Protocol of the Session on July 8, 2016

Verräterisch finde ich auch den Hinweis auf Seite 3 dieses Papiers auf weitere Finanzierungsquellen für Verkehrsinvestitionen im Bundeshaushalt. Dort werden ausdrücklich Regionalisierungsmittel und Entflechtungsmittel genannt. Deshalb sage ich, was die Finanzierung der Maßnahmen durch den Bund angeht: Vorsicht an der Bahnsteigkante!

Dennoch hoffen wir mit Ihnen gemeinsam, dass alles so kommen wird, wie wir es uns mit den Nachbesserungen wünschen; denn Nordrhein-Westfalen ist gut vorbereitet. Nordrhein-Westfalen ist gut vorbereitet, weil diese Landesregierung mit diesem Verkehrsminister, Mike Groschek, das erst gestoppt und dann korrigiert hat, was Sie von CDU und FDP zwischen 2005 und 2010 versaubeutelt haben.

Sie haben von 2006 bis 2010 Ingenieurinnen und Ingenieure im Umfang von 130 Vollzeitäquivalenten abgebaut. Wir haben dafür gesorgt, dass Ende Februar 2016 über 1.500 Vollzeitäquivalente von Ingenieurinnen und Ingenieuren planen und bauen konnten und darüber hinaus 54 Millionen € für externe Ingenieurleistungen zur Verfügung stehen. Deshalb steuert der Landesbetrieb Straßen.NRW auf einen Umsatzrekord von bis zu 1,25 Milliarden € hin.

Wir sind vorbereitet. Das wüssten Sie auch, wenn Sie die Antworten der Landesregierung auf Ihre eigenen Kleinen Anfragen einmal lesen würden.

Aber noch wichtiger als ein verbesserter Bundesverkehrswegeplan, dessen finanzielle Absicherung und eine entsprechend leistungsfähige Straßenbaugesellschaft ist für den von Ihnen gewünschten Aufbau West das Lösen, wie Herr Minister Mike Groschek immer betont, der wahren Investitionsbremse in unserem Land, nämlich das Lichten des Planungsdschungels oder auch der Abriss der Klagemauer.

Wenn wir weiterhin von der Investitionsentscheidung bis zum ersten Spatenstich beispielsweise für den Ersatzbau einer Brücke sieben Jahre brauchen, werden wir nicht weiterkommen – selbst mit noch so viel Geld und noch so vielen Planern nicht.

Schneller, kürzer, einfacher – das muss die Parole für die Zukunft sein. Wir müssen alle begreifen, dass Vereinfachung und Beschleunigung nicht zulasten von Umweltschutz und Bürgerbeteiligung gehen müssen, sondern im Gegenteil diese stärken können.

Herr Kollege Becker, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Voussem entgegennehmen?

Ich würde gerne noch den letzten Satz sagen; dann kann er ihn nämlich mit einbauen.

Dann bauen wir ihn dann ein.

Vor allem aber – und damit wollte ich zum Schluss kommen – brauchen wir eine Politik mit Rückgrat, eine Politik der klaren und eindeutigen Linien. Das heißt: So etwas wie die CDU brauchen wir nicht – eine CDU, die hier im Landtag die Landesregierung und die rot-grüne Koalition als Bremser und Verhinderer darstellen will, sich aber selbst vor Ort als größter Verzögerer erweist, zum Beispiel in Leverkusen, wo Sie ankündigen, den geplanten Ausbau der A1 zu verzögern.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Nor- wich Rüße [GRÜNE]: Ach, so ist das!)

Eine solche CDU ist genauso überflüssig wie der nächste Antrag zum Bundesverkehrswegeplan von Ihnen, der sicher kommen wird, den wir aber mit der gleichen Sicherheit wie diesen hier ablehnen werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Voussem, haben Sie jetzt noch eine Frage? – Bitte schön.

Herr Präsident, ganz herzlichen Dank. – Lieber Kollege Becker, ich wollte Ihre Vorlesung hier nicht stören. Aber aufgrund Ihres letzten Satzes möchte ich Sie gerne fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass ein Ratskollege der SPD aus Leverkusen zum zivilen Ungehorsam und damit zu rechtswidrigem Verhalten aufgerufen hat, nämlich dazu, das Leverkusener Autobahnkreuz zu besetzen, weil man dort mit diesen Dingen auch nicht einverstanden ist.

