Protocol of the Session on July 7, 2016

Danke schön, Herr Kollege Zimkeit. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, damit kann ich dann auch die Aussprache zum Tagesordnungspunkt 5 schließen.

Wir kommen zur Abstimmung erstens über den Antrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/12338. Die antragstellende Fraktion der Piraten hat eine direkte Abstimmung beantragt. Wer also dem Inhalt des Antrags zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Piraten. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die CDU. Demzufolge wird sich die FDP enthalten. – Das tut sie gerade. Mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis ist der Antrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/12338 abgelehnt.

Wir stimmen zweitens über den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/12427 ab. Wer möchte diesem Entschließungsantrag zustimmen? – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die CDU und die FDP. Und die Piraten werden sich enthalten. – Das tun sie gerade. Mit diesem festgestellten Abstimmungsergebnis ist der Entschließungsantrag Drucksache 16/12427 von SPD und Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 5.

Ich rufe auf:

6 Mehrkindfamilien nicht im Stich lassen – Lan

desregierung muss familiengerechtes Bauen und Wohnen fördern, um Wohnungsnot zu bekämpfen!

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/12348

Die Aussprache wird eröffnet durch den ersten Redner der CDU-Fraktion, Herrn Kollegen Kern.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! In der letzten Woche konnten wir uns alle gemeinsam darüber freuen, dass es wieder mehr Geburten in Deutschland gibt. Knapp 738.000 Babys erblickten das Licht der Welt. Das ist ein Plus von über 3 %. In absoluten Zahlen: mehr als 23.000 Kinder.

(Beifall von der CDU)

Die Gelehrten streiten sich zurzeit darüber, woran das liegt. Auf jeden Fall ist dieses Ergebnis ein optimistisches Zeichen, denn Eltern, die Kinder in die Welt setzen, glauben an eine gute Zukunft.

Es gibt in diesem Parlament einen parteiübergreifenden Konsens, dass Familienpolitik ein Zukunftsthema ist. Es ist daher unser gemeinsamer politischer Auftrag, Familie in Nordrhein-Westfalen lebbar zu machen. Das gilt insbesondere auch für die Lebenssituation von Mehrkinderfamilien – oder kinderreichen Familien, wie man allgemein sagt – in Nordrhein-Westfalen. Deren Lebenssituation in einem ganz entscheidenden Punkt zu verbessern, ist das Ziel des heutigen Antrags.

Wir haben – das ist bekannt – in Nordrhein-Westfalen eine sehr angespannte Wohnungssituation, und diese trifft vor allem Familien mit drei und mehr Kindern.

In Art. 5 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen steht ausdrücklich, dass kinderreiche Familien einen Anspruch auf besondere Fürsorge haben. Und zur fürsorglichen Familienunterstützung zählt eben auch, dass ausreichender Wohnraum zur Verfügung steht. Dafür brauchen wir erstens der Familiengröße entsprechenden Wohnraum und zweitens bezahlbaren Wohnraum.

Wie lange kinderreiche Familien heute nach passendem Wohnraum in Nordrhein-Westfalen suchen müssen, darüber können Ihnen die betroffenen Eltern und die Vorsitzende des Verbandes kinderreicher Familien, Frau Dr. Elisabeth Müller, ein Lied singen. Oft bleibt diese Suche ergebnislos. Der Grund

für die Wohnungsknappheit liegt unter anderem daran, dass viel zu langsam und viel zu wenige Wohnungen gebaut wurden und werden.

Der angespannte Mietmarkt kann nur durch Wohnungsbau entlastet werden. Nur bei ausreichendem Angebot werden auch sozialverträgliche Preise erzielbar sein. Das heißt, es muss schneller und möglichst kostengünstig gebaut werden können. Wohnungsbaupolitik, meine Damen und Herren, muss nach Ansicht der CDU-Landtagsfraktion darüber hinaus mehr als bisher die sozialen und familienpolitischen Auswirkungen berücksichtigen.

Ich selbst stamme aus einer kinderreichen Familie mit fünf Kindern. Wir wohnten zur Miete. Die Wohnung entsprach nicht der Familiengröße, sondern dem Portmonee, und das war knapp. Übrigens, vier von fünf Kindern schliefen in einem Raum. Ich habe mit meinem Bruder bis zum Alter von zehn Jahren in einem Bett geschlafen. Und diese Lebenssituation, meine Damen und Herren, gibt es heute in Nordrhein-Westfalen noch tausendfach.

