Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich würde gerne noch zwei, drei Dinge ansprechen, die mir sehr wichtig sind, Herr Hendriks. Ich finde es gut, dass Sie in der Tat, was die Frage der Prävention, der Notwendigkeit von Prävention, von Wegweiser und anderen Projekten, angeht, durchaus nachdenklichere Töne angeschlagen haben.
In der Tat wächst der politische Extremismus nicht nur in Nordrhein-Westfalen. Wer heute in der Debatte die Brille nur auf Nordrhein-Westfalen fokussiert, der hat einen Tunnelblick.
Wir haben es mit einer Zunahme des politischen Extremismus in Nordrhein-Westfalen, in ganz Deutschland und in Westeuropa – um nicht zu sagen: sogar in ganz Europa – zu tun. Wir versuchen, diesen extremistischen Phänomenen das Wasser dadurch abzugraben, dass sie möglichst keinen Zulauf mehr bekommen.
Man muss sich doch einmal fragen: Was läuft eigentlich in unserer Gesellschaft schief, dass Jugendliche, die hier geboren sind, hier aufgewachsen sind, hier sozialisiert sind, sich plötzlich rückwärtsgewandten Ideologien anschließen?
Diese Frage werden die Sicherheitsbehörden alleine nicht beantworten können. Das geht nur gesamtgesellschaftlich. Dennoch muss man versuchen, denen, die da wegzurutschen drohen, eine Alternative anzubieten.
Herr Hendriks, wir haben 2014 mit dem Projekt Wegweiser begonnen. Wir bauen das dieses Jahr auf 13 Standorte aus. Der Haushaltsentwurf für das Jahr 2017 sieht weitere 4 Millionen € vor, um Wegweiser noch weiter auszubauen. Ich finde es gut, dass Sie hier für dieses Projekt in dem Sinne geworben haben, dass Sie sagten, dass wir es ausbauen müssten. Wirken Sie doch einmal auf Ihre Fraktionskollegen ein und werben dafür, dass sie in den Haushaltsberatungen nicht das gänzliche Streichen eines solchen Projektes einfordern, wie noch vor Kurzem geschehen.
Herr Dr. Stamp, dieses Projekt Wegweiser ist inzwischen 4.650 Mal kontaktiert worden, wo Menschen gefragt haben, wie das mit der Radikalisierung läuft, was die Vorgehensweise der Verführer ist etc. Und 200 Jugendliche haben wir in diesem Projekt in der Betreuung.
Ich sage Ihnen jetzt schon voraus: Wir werden nicht alle 200 vor einer weiteren Radikalisierung bewahren können. Aber ich bin mir sehr sicher, dass jeder Jugendliche, den wir auf einen friedlichen Weg in diese Gesellschaft zurückholen, ein Zugewinn für diese Gesellschaft ist.
Herr Dr. Stamp, ich wiederhole es noch einmal; dann ist es auch gut zwischen uns mit diesem Thema. Sie haben im Innenausschuss gesagt, weil sich zwei
trotzdem radikalisiert haben, habe das Projekt versagt habe – wortwörtlich. Das war hoffentlich eine einmalige Entgleisung, die ich Ihnen persönlich jetzt nicht weiter nachtragen möchte.
Meine Damen und Herren, ich möchte gerne noch etwas anderes ansprechen. Unsere Gesellschaft verändert sich mit einer unglaublichen Rasanz. Da sind Themen wie Globalisierung. Da ist ein Thema wie Zuwanderung. Da sind Fliehkräfte in unserer Gesellschaft am Werke zwischen Arm und Reich, zwischen Jung und Alt – mit großen Differenzen, mit großen Konflikten.
In dem Tempo, wie sich diese Gesellschaft verändert, bekommen manche Menschen Sorgen und Angst. Das ist dann die Stunde für diejenigen, die mit einfachen Parolen versuchen, in die Mitte vorzudringen. Das ist die Stunde der Populisten. Gepaart mit ihrer Staats- und Demokratieverachtung sind diese Populisten erfolgreich. Der politische Extremismus zerrt inzwischen an der Mitte unserer Gesellschaft. Er dringt mit seinen Thesen bis in die Mitte der Gesellschaft vor.