Meine eigentliche Frage und der Grund für meine Wortmeldung war allerdings, ob Ihnen bekannt ist, dass die Stellenübersicht für Ingenieure und Techniker im Landesbetrieb Straßen.NRW im Jahr 2010 noch 1.559 Köpfe bzw. besetzte Stellen ausgewiesen hat, im Jahr 2013 – immerhin nach drei Jahren Regierungsverantwortung von Rot-Grün; schließlich sprechen Sie immer vom Abbau – 1.486 Stellen und auch im Jahr 2014 nur 1.503 Stellen. Damit sind immer noch weniger Stellen besetzt als zur Zeit der Regierungsübernahme von Schwarz-Gelb. Meine

Frage ist, ob Ihnen das bekannt ist.

(Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

Das war jetzt eine sehr lange Frage, Herr Voussem. Wir wollen einmal schauen, ob es eine kurze Antwort darauf gibt.

Vor allen Dingen waren es zwei Fragen. Darf ich mir jetzt eine aussuchen?

Wir stellen im Prinzip immer nur eine Frage. Aber ich habe es so verstanden, Herr Kollege, dass das eine Einleitungsbemerkung mit einer anschließenden Frage war.

Ja, genau.

Sie war ein bisschen länger. Aber die Sommerpause ist ja auch etwas länger. – Jetzt kommt die Antwort; aber bitte nicht zu lang. Bitte schön.

Gut; dann will ich einmal so anfangen: Die Sache aus Leverkusen ist mir bekannt. Ich will aber gleichwohl sagen, dass ich schon einen Unterschied sehe, ob ein einzelnes Mitglied einer großen Volkspartei – das ist sicher üblich und auch möglich – etwas macht oder ob die CDUFraktion im Rat der Stadt XY ein entsprechendes Votum abgibt oder einen entsprechenden Antrag stellt oder sogar ein Landesvorstandsmitglied in einem anderen Zusammenhang so etwas tut.

Zu Ihrer Frage zu den Köpfen bzw. Vollzeitäquivalenten: Das genau ist der Unterschied. Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen; Sie können mit Vollzeitäquivalenten bzw. Köpfen besetzte Stellen um 11 Uhr, 12 Uhr, im Februar, März, April oder Mai betrachten, wie Sie wollen. Das Entscheidende ist: Sie haben in Ihrer Regierungszeit 130 vollzeitäquivalente Stellen im Landesbetrieb Straßen.NRW abgebaut.

Wir haben das zunächst gestoppt. Sie sagen ja auch immer, da sei weiter abgebaut worden. Wir haben das zunächst gestoppt.

(Zuruf von Bernhard Schemmer [CDU])

Sie haben doch selber die Kleine Anfrage gestellt. Lesen Sie die Antworten auf Ihre eigenen Anfragen nicht?

(Beifall von der SPD)

Herr Schemmer, ich muss doch eigentlich voraussetzen, dass Sie die Antworten der Landesregierung auf ihre eigenen Anfragen lesen. Lesen Sie die Zahlen. Gehen Sie die Spalten durch. Dann werden Sie feststellen: Sie haben abgebaut. Wir haben aufgebaut.

Deswegen ist der Landesbetrieb Straßen.NRW so leistungsfähig, wie er sich heute darstellt. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD – Klaus Voussem [CDU]: Sie haben meine Frage nicht beantwortet!)

Danke schön, Herr Becker. – Jetzt spricht für die grüne Fraktion Herr Kollege Beu.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bundesverkehrswegeplan: NRW ist – das sehen wir durchaus – bei den Straßen im vordringlichen Bedarf besser berücksichtigt worden als zuletzt. Die Zielsetzung, mit dem Antrag einen Keil in die Koalition hineinzutreiben, ist ja offensichtlich. Da sind wir mit Minister Groschek völlig einer Meinung.

Im Bundesverkehrswegeplan wird im Prinzip der Ausbau bestehender Straßen tatsächlich vorrangig berücksichtigt. Das ist positiv; denn der Ausbau von Straßen ist besser als deren Neubau. Natürlich gibt es Neubauprojekte, die wir Grüne kritisch sehen. Das ist ja auch kein Staatsgeheimnis. Manche Projekte sehen wir differenziert – so, wie es vor Ort auch diskutiert wird. Am Ende entscheidet immer der Bund.

Natürlich gibt es weitere Projekte, wo wir offen für eine Neuaufnahme oder Hochstufung sind. Ich möchte hier nur die Rheinbrücke Godorf–Niederkassel als Kombiprojekt und die Ortsumgehung Warstein erwähnen.

Die CDU tut in ihrem Antrag so, als gehe es nur um die Hochstufung von Projekten – Hauptsache Straße, Hauptsache viel. Das ist doch ein wenig grobschlächtig und mehr Wahlkampfrhetorik als sachliche Politik. Schauen Sie sich einmal Projekte wie die Südtangente Bonn mit Ennertaufstieg und Venusbergtunnel, den Ausbau der B61 bei Bad Oeynhausen und die B9-Westtangente Krefeld an. Das sind Projekte, die vor Ort auch bei der CDU – freundlich formuliert – zumindest höchst umstritten sind.

