Protocol of the Session on September 14, 2016

Der Blog, auf den Sie sich bei den „Ruhrbaronen“ beziehen, berichtet über ein Arbeitsgerichtsverfahren. Eine Mitarbeiterin hat sich gegen ihre Kündigung gewehrt. Das ist ihr gutes Recht. In der Beweisaufnahme – es ging um einen Arbeitsgerichtsprozess – sagt diese Mitarbeiterin gegen ihren Arbeitgeber aus, dass es dort die beschriebenen schlimmen Zustände gibt. Mehr nicht. Das ist keine festgestellte Schuld des Einrichtungsleiters, sondern das sind Aussagen einer Frau, die gegen ihre Kündigung klagt, gegen den Einrichtungsleiter.

Daraus können Sie doch nicht mal eben eine Tatsachenfeststellung machen. Sind Sie das Gericht, das darüber urteilt? Wenn ich derjenige wäre, der so angegriffen wird, würde ich gegen Sie eine Unterlassungsklage anstellen. So können wir doch nicht damit umgehen und vorhandene Probleme nur dazu

benutzen, um am Ende gegenüber dem Innenministerium irgendwie einen Punkt zu machen. Herr Kuper, das versuchen Sie ja auch immer wieder.

Wenn es Ihnen wirklich um die Sache geht, dann setzen Sie sich mit den realen Strukturen auseinander, die wir aufgebaut haben! Da kann man immer draufgucken; man kann immer alles besser machen. Missständen muss nachgegangen werden. Damit beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft, und dann geht das seinen Gang. Aber über diese Vorwürfe zu richten, ist nicht Ihre Aufgabe, Frau Brand. Dafür sind in diesem Land immer noch die Gerichte zuständig. Das ärgert mich an diesem Antrag in der Tat.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Dr. Stamp.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den Vorfällen in Burbach, als der Minister stark in der Kritik stand, haben wir den Flüchtlingsgipfel gehabt. Wir haben uns viel vorgenommen, und einiges ist auch auf den Weg gebracht worden. Manche Umsetzung war sicherlich nicht ganz so einfach möglich in der Zeit, als es vor allem darum ging, gemeinsam mit dem Kommunen Obdachlosigkeit zu verhindern.

Aber die Zeiten haben sich geändert. Wir haben deutlich geringere Flüchtlingszahlen. Trotzdem haben wir Missstände, die von den Piraten richtig beschrieben worden sind.

Insofern sind Sie, Herr Minister, auch in der Verantwortung, zu handeln. Da muss das Land besser werden. Hier haben die Piraten von der Richtung her recht.

Das Problem ist aber – bei aller Leidenschaft, die ich der Kollegin Brand nicht absprechen möchte –, dass das Kind in diesem Antrag ein bisschen mit dem Bad ausgeschüttet wird, indem Sie ein so überbürokratisiertes Berichtswesen fordern, dass es von den Kapazitäten, die wir einsetzen können, nicht hilfreich ist.

Ihr Vorschlag ist in Gänze zu überbürokratisiert. Deshalb wird die FDP-Fraktion nicht zustimmen. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Stamp. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr ver

ehrten Damen und Herren! Gewalt und Misshandlung, insbesondere sexualisierte Gewalt, sind verwerflich und werden durch Polizei und Justiz konsequent verfolgt, unabhängig davon, wo sie geschehen – auch in Flüchtlingsunterkünften.

Trotzdem gibt es gute Gründe unterschiedlichster Art, diesen Piratenantrag abzulehnen. Er enthält zum Beispiel Forderungen, die sowohl fachlich als auch rechtlich, diplomatisch formuliert, bedenklich sind, während andere Forderungen längst umgesetzt sind. Qualitätsstandards, Einhaltung der Qualitätsstandards und regelmäßige Überprüfung durch mobile Teams sind Standard. Polizei und Verfassungsschutz überprüfen das Sicherheitspersonal für seinen Einsatz auf Unbedenklichkeit.

