Die durchaus wünschenswerte weitere steuerliche Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen – das müsste Sie doch interessieren. Schließlich interessieren Sie sich doch auch für die Entlastung der kleinen Einkommen, Herr Lindner.
Die durchaus wünschenswerte weitere Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen ist auch machbar, und zwar unter zwei Voraussetzungen: erstens, wenn sie klar und unmissverständlich auf die kleinen und mittleren Einkommen beschränkt wird und dabei insbesondere auf die fokussiert wird, die Kinder betreuen und erziehen, und zweitens,
wenn der damit verbundene Einnahmeausfall solide gegenfinanziert ist. Es kann nicht sein, dass sich Herr Schäuble für Steuergeschenke feiern lässt, von jeder Milliarde Euro Einnahmeverzicht aber rund die Hälfte auf Länder und Kommunalhaushalte entfällt.
Das wären etwa 60 Millionen € weniger für unseren Landeshaushalt und rund 45 Millionen € weniger für die NRW-Kommunen.
Ja, es geht aber auch nicht darum, wie das häufiger dargestellt wird, dass die Menschen etwas schenken. Es geht hier um Leistung und Gegenleistung, und es geht darum, dass Sie nicht aufhören, Anträge dazu zu stellen, was alles verstärkt und verbessert werden kann, den Menschen aber vorgaukeln, das
alles könnten sie mit weniger Geld bekommen. Das ist die FDP-Philosophie, weil Sie wahrscheinlich die Marktkräfte entfesseln.
Die Gegenfinanzierung kann nicht aus den zeitlich beschränkt konjunkturell sprudelnden Einnahmen kommen. Die gehören in die Investitionen. Die Gegenfinanzierung muss aus den seit Jahren verstopften Steuerquellen kommen. Das sind die Steuerquellen von den Starbucks, Apples, Googles und auch deutscher Konzerne.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Wer hat das Thema denn aufgemacht? Wer war das? Wir waren das!)
Die machen nämlich mit der Kaufkraft hierzulande Geschäfte, drücken sich aber vor der finanziellen Beteiligung. Deshalb treten wir dafür ein, dass Gewinne nicht mehr durch überhöhte Lizenzgebühren oder Darlehenszinsen einer Konzernholding in Steueroasen verschoben werden können.
Meine Damen und Herren, die Aufgaben werden nicht weniger. Im Gegenteil: Wir erleben bei den Anträgen, die hier immer wieder gestellt werden, und lesen immer wieder in den Zeitungen von Defiziten. Neben den pauschalen, nicht spezifizierten, nicht konkretisierten Aussagen, wo man etwas weniger ausgeben könnte, lese ich immer konkret, wo es fehlt. Das zeigt am Ende auch, wo die Herausforderungen liegen, und die werden nicht kleiner, sie werden größer.
Deswegen erhöhen wir mit diesem Haushalt 2017 auch ganz bewusst die Stellenzahl um 2.661 Stellen in den Bereichen Bildung, Polizei und Justiz. Es ist schon bemerkenswert, dass noch vor einigen Jahren die Forderung gestellt wurde, 14.000, 15.000 Stellen abzubauen, dass in der letzten Zeit aber nur noch zu hören ist, wo in der Polizei, der Schule, der Justiz, der Finanzverwaltung und vielen anderen Bereichen Stellen fehlen, die wieder eingerichtet werden müssen. Interessanterweise betrifft dies Bereiche, in denen mit falscher Rotstiftpolitik vor Jahren noch zu den heutigen Defiziten beigetragen worden ist.
Wir haben das Personal seit 2010 um gut 11.000 Stellen aufgestockt, unter anderem um 1.500 Polizeibeamte, 1.300 Justizbeamte, 6.200 Lehrerinnen und Lehrer. Zusätzlich haben wir auch die Finanzmittel, die zur Ausstattung dazugehören, wenn man Stellen schafft, aufgestockt.
Obwohl wir all diese Anstrengungen unternehmen, setzen wir zugleich den Pfad der Konsolidierung fort, weil wir konjunkturbedingte Mehreinnahmen nutzen und keine Steuersenkung versprechen, die für 5 €
mehr in der Tasche sorgen, dafür aber dringend notwendigen Ausgaben die Grundlagen entziehen. Darin – das wissen wir – steht im Übrigen die große Mehrheit der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen hinter uns.
Lassen Sie uns in den Haushaltsberatungen, die jetzt anstehen, in den nächsten Wochen hart, aber fair um den richtigen Weg für unser Land ringen. Aber lassen Sie uns bei allem heraufziehenden Wahlkampfgetöse die Stärken unseres Landes, seine Lebensqualität und die Einsatzbereitschaft der Menschen nicht zerreden. Ich glaube, das hat dieses Land verdient.
