Protocol of the Session on July 6, 2016

Ich stimme Ihnen zu. Die Tatsache, dass wir gemessen an anderen Ländern dadurch jetzt unter dem Durchschnitt sind, hat damit zu tun, dass diese gemeinsame Ländereinigung ein Stück weit auch nur dadurch zustande gekommen ist, dass praktisch die vom Bund angedeuteten Mittel im Vorfeld in einem erheblichen Maße auch wieder zur Kompensation in die ostdeutschen Länder gehen. Das ist ein Punkt, den ich hier im Landtag selbst schon kritisch angemerkt habe.

Am Ende geht es darum, einen Kompromiss zu finden. Als Kompromisslösung finde ich diese Lösung tragfähig. Ideale Lösungen aus nordrhein-westfälischer Sicht sähen anders aus.

Was – auch noch einmal – diesen Anteil des Bundes angeht, über den jetzt immer wieder gestritten wird: Das war ja nicht Rot-Grün, sondern das waren Olaf Scholz und Wolfgang Schäuble, die sich in vielen

Gesprächen Gedanken gemacht haben über die Einbeziehung des Soli in die Einkommensteuer. Das hätte zur Folge gehabt, dass der Bundesfinanzminister auf rund 8,5 Milliarden € im Jahr – etwas mehr – hätte verzichten müssen auf der Basis des Jahres 2014.

Wenn man auf der Grundlage eine Lösung findet – der Bundesfinanzminister akzeptiert einen Beitrag auf der Basis von 2014 von 8,5 Milliarden € –, kann man sich ausrechnen, dass man bei der Dynamik, wenn es etwa über die Umsatzsteuer oder andere dynamische Größen den Ländern zugewiesen wird, im Jahr 2019/2020 zu einem entsprechend höheren Anteil kommt.

Das heißt, wir reden hier nicht darüber, dass dem Bundesfinanzminister plötzlich etwas völlig anderes abverlangt wird, es sei denn, er hat unterstellt, dass es überhaupt keine Dynamik gibt, sondern dass ein Betrag festgelegt wird, der dann für alle Zeiten gilt. Dass das die Länder nicht akzeptieren würden, ist, glaube ich, nachvollziehbar.

Danke schön. – Die nächste Frage stellt Herr Kollege Terhaag.

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Minister, ein Kritikpunkt des Bundesministeriums der Finanzen ist die Forderung der Länder, die Einnahmen der Förderabgabe nur teilweise in den Länderfinanzausgleich einzubeziehen. Insbesondere die Länder mit hohen Einnahmen aus der Förderabgabe würden so künstlich ärmer gerechnet. Laut dem Bundesministerium der Finanzen sei dies verfassungswidrig.

Herr Minister, können Sie uns bitte erläutern, wie dieser offenbar verfassungswidrige Vorschlag in das Länderkonzept gelangen konnte bzw. ob Sie in Ihrem Haus die Verfassungskonformität des Ländervorschlages haben prüfen lassen?

Auch das ist ja keine neue Regelung, sondern die Regelung ist die gewesen, dass die Förderabgabe der Länder – das sind insbesondere Niedersachsen und Schleswig-Holstein – in dem ursprünglichen System, das, glaube ich, bis 2001 …

(Der Minister hält Rücksprache mit seinen Mit- arbeitern, die hinter ihm sitzen.)

Damals ist die vollkommen herausgenommen worden. Damals war die Förderabgabe überhaupt nicht Bestandteil. Dann ist damals darauf gedrängt worden, dass sie in den Länderfinanzausgleich im engeren Sinne einbezogen worden ist. Auf dieser Basis ist dann weiter verhandelt worden.

Das heißt, nach meiner Ansicht war das schon bestehende Modell zu keinem Zeitpunkt als nicht verfassungskonform in der Diskussion. Auf dieser Basis hat man das jetzt weiterentwickelt.

Auch da sage ich noch einmal – genau wie bei der Einwohnerwertung –: Ich persönlich würde in einem Modell, das ich für mich alleine mache, natürlich die Förderabgabe in voller Höhe einbeziehen. Ich würde auch die kommunale Finanzkraft in voller Höhe einbeziehen. Das hat aber zum Beispiel wieder Bayern nicht mitgemacht. Das wäre möglicherweise für uns sogar geringfügig auch negativ gewesen. Es würde aber aus meiner Sicht dazugehören.

Deswegen gibt es für mich keine Anzeichen, dass das etwa nicht verfassungskonform wäre. Wenn eine Überprüfung dazu führen würde, dass die Förderabgabe in voller Höhe einbezogen werden müsste, würden Sie mich hier stehen sehen und traurig dreinblicken. Dann müsste man das ändern. Es gibt aber keinen Anlass, das für den Moment anzunehmen.

Vielen Dank, Herr Minister. – Die nächste Frage hat Herr Kollege Ellerbrock.

Herr Minister, ich erinnere, dass Sie selbst, aber auch die Ministerpräsidentin, das Verhandlungsergebnis zum Länderfinanzausgleich 2015 als „Sternstunde für den Föderalismus in Deutschland“, als „positives Ergebnis für den Föderalismus in Deutschland“ beschrieben haben.

Dem steht gegenüber, dass der Bundesfinanzminister, weite Teile der Wissenschaft, aber auch der Kollege Witzel sowie der Kollege Lindner hier dargestellt haben, dass negative Anreizwirkungen des Ministerpräsidenten-Konzeptes zu erkennen sind. Das haben wir kritisiert. Der Bundesfinanzminister hat sogar schon verlautbaren lassen, dass es durch die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen in einigen Fällen sogar schon zu Überkompensationen gekommen ist.

