmenbedingungen klar. Wir haben aber auch seit vielen Jahren und auch schon viel länger als andere Länder bereits an der Seite der engagierten Freifunkerinnen und Freifunker gestanden. Wir haben es gerade schon gehört: Wir fördern den Freifunk im Rahmen der Medienkompetenzförderung, wir fördern den Aufbau von Infrastrukturen. Außerdem macht das Land – das hat auch der Kollege Lamla gerade schon angesprochen – seine Liegenschaften für Freifunk zugänglich.

Wir wollen einen weiteren Schritt gehen und uns für die Gemeinnützigkeit von Freifunk einsetzen, denn das Engagement für digitale Teilhabe wird nicht nur durch viele engagierte Einzelpersonen, sondern auch durch viele engagierte Vereine vor Ort getragen. Gerade für Freifunkvereine wächst auch ein Stück weit mit dem Anwachsen der Bewegung in den letzten Jahren immer stärker die Herausforderung, von den Finanzbehörden in ihrer Gemeinnützigkeit anerkannt zu werden. Es gibt in Nordrhein-Westfalen anerkannte Vereine, es gibt aber auch andere Fälle, wo das eben nicht gelungen ist. Da gibt es bisher keine generelle Klärung.

Deshalb macht es Sinn, jetzt politisch aktiv zu werden und das zu ändern, denn klar ist, dass Freifunk einen Mehrwert für alle bietet. Ich weiß auch – das müssen wir als Fachkolleginnen und -kollegen noch einmal betonen, weil es für viele noch unklar ist –,

dass Freifunk weit mehr ist, als einfach nur kostenloses Internet bereitzustellen.