Die Landesregierung setzt sich in diesem Zusammenhang auf Bundesebene seit Langem für eine Verschärfung der Anforderungen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wachdienste in den Flüchtlingsunterkünften ein. Der Bundesrat hat sich übrigens auf unsere Initiative hin dafür ausgesprochen, bei der Zuverlässigkeitsprüfung verpflichtend auch die Verfassungsschutzbehörden zu beteiligen.

Darüber hinaus sollen die Sicherheitsbehörden verpflichtet werden, nachträglich bekannt gewordene relevante Informationen zur Beurteilung der Zuverlässigkeit unverzüglich an die zuständigen Behörden zu übermitteln. Verfassungsschutz und Polizei, Frau Brand, dürfen dabei aber nur im Rahmen ihrer Befugnisse aktiv werden. Darauf will ich später noch einmal eingehen.

Meine Damen und Herren, wir achten bei sämtlichen Standortplanungen schon jetzt auf Belange schutzbedürftiger Personen. Der präventive Schutz in den Landeseinrichtungen ist seit 2015 durch Qualitätsstandards, bauliche Maßnahmen, ortsangepasste Sicherheitskonzepte sowie die Schulung aller Beteiligten vor Ort verstärkt worden.

Auf schutzbedürftige Personen wird schon jetzt bei der Belegung besonders geachtet. So werden beispielsweise alleinreisende Frauen, Kinder und Menschen verschiedener sexueller und geschlechtlicher Identitäten grundsätzlich in eigenen Bereichen oder Gebäudeteilen untergebracht. Darüber hinaus gibt es inzwischen mehrere besondere Einrichtungen für schutzbedürftige Personen, und wir werden noch weitere errichten.

Die Landesregierung duldet in den Landeseinrichtungen weder Gewalt noch Verfolgung noch Unterdrückung. Deshalb haben wir gemeinsam mit den NGOs aus Flüchtlingshilfe- und Frauenhilfeinstitutionen sowie aus Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe ein umfangreiches Gewaltschutzkonzept entwickelt, das sich in den letzten Zügen der Fertigstellung befindet. Damit werden übrigens verbindliche Standards für Landeseinrichtungen vorgeschrieben. Das Konzept

soll auch den Kommunen als Modell vorgeschlagen werden.

Was die Forderung nach einer Dokumentation von Beschwerden betrifft, so ist das bereits gelebte Praxis. Schon heute werden Beschwerden, die Flüchtlinge gegenüber einer dezentralen Beschwerdestelle vorbringen, dokumentiert; Frau Düker hat es vorhin schon erwähnt. Beschwerden grundsätzlicher Art werden stets der überregionalen Koordinierungsstelle gemeldet.

Alle Einrichtungen, alle Beschwerdestellen sind sensibilisiert, wenn es einen Anhaltspunkt für sexuellen Missbrauch gibt. Die Sicherung und Erhebung solcher Beweise obliegt jedoch ausschließlich den Strafverfolgungsbehörden. Und wenn die Polizei Verdachtsfälle mitgeteilt bekommt, geht sie diesen Taten grundsätzlich nach.

In Ihrem Antrag, Frau Brand, erheben Sie drei Vorwürfe, auf die ich im Folgenden näher eingehen möchte.

Erstens. Die Verletzungen des im Antrag erwähnten Mädchens haben sich nach den Ermittlungen als eine beim Spielen selbst beigebrachte Verletzung erwiesen.

Zweitens. Die Nichtanzeige eines Falles von schwerer körperlicher Misshandlung führte zu polizeilichen Ermittlungen bezüglich dieses Verdachts häuslicher Gewalt und des Verdachts der Strafvereitelung gegen den Leiter der Einrichtung. Frau Brand, beide Ermittlungsverfahren wurden inzwischen von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

Drittens. Es ist nicht zutreffend, dass ausschließlich pauschalierte Abrechnungen mit den Einrichtungen zum Zuge kommen, wie Sie es behaupten. Vielmehr wird mit der Mehrzahl der Betreuungsverbände spitz abgerechnet.

