Aber der rot-grünen Landesregierung hier Untätigkeit vorzuwerfen, zielt eindeutig ins Leere. Ich vermisse dabei auch die Lösungsansätze der Opposition.
Wir haben seit Regierungsantritt vielfältige Maßnahmen gegen den gewaltbereiten Rechtsextremismus ergriffen. Was die Repression betrifft, wurden vier gewaltbereite Kameradschaften verboten. Die „Kameradschaft Aachener Land“, die Kölner „Kameradschaft Walter Spangenberg“, die „Kameradschaft Hamm“ und der „Nationale Widerstand Dortmund“ sind 2012 verboten worden.
Zugegebenermaßen – auch das gehört zur Analyse dazu – stellt uns das vor neue Herausforderungen, insbesondere was die Partei „Die Rechte“ angeht. Aber ich will hier auch noch einmal klar sagen: Diese Kameradschaftsverbote waren ein richtiges und wichtiges Signal in die rechtsextreme Szene.
Aber nicht nur das: Wir haben Sonderkommissionen in den Polizeipräsidien eingerichtet. Wir haben auch eine beim LKA eingerichtete Taskforce, die sich damit beschäftigt, rechte, menschenverachtende, hetzende Postings im Internet herauszufiltern und zur Anzeige zu bringen.
Herr Biesenbach, das sind die Spezialisten, die Sie gesucht haben. Vielleicht gucken Sie sich solche Sachen einfach einmal an, bevor Sie hier die Behauptung aufstellen, wir würden nichts tun. Das stimmt einfach nicht. Wir setzen diese Spezialisten an den
Aber – das ist auch klar – mit der Repression alleine werden wir es nicht schaffen. Wir brauchen die Prävention. Deshalb haben wir in Nordrhein-Westfalen zwei Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt eingerichtet. Wir haben die mobilen Beratungsteams in die Landesförderung aufgenommen.
Wir fördern Aussteigerprogramme beim Verfassungsschutz und ein zivilgesellschaftliches Programm. Wir haben erst im letzten Plenum das Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus vorgestellt.
Das sind nur einige von vielen wirklich wichtigen Bausteinen im Kampf gegen rechts, die wir von SPD und Grünen auf den Weg gebracht haben. Ehrlich gesagt, habe ich hier an vielen Stellen die Unterstützung von CDU und FDP vermisst. Ich hoffe, dass wir jetzt gemeinsam auf derselben Seite kämpfen und uns gegen Rechtsextremismus aufstellen.
Dieses Zusammenspiel von Repression und Prävention brauchen wir meines Erachtens auch im Vorgehen gegen den gewaltbereiten, verfassungsfeindlichen Salafismus. Die jüngsten Anschläge in Europa – nicht zuletzt ein Anschlag, der in Deutschland erstmals nicht nur geplant, sondern auch durchgeführt worden ist, nämlich der Anschlag auf den SikhTempel in Essen – zeigen, dass eine große Gefahr von dieser neosalafistischen Ideologie ausgeht.
Man muss aber auch klar sagen, dass die erschreckende Bilanz von Terroranschlägen in Westeuropa nur einen Teil der Gewalttaten umfasst, die vom IS verübt wurden. Die Kampfhandlungen und Anschläge des IS in Syrien, im Irak, in der Türkei und in anderen Ländern haben bisher viele Todesopfer gefordert.
Deshalb – nicht nur, weil wir uns vor den Rückkehrern fürchten, sondern auch, weil Personen auch aus Deutschland woanders Anschläge begehen – ist es so wichtig, dass unsere Sicherheitsbehörden die Verhinderung von Ausreisen nach Syrien und in den Irak betreiben. Sie sind da auch gefragt.
Zuletzt geht es aber immer darum, den Zulauf zur salafistischen Szene zu stoppen. Dabei – das ist mir in der bisherigen Debatte heute viel zu kurz gekommen – muss es doch auch darum gehen, zu gucken:
Wer geht eigentlich zu dieser salafistischen Szene? Wir haben momentan vor allen Dingen einen Zulauf von Minderjährigen und von Mädchen bzw. jungen
Frauen. Deshalb müssen wir doch gerade auch auf diese Zielgruppen ein Augenmerk richten. Das ist mir hier, ehrlich gesagt, bisher zu kurz gekommen. Wir müssen doch die Frage stellen, warum sich junge Menschen radikalisieren und warum es eine Anziehungskraft gerade auch für junge Frauen gibt.