Fakt ist: Auch wenn die Ergebnisse an vielen Stellen gut sind – gerade bei den Straßenneubauten sind die Einstufungen im Bundesverkehrswegeplanentwurf kaum nachvollziehbar. Zeitgewinne werden bei der Bewertung teilweise unter verschiedenen Kriterien mehrfach berücksichtigt. Es fehlen Alternativprüfungen. Die Verkehrsprognosen sind teilweise abstrus und nicht zusammen gedacht. Manchmal werden Ortsumfahrungen einzeln und manchmal zusammenhängend als Gesamtstrecke gewertet. Und was für viele Einzelprojekte gilt, gilt auch für den Gesamtplan.

Das Bundesumweltministerium hat gegenüber dem Bundesverkehrsministerium deutlich gemacht, dass

der Entwurf des Bundesverkehrswegeplans den Anforderungen des Klimaschutzes nicht gerecht wird. Diese Kritik der Bundesministerin teilen wir.

Das wird deutlich bei den Wasserstraßen und insbesondere in Bezug auf die Anbindung der Seehäfen. Dazu erinnere ich an den gemeinsamen Antrag der Fraktionen im Landtag dazu, Herr Voussem. Offenbar ist das Ziel von Herrn Dobrindt eine einseitige Stärkung der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Nordseehäfen. Kann dies im Interesse NordrheinWestfalens sein, liebe CDU-Fraktion?

Am deutlichsten werden die Mängel des Plans, wenn man den Bereich Schiene betrachtet. Gerade da wundert einen doch die Euphorie bei Ihnen, den Antragstellern. Der Bundesverkehrswegeplan Schiene ist gar nicht fertig geworden. Man hat einen ominösen „potenziellen Bedarf“ definiert. Eigentlich ist das schon keine tragbare Basis mehr, auf der man eine Beteiligung aufbauen kann.

Einzelprojekte für NRW: RRX: Ja, sehr gut, vordringlich; aber das Kernstück Düsseldorf–Duisburg, an dem alles hängt, befindet sich nur im potenziellen Bedarf. Münster–Lünen ist in der Light-Version geplant und befindet sich auch nur im potenziellen Bedarf. Der Eiserne Rhein an der A52-Trasse ist überhaupt nicht dabei. Ebenfalls nicht berücksichtigt ist die linke Rheinstrecke Köln-Bonn. Und selbst der Bahnknoten Köln ist nicht komplett und definitiv abgesichert, sondern befindet sich im Schwebezustand und in Konkurrenz zu anderen Knoten.

Kann so ein Bundesverkehrswegeplan in Sachen Schiene wirklich ein gutes Ergebnis für NordrheinWestfalen sein, wie Sie es hier gemäß dem Antrag einvernehmlich feststellen lassen wollen?

Fazit: Natürlich gibt es gute Punkte, zum Beispiel den Grundsatz „Ausbau vor Neubau“. Ansonsten aber wird man die Einzelprojekte im Detail und differenziert betrachten müssen. Ein einfaches „Super! Weiter so!“ wäre hier wirklich fehl am Platze.

Am Ende – auch das ist klar – entscheidet der Bund, nicht NRW. Nun muss der Bund vorlegen. Wir sind gespannt.

Dann wird sich auch zeigen, ob, wie die Antragsteller es ausdrücken, der Plan wirklich eine Finanzierungsperspektive hat. Man hört schon, dass doch wieder dieses oder jenes Projekt aus politischen Gründen ohne die Herabstufung anderer Projekte hochgestuft werden soll. Ob der Finanzrahmen da noch zu halten ist?

Es ist doch jetzt klar: Es gibt 40.000 Stellungnahmen und jede Menge an potenziellem Bedarf ohne konkrete Weiterplanung. Trotzdem wird ein umgehender Beschluss verlangt. Herrn Minister Dobrindt scheint die Aussicht darauf, dass er einmal etwas zustande bringt, wichtiger zu sein als eine unabhängige Bewertung und ordentliche Beratung.

Unsere Aufgabe hier im Lande NRW – so verstehe ich es zumindest – ist doch nicht, wie die Antragsteller es wollen, Herrn Dobrindt zum Erfolg zu verhelfen, sondern unser Auftrag ist es, zum Wohle NRWs eine nachhaltige Verkehrsentwicklung vorzusehen. Und da hilft Ihr Antrag wirklich nicht weiter. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)