Die Frage stellt sich: Wie stärken wir kinderreiche Familien, die einen wesentlichen Beitrag zum Funktionieren unserer Gesellschaft und unserer Sozialsysteme leisten, ohne deren Leistung unsere Generationenverträge kollabieren würden? Deshalb muss familienfreundliche Wohnungspolitik in unserem Bundesland Vergünstigungen für Familien sicherstellen.

Die rot-grüne Landesregierung hat aber in einem Punkt das Gegenteil getan. So hat Rot-Grün die Grunderwerbsteuer bereits zweimal in vier Jahren erhöht. Das ist nicht nur eine Benachteiligung für Käufer, sondern das ist insbesondere eine Benachteiligung für junge Familien mit Kindern.

(Beifall von der CDU)

Denn vor allem junge Familien, die den Wunsch haben, ein eigenes Haus zu bauen, leiden unter dieser familienfeindlichen Entscheidung. Eine Familie muss bei einem Hauskauf von etwa 250.000 € mit 16.250 € Zusatzkosten rechnen. Das kann eine kinderreiche Familie mit Durchschnittseinkommen kaum stemmen. Das zerstört Lebensträume, Herr Groschek, und hemmt wirtschaftliche Prosperität in NordrheinWestfalen.

Festzuhalten bleibt aber auch: Ein Investor und Kapitalanleger wird Bau- und Renovierungskosten auf seine Mieter umlegen. Und das trifft Familien mit Kindern, die sich Eigentum nicht leisten können und mieten müssen, ebenfalls.

(Jochen Ott [SPD]: Ist ja unfassbar!)

Die Wahrheit ist: Kinderreichen Familien wird in dieser Gesellschaft in Wirklichkeit viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Es gibt tatsächlich eine strukturelle Benachteiligung von Familien. Dies ist ein Beispiel dafür.

Insbesondere bei kinderreichen Familien kommt diese politische Gedankenlosigkeit wie Rücksichtslosigkeit rüber. Nach einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung aus dem letzten Jahr waren 70 % der Befragten der Meinung, dass die Mehrheit der Bevölkerung Kinderreichtum als asozial ansieht. Nein, meine Damen und Herren, Kinderreichtum ist hochgradig sozial. Es ist nicht nur ein emotionaler Reichtum für die Familien, finanziell oft mit Armutsrisiken verbunden; aber es ist nachweislich ein großer Reichtum für unsere Gesellschaft.

(Beifall von Astrid Birkhahn [CDU])

Deshalb ist es auch begründet, dass wir hier im Landtag für kinderreiche und Mehrkinderfamilien etwas tun müssen. Die NRW-Verfassung – ich sagte es bereits – verlangt das von uns. Gleichzeitig geht aber auch die Wahrnehmung fehl, dass es überwiegend einkommensschwache Familien sind, die viele Kinder bekommen.

Die Wahrheit ist: Viele Familien kommen erst mit höherer Kinderzahl in den Transferbezug. Fakt ist: Viele Kinder können ein Armutsrisiko darstellen. Häuser und Wohnungen mit familiengrößengerechtem Raumzuschnitt werden viel zu selten angeboten. Es ist die Aufgabe des sozialen Wohnungsbaus in NordrheinWestfalen, bezahlbaren Wohnraum für Familien zu schaffen. Deshalb muss Nordrhein-Westfalen beim staatlich geförderten Wohnungsbau den Bedarf von kinderreichen Familien stärker berücksichtigen. Die Landespolitik muss Investoren und Vermieter motivieren, hier mehr zu tun.

(Beifall von der CDU)

Ganz nebenbei – gestatten Sie mir diesen kleinen Nachhilfeunterricht – ist das auch ein Konjunkturprogramm und eine Förderung von Industrie und Handwerk in Nordrhein-Westfalen. Daran müsste die Landesregierung mit ihrer neuen Marke Wirtschaftswachstum 0.0 ein ganz besonderes eigenes Interesse haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ein wichtiger Hinweis zum Schluss: Es gibt heute viele Familienbilder und Lebensmodelle, Patchworkfamilien und Wohngemeinschaften von Alleinerziehenden. Zwei Mütter, die wegen finanzieller oder organisatorischer Schwierigkeiten zusammenziehen und drei oder mehr Kinder haben, brauchen diese Wohnungszuschnitte auch. Auch diese Lebensmodelle werden durch die Wohnungspolitik mit größerem Wohnungszuschnitt abgeholt. Hier wird Familie lebbar gemacht.