Wir haben hier vor einem Jahr zwar noch nicht ein Handlungskonzept beschlossen, aber die Landesregierung beauftragt, eines zu diesem Themenfeld zu erstellen. Das ist auf dem Weg. Es wird gerade erarbeitet. Sie kennen zudem alle das Projekt Wegweiser, das noch ausgebaut werden soll.
Ich finde, dass das die richtige Antwort auf den Anschlag auf den Sikh-Tempel in Essen ist. Wir brauchen nicht weniger Prävention, sondern mehr „Wegweiser“ und mehr Prävention. Deshalb ist es gut, dass wir hier auch weiter ausbauen.
Noch etwas: Wir haben in Nordrhein-Westfalen 2013 – auch unter dem Eindruck der NSU-Mord- und -Terrorserie – eine Verfassungsschutzreform vorangetrieben. Wir haben den Verfassungsschutz hier in NRW richtig aufgestellt und richtig auf die gewaltbereiten Szenen fokussiert.
Wir haben den Verfassungsschutz in den letzten Jahren auch massiv personell gestärkt. Gerade wir Grünen haben immer gesagt: Wir wollen keine Verschärfung von Sicherheitsgesetzen; wir wollen, dass die Sicherheitsbehörden personell gut ausgestattet sind. – Und das haben wir in Nordrhein-Westfalen getan.
Das ist auch mein letzter Satz. – Die Arbeit des Verfassungsschutzes kann aber natürlich niemals die Arbeit unserer demokratischen und vielfältigen Gesellschaft ersetzen. Das soll der Verfassungsschutz auch nicht. Es braucht engagierte Demokratinnen und Demokraten, die Gewalt und Hetze eine Absage erteilen und sich für Vielfalt und Demokratie in diesem Land stark machen. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher hier im Saal! Diese Aktuelle Stunde finde ich richtig und wichtig. Denn die im Verfassungsschutzbericht aufgelisteten Einzelmaßnahmen zur Abwehr extremistischer Bestrebungen sind zwar grundsätz
lich zu begrüßen. Sie bieten aber weder eine wirksame Gesamtstrategie, noch wird mit ihnen das Problem des sich ausbreitenden Extremismus an der Wurzel gepackt.
Mir fehlt es in diesem Bericht beispielsweise an einem umfassenden Präventionsangebot, das mit sozialen sowie milieu- und stadtteilspezifischen Handlungsansätzen aufwartet. Wir haben dazu gestern einen Antrag eingebracht, der genau solche Dinge mit umfasst.
Ich möchte noch einmal Folgendes betonen, weil uns das gestern bei der Debatte zu unserem Antrag vorgeworfen wurde: Wenn wir Piraten Prävention fordern, dann sagen und meinen wir nicht – und zwar niemals –, dass Repression entbehrlich ist. Auch Repression muss natürlich weiter betrieben werden – aber aus anderen Gründen. Wir sagen lediglich – das ist auch völlig richtig; Frau Schäffer hat es gerade auch gesagt –, dass Prävention der absolute Schwerpunkt sein muss. Nur so verhindern wir Straftaten. Das muss unser oberstes Ziel sein.
Repression verhindert keine Straftaten – vor allem nicht in diesem Deliktbereich. Die generalpräventive Wirkung der Repression ist gerade in diesem Bereich praktisch nicht vorhanden. Im Gegenteil: Repression fördert Radikalisierung und Extremismus. Denn spätestens in der Haft radikalisieren sich die meisten mehr statt weniger. Deswegen muss mit Repression sparsam umgegangen werden. Ansonsten bewirkt sie das genaue Gegenteil.
Mir fehlen ebenso Konzepte, die den gesamtgesellschaftlichen Abbau von antimuslimischer Diskriminierung fördern. Ich habe das schon des Öftern gesagt und betone das sehr gerne immer wieder: Integration beruht immer auf Gegenseitigkeit.
Gemeinschaft und soziale Interaktion ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Wer sich hier in Deutschland aufgrund von Diskriminierung und Alltagsrassismus nicht willkommen fühlt, geht natürlich dorthin, wo er als gleichwertiges Mitglied einer Gemeinschaft wahrgenommen wird. Und das sind nun einmal leider allzu oft die Islamisten.