Und dazu gehört, dass konsolidiert und investiert wird und dass wir hier nicht zulasten des einen kaputtsparen und die Zukunft dieses Landes verbauen, sondern dass wir Wege dafür ebnen, dass dieses Land sich in seiner wirtschaftlichen Stärke weiterentwickeln kann und den sozialen Zusammenhalt, der uns bekannt gemacht hat, auch behält. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Finanzminister. – Ich eröffne die Aussprache, und als erster Redner hat für die CDU-Fraktion ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Kollege Laschet, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerpräsidentin, erinnern Sie sich noch an den 15. September 2010? Da standen Sie an diesem Pult und haben vor exakt sechs Jahren hier Ihre erste Regierungserklärung abgegeben.
Sie haben damals nicht gesagt: Meine absolute Priorität ist die Konsolidierung der Haushalte. – Sie haben nicht wie viele Ihrer Vorgänger – Steinbrück und Clement – gesagt: Meine absolute Priorität sind die Wirtschaftspolitik und neue Arbeitsplätze. – Sie haben auch nicht gesagt: Mein Herzensanliegen ist die innere Sicherheit. – Vielmehr haben Sie George W. Bush zitiert, also den bösen Bush, den Sohn – Bush, „Irak-Bush“ –, und gesagt: „No child left behind“. – Das haben Sie mit „Kein Kind zurücklassen“ richtig übersetzt.
Deshalb will ich mich am heutigen Tag diesem Thema widmen und frage Sie: Was ist eigentlich aus dem Schwerpunkt Ihrer Regierungserklärung an diesem Pult vor sechs Jahren geworden?
Sechs Jahre später konstatiert zum Beginn dieser Woche nach vier anderen Instituten, die das bereits gemacht haben, nämlich die Hans-Böckler-Stiftung, der Paritätische Wohlfahrtsverband, der Bremer
Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe, nun ausgerechnet Ihr Projektpartner, die Bertelsmann Stiftung: In keinem anderen westdeutschen Flächenland gibt es eine höhere Kinderarmutsquote als in Nordrhein-Westfalen.
In allen ostdeutschen Bundesländern – ich wiederhole: in allen ostdeutschen Bundesländern – und in Berlin ist die Kinderarmutsquote seit 2011 gesunken, in den drei ostdeutschen Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Thüringen liegt sie mittlerweile unter der von Nordrhein-Westfalen.
542.000 Kinder leben von Hartz IV, das waren 36.500 mehr als 2011. Das heißt übersetzt: Als die Regierung Rüttgers Ihnen 2010 Ihre Ämter übergeben hat, noch in der Welt- und Finanzmarktkrise …
Herr Minister Jäger hat gerade gesagt: In welchem Zustand? – Ja, in einem Zustand, in dem 36.500 Kinder weniger in Armut waren als heute. Das war der Zustand.
Und es ist eine ganz einfache Feststellung – Faktencheck –: 36.500 Kindern ging es unter CDU und FDP besser als nach sechs Jahren rot-grüner Regierungszeit.
Nun haben Sie – die Formel „Kein Kind zurücklassen“ wurde immer wieder gebraucht – vor sechs Jahren an diesem Pult gesagt: Wir bekennen uns offen und selbstbewusst dazu, dass wir für diese Aufgabe höhere Ausgaben und vielleicht sogar Schulden machen müssen. – Das ist dann ein paar Tage später auch im Parlament so beschlossen worden. 2 Milliarden € mehr wurden aufgenommen.
Das sollte – der Finanzminister hat heute noch einmal versucht, das zu erklären – die neue Form von Investitionen sein – wie gesagt, 2 Milliarden € mehr –, mit dem Versprechen, dass es den Menschen letztendlich besser gehe und dass am Ende sogar mehr Geld hereinkomme; denn das
Es wurden also 2 Milliarden € mehr im Nachtragshaushalt 2010 zur Verfügung gestellt. Daraufhin sind wir nach Münster gezogen, und Münster hat entschieden, dass diese neue Erfindung von Präventionspolitik, die eigentlich nur Schulden bedeutet, mit der Landesverfassung nichts zu tun hat. Das Gericht hat dann in einem einmaligen Vorgang – so etwas hat es in der deutsche Rechtsgeschichte noch nie gegeben – per einstweiliger Verfügung untersagt, diese Schulden zulasten der Kinder und der Menschen in Nordrhein-Westfalen zu machen.