Hier brauchen wir Experimente. Hier müssen wir etwas tun. Wir brauchen jetzt einen Paradigmenwechsel im familiengerechten Bauen und, ich denke, 2017 einen Regierungswechsel. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP – Jochen Ott [SPD]: Haben Sie mal mit Ihrem Baukolle- gen gesprochen? Das ist ja unfassbar!)

Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Philipp.

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren hier heute den Antrag der CDU, bei dem ich mich wirklich größtenteils gewundert habe, was die inhaltliche Ausrichtung angeht.

Herr Kollege Kern hat es gerade in seinem Wortbeitrag auch bestätigt. Hier wird zunächst die beschriebene Ausgangslage der Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt korrekt dargestellt. Angespannte Wohnungsmärkte in einigen großen Universitätsstädten kann und will ja auch niemand abstreiten. Das ist ein Problem, mit dem wir uns auseinandergesetzt haben. Hierauf hat die rot-grüne Koalition ja auch schon ausreichend reagiert und wird das noch weiter tun.

Umso mehr wundert es aber, dass nach der Beschreibung der Herausforderungen diese aktuellen Entwicklungen völlig ausgeblendet werden, die eben nicht nur Familien betreffen und die sich auf weitere Bereiche erstrecken, als Sie das hier gerade dargestellt haben. Ich finde, Sie haben da teilweise wirklich sehr schräge Rückschlüsse gezogen. Offensichtlich ist die CDU mit der Realität auf dem Wohnungsmarkt noch nicht ganz konform und hat das noch nicht zur Kenntnis genommen.

Wie anders ist es nämlich zu erklären – das hat in der Rede total gefehlt und fehlt auch in dem Antrag –, dass Sie in keinem Satz die Erhöhung der Wohnraumförderung, die wir mit jährlich 1,1 Milliarden € beschlossen haben, erwähnen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es wird nicht erkannt, dass es jetzt absolut keine Förderung von Eigenheimen auf der grünen Wiese bedarf. Ob das mutwillig geschieht oder einfach mangelnde Information ist, dass Sie sich nicht mit Ihrem Baukollegen ausgetauscht haben, das lasse ich einmal dahingestellt.

Klar ist aber: Die Forderungen in Ihrem Antrag machen einfach keinen Sinn. Sie erkennen nicht bereits vorgenommene Maßnahmen und die gegenwärtig bestehende Situation an. Wir haben bei den Eigenheimförderzahlen weiterhin eine stark rückläufige Tendenz. Das müssen Sie von den Zahlen her einfach mal so zur Kenntnis nehmen. Es gibt keinen zusätzlichen Bedarf, kein übermäßiges Interesse an dieser Art der Förderung.

Im Gegenteil – jetzt mal ein paar Zahlen, um das noch einmal klarzumachen und das ein bisschen zu unterfüttern –:

(Walter Kern [CDU]: Völlig falscher Schluss!)

Im Jahr 2015 wurden lediglich 40 % der möglichen Fördersummen ausgeschöpft. Das waren noch einmal knapp 20 % weniger als im Jahr davor. Angesichts des niedrigen Zinsniveaus, das wir ja weiterhin haben und auch haben werden, geht diese Forderung in Ihrem Antrag nach einer Mittelverdoppelung für die Eigenheimförderung deswegen auch völlig an der Realität vorbei.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Jetzt noch etwas zur grundsätzlichen Entwicklung über die Eigenheimförderung, über die Förderung hinaus: Allein von Januar bis April diesen Jahres wurden übrigens Baugenehmigungen für 117.000 Wohnungen erteilt. Das ist ein Plus von über 31 % im Vergleich zu 2015. Auch bei den Eigenheimen gab es eine zuletzt stetig steigende Zahl. Im Vergleich von April 2015 bis April dieses Jahres sind die Baugenehmigungen noch einmal deutlich gestiegen um über 1.000. Das sind Zahlen, die einfach an der Stelle für sich sprechen.

Auch bei der Gesamtzahl der Baugenehmigungen liegen wir unter Rot-Grün deutlich über dem Niveau der Jahre 2008 und 2009. Das war in Ihrer Verantwortung. Das haben wir also auch getoppt.

Das heißt, mittlerweile wird mehr gebaut, aber nicht dort, wo Sie es den Leuten vorschreiben wollen. Das müssen Sie dann auch zur Kenntnis nehmen.