Dasselbe Prinzip gilt auch für andere Formen des Extremismus. Dort ist natürlich zumeist nicht Diskriminierung oder Rassismus der Grund für das Abgleiten, sondern fehlender familiärer Rückhalt oder auch Perspektivlosigkeit. Extremisten füllen eine Lücke im Leben der Betroffenen. Das ist der Grund, warum sich Menschen dem Extremismus zuwenden. Das geschieht nicht, weil die Betroffenen schon von Anfang diesen Quatsch glauben würden, der ihnen dort vermittelt wird.
Genau deshalb fehlen mir im Bericht auch konkrete Vorschläge, wie den attraktiven Angeboten der Extremisten wirksame Alternativen entgegengesetzt
werden können, und zwar schon im jungen Alter. Da muss auch die Zusammenarbeit mit den Schulen verbessert werden. Das ist auch eine Frage der Bildung bzw. der Bildungspolitik. Wir brauchen kleinere Klassen und mehr Sozialarbeiter in den Schulen, um schon von Anfang Ansätze der Hinwendung zum Extremismus bei den Jugendlichen erkennen zu können.
Mir fehlen deutliche Aussagen dahin gehend, dass die Bekämpfung von Extremismus einerseits und Fremdenfeindlichkeit andererseits ausschließlich Hand in Hand erfolgen kann. Denn es ist so, wie ich gerade gesagt habe: Das eine führt häufig zum anderen. Wir müssen lauter sein als die extremistische Propaganda und insbesondere Kinder und Jugendliche auffangen, bevor sie erste Kontakte mit der Szene knüpfen.
Eine Speicherung von Daten Minderjähriger – was ja jetzt hier in NRW der neueste Clou zu sein scheint – bringt nicht wirklich viel. Denn wenn es so weit ist, dass die Daten überhaupt gespeichert werden dürfen, ist es in der Regel schon zu spät. Da wird mal wieder das Pferd von hinten aufgezäumt. Stattdessen müssen wir doch viel früher ansetzen – schon bevor die Kinder und Jugendlichen anfangen, auffällig zu werden.
Es wird immer wieder darauf hingewiesen – gerade auch wieder –, dass das Internet und die sozialen Netzwerke die erste Anlaufstelle für Minderjährige sind, um mit dem Thema „Extremismus“ in Kontakt zu kommen.
Herr Jäger, Sie selbst haben damals aufgrund der schrecklichen Anschläge in Paris noch groß angekündigt, der IS-Propaganda im Netz etwas entgegenzusetzen. Sie haben damals völlig zu Recht kritisiert, dass, wenn man beispielsweise bei Google das Wort „Dschihad“ eingibt, kein staatliches Aufklärungsangebot erscheint. Stattdessen finden sich häufig extremistische Angebote.
Was hat sich seitdem getan? Mal wieder nichts. Nach Eingabe des Suchbegriffs „Dschihad“ erschienen gestern zwar ein paar Presseartikel, aber keinerlei Hinweise auf staatliche Anlaufstellen bzw. anderweitige Hilfsmöglichkeiten, auch nicht auf solche in NRW. Wieso wurde hier immer noch nichts getan?
Auch wenn das Internet offenkundig auch für Sie von der SPD immer noch Neuland ist, muss es doch möglich sein, bei häufig verwendeten Suchbegriffen zumindest auf die Seite des MIK aufmerksam zu machen. Jedenfalls reicht es nicht aus, sich auf Bundesebene – natürlich mal wieder medienwirksam; das kann unser Minister – mit ein paar Bloggern zu tref
fen, um irgendwann eine passende Strategie zu entwickeln. Da sehe ich hier und heute dringenden Handlungsbedarf – nicht erst in ein paar Monaten.
Natürlich bekommen wir als Opposition immer wieder zu hören, dass das bisherige Engagement der Landesregierung Wirkung zeige. Das Problem ist nur: Sie behaupten das zwar immer wieder. Aber wirklich nachweisen lässt sich das nicht. Denn es gibt leider nur wenige empirische Daten dazu.
Beispielsweise wurden die Aussteigerprogramme für Rechtsextreme in NRW erst im Jahr 2015 einer externen Evaluation unterzogen. Das ist zwar zu begrüßen – keine Frage –, aber nach 14 Jahren Laufzeit – eingeführt wurden sie 2001 – ist das etwas spät. Man hätte die Fehler, die diese Evaluation aufgedeckt hat, schon Jahre vorher beseitigen können, wenn man vorher evaluiert hätte.