Jetzt ist die Frage: Wie reagiert der Staat? Wie reagiert die Demokratie? Wie reagieren Parteien auf dieses Phänomen? Möglicherweise mit politisch kleinem Pepita à la Biesenbach – oder aber mit dem Verständnis, dass wir diesem Extremismus nur dann erfolgreich etwas entgegenstemmen können, wenn diejenigen, die sich in der Mitte des politischen Koordinatensystems bewegen, die Verantwortung erkennen, nicht politisches Klein-Klein zu betreiben, sondern tatsächlich für Staat, Demokratie und Recht in diesem Land einzutreten und nicht der Versuchung zu verfallen, mit kleinen politischen Geländegewinnen – so wie heute in der Debatte, Herr Biesenbach – irgendetwas für sich zu gewinnen.
Das ist die Verantwortung der demokratischen Parteien. Das muss jetzt auch jeder leisten. – Herzlichen Dank.
(Michele Marsching [PIRATEN]: Der Beitrag vom Kollegen Hendriks zum Beispiel! – Zurufe von den GRÜNEN)
Wenn Sie sich meinen Beitrag merken, ist das prima. – Wenn ich an die Ausführungen denke, die Herr Schwerd hier losgelassen hat, oder an das, was ansonsten im Bereich links gesagt wurde, dann will ich die Gelegenheit gerne nutzen, deutlich zu machen, dass für die CDU – und ich bin sicher, dass ich
da für uns alle sprechen kann – eines ganz sicher ist: Wir werden mit Extremisten, ganz gleich, ob sie von links oder rechts kommen, nicht zusammenarbeiten.
Es wäre ganz gut – ja, Sie ahnen, was kommt; Herr Römer schaut mich schon an –, wenn auch von der SPD und der Ministerpräsidentin das klare Signal kommen würde,
(Michele Marsching [PIRATEN]: Ach nein, bitte nicht! Wir haben diesen Quatsch schon in der Zeitung gelesen!)
Denn der NRW-Verfassungsschutz beobachtet weiterhin extremistische Gruppierungen bei den Linken. Der Verfassungsschutzbericht weist weiter aus, dass die Linke die extremistischen Plattformen aus der Parteikasse finanziert. Trotzdem schließt die Ministerpräsidentin eine Koalition nicht eindeutig aus. Sie bezeichnet die Linken nur als nicht regierungsfähig. Ich wäre Ihnen ganz dankbar, wenn Sie dazu noch klare und klärende Aussagen machten.
Gemeldet habe ich mich aber noch einmal, Herr Innenminister, um noch ein paar Punkte deutlich zu machen.
Wenn Sie Ihr Weltbild behalten wollen, dann brauchen Sie nicht zuzuhören. Dann seien Sie aber zumindest ruhig.
Es geht nicht darum, dem Innenminister Schuld in die Schuhe zu schieben. Es geht nicht darum, alles auf NRW zu fokussieren. Aber es geht darum, eine bräsige und behäbige Landesregierung vielleicht dazu zu bekommen, etwas zu tun.
(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD: Oh! – Michele Marsching [PIRATEN]: „Bräsig“ ist bestimmt unparlamen- tarisch!)
Die FDP hat beantragt: Die Landesregierung muss ein wirksames Konzept vorlegen. – Darum geht es uns. Darauf warten wir.
Es geht auch nicht nur um Prävention oder Repression. Der Innenminister wird gleich wieder sagen, dass er nicht alles verstanden habe. Aber er hört ja auch nicht zu.
Gehen wir doch mal ganz simpel vor: Es kann nicht alleine Aufgabe von Sicherheitsbehörden sein, diese dramatische Situation in den Griff zu bekommen. Einverstanden.
Aber die Sicherheitsbehörden sind ein Teil davon, Frau Hanses, und die Prävention ist das andere. Wir haben inzwischen ein Abwehrzentrum im Bereich Cybercrime eingerichtet.
Warum richten wir nicht ein gleiches – oder diese Landesregierung; wir würden es ja tun – Abwehrzentrum im Bereich des Verfassungsschutzes ein, das in der Lage ist, das Vorfeld zu beobachten? Wenn sich Menschen doch so schnell radikalisieren, wenn sich die Situation doch so blitzschnell verändert, dann ist es notwendig, eine Beobachtungsstelle zu haben. Wo sind denn die Spezialisten, die das können? Die haben wir ganz einfach nicht.