Frau Brand, zu guter Letzt, hat es hat in der Tat den Fall gegeben, dass bei einem Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens auf dessen Facebook-Profil ganz offensichtlich rechtsradikales Material gepostet wurde. Lassen Sie mich dazu feststellen, was Aufgabe von Staatsschutz bei Polizei und Verfassungsschutz ist.

So wie wir die Sicherheitsüberprüfung vorgegeben haben, ist durch beide Institutionen zu prüfen, ob in der Vergangenheit im Informationsverbund des Verfassungsschutzes oder der Polizei Straftaten oder Auffälligkeiten dokumentiert worden sind. Der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen hat allein bei 6.000 Menschen, die bei Sicherheitsunternehmen beschäftigt sind, eine solche Sicherheitsüberprüfung durchgeführt.

Insgesamt führt der Verfassungsschutz von Nordrhein-Westfalen im Jahr 150.000 Sicherheitsüber

prüfungen durch. Diese Menschen haben in der Regel nichts getan, außer dass sie bei einer Flughafengesellschaft, einem Ministerium oder in einem Sicherheitsunternehmen beschäftigt werden wollen.

Was Sie jetzt dem Verfassungsschutz vorwerfen, würde im Grunde nichts anderes bedeuten, als in 150.000 Fällen Menschen temporär oder dauerhaft auf ihre politische Gesinnung hin bei Facebook zu überprüfen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das ist eine bigotte Haltung von Ihnen und Ihrer Fraktion, wenn Sie einerseits den Verfassungsschutz insgesamt als eine Behörde, die Extremismus aufdecken und die Öffentlichkeit informieren soll, ablehnen und ihm andererseits sozusagen als Schnüffelbehörde Zuständigkeiten zugestehen wollen, die in einem Rechtsstaat schlichtweg nichts zu suchen haben. Frau Brand, das ist eine bigotte Haltung.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Die Landesregierung hat ihre Redezeit um 50 Sekunden überschritten. Als Nächstes hat sich für die Fraktion der Piraten noch einmal Frau Kollegin Brand für einen kurzen Beitrag gemeldet.

Danke noch einmal. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte schon in meinem mündlichen Beitrag gesagt, dass abgewartet werden muss, was sich von den Vorwürfen tatsächlich bewahrheitet. Ich habe nicht gesagt, dass das alles wahr ist. Da ermittelt die Staatsanwaltschaft; das ist klar.

Ich verstehe immer noch nicht, warum Frau Düker von einer „umfassenden Profilerstellung des Verfassungsschutzes“ spricht. Sie werfen uns vor, wir würden wollen, dass der Verfassungsschutz Menschen ausschnüffelt.

Dem ist nicht so; ich habe vielmehr von dem geredet, was hier in Deutschland jeder Arbeitgeber macht, bevor er jemanden einstellt oder zum Vorstellungsgespräch einlädt: Er googelt kurz den Namen oder geht auf das Facebook-Profil und schaut sich an, mit wem er es zu tun hat: Befinden sich da Partyfotos? Oder findet man vielleicht rechtsradikales Material?

(Minister Ralf Jäger: Die dürfen das aber auch!)

Da geht es nicht um Schnüffeln durch den Verfassungsschutz.

Und noch eine Sache: Sie haben auf mehrere Fragen meiner Kleinen Anfrage antworten lassen: Beschwerden werden nicht dokumentiert. – Dann

stimmt entweder diese Antwort nicht, oder das, was Sie vorhin gesagt haben, ist falsch. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Brand. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Wir sind am Schluss der Aussprache.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der Piraten hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/12841. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/12841 abgelehnt mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP bei Zustimmung der Fraktion der Piraten und Enthaltung der CDU-Fraktion.

Ich rufe auf:

7 Rot-grüne Landesregierung gegen „durch

grünte Gesellschaft“ – Den Worten jetzt Taten folgen lassen!

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/12833