Die Frage, die ich daraus ableite, lautet: Können Sie uns einmal erläutern, warum ein Finanzausgleichsystem, das die Länder belohnen kann, die ihre Finanzkraft eben nicht stärken, ein gutes Ergebnis für den deutschen Föderalismus sein soll, wenn doch durch den Bundesfinanzminister fachlich genau das Gegenteil festgestellt wird?

Zunächst einmal: Die Bewertung, dass das, was wir im vergangenen Jahr gemeinsam zustande gebracht haben, ein positives Zeichen – da hat niemand von einer „Sternstunde“ gesprochen; das haben Sie ja

auch selbst korrigiert – für den Föderalismus war, unterstreiche ich auch heute noch.

Es gab viele, unter anderem auch in Ihren Kreisen, die unterstellt haben: Die kommen nie zu einer Einigung, und das Ganze wird bis 2020 vor die Wand gefahren sein. – Aber: Es hat eine Einigung gegeben, und zwar eine Einigung, der alle 16 Länder zugestimmt haben. Dass die Oppositionen in allen 16 Ländern ihren Regierungen sagen, dass sie für ihr Land mehr hätten rausholen müssen, ist das Selbstverständlichste, was ich mir überhaupt vorstellen kann.

Der Bundesfinanzminister bewertet das Ganze aus seiner Sicht. Und Sie sagen zu Recht: „Teile der Wissenschaft“. Es gibt immer wissenschaftliche Untersuchungen, in denen es heißt: Ich hätte es anders gemacht. – Für Wissenschaftler ist manchmal auch neu, dass man einen Kompromiss schließen muss. So etwas passt nicht in die Wissenschaft, wo man mit einer Formel arbeitet, um ein Ergebnis auszurechnen.

Daher kann ich mir sehr gut vorstellen, dass auch ein Professor Lenk sagt: Ich hätte es anders gemacht. – Es geht aber darum, ein tragfähiges und vorzeigbares Ergebnis zu finden, das am Ende alle mittragen können. Die Frage ist, ob man morgen Abend dazu kommt oder nicht. Diese Frage kann ich Ihnen heute jedoch nicht beantworten.

Vielen Dank. Jetzt Herr Kollege Witzel zu seiner zweiten Nachfrage.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans, vor dem Hintergrund dessen, was Sie gerade hier gesagt haben, stelle ich fest: Sie haben bei den Verhandlungen eine große Chance ausgelassen.

(Zuruf: Frage!)

Sie haben gerade dargestellt, dass heute nicht sicher prognostiziert werden kann, wie die Finanzströme im neuen Länderfinanzausgleich 2020 aussehen.

Meine Frage lautet deshalb: Warum haben Sie nicht das gemacht, was den Ländern viel mehr Handlungsspielräume gegeben hätte, auf zukünftige Lagen zu reagieren, nämlich einen Wettbewerbsföderalismus einzuführen, der den Ländern innerhalb gewisser Bandbreiten selber Gestaltungsmöglichkeiten gibt, für ihre Finanzeinnahmen besser sorgen zu können, statt wiederum diesen Flickenteppich aus vielen einzelnen Ausgleichsmechanismen in einem sehr komplizierten System zu verabreden?

Warum haben Sie zu denen gehört, die sich einem solchen Modell von Öffnungsklauseln für Wettbewerbsföderalismus und damit sinnvollen Anreizen für die Länder versperrt haben?

Weil der Wettbewerbsföderalismus, wie er Ihnen vorschwebt, wie er teilweise auch meinem Kollegen Söder in Bayern vorschwebt, das Gegenteil dessen ist, was der Länderfinanzausgleich nach dem Grundgesetz bewirken soll: eben nicht die Diskrepanzen zu verschärfen.

Genau das wäre nämlich der Fall, weil am Ende die Länder mit den größten Problemen – das wären wieder nicht wir, weil wir in der Mitte liegen –, also die Länder, denen es wirklich schlecht geht, mit ohnehin niedrigen Steuern sich praktisch am Steuerdumping beteiligen müssten, während andere Länder bessere Möglichkeiten hätten. Erstere Länder wären diesem Wettbewerbsföderalismus völlig ausgeliefert.

Genau an diesem Punkt sagt das Grundgesetz: Wir müssen auf der Einnahmenseite eine gewisse Angleichung herbeiführen, damit auf dieser Grundlage ein Wettbewerb um die besten Standorte möglich ist.

Das darf aber nicht sozusagen auf beiden Seiten geschehen, nach dem Motto: Ich mache es, indem ich auf der einen Seite die Preise senke und auf der anderen Seite die Leistungen erhöhe. Das könnten sich Länder wie Mecklenburg-Vorpommern, SchleswigHolstein oder Thüringen überhaupt nicht leisten. Das ist der Grund, warum wir das ablehnen und warum wir für ein Ausgleichssystem sind.

Ich habe es bereits häufig gesagt: Sie werden mit Ihrem Wettbewerb tun können, was Sie wollen, aber Sie werden beispielsweise nicht morgen Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern anstelle von Frankfurt zum Finanzzentrum machen können. Dass Frankfurt diese Stellung hat, beruht nicht auf Leistungen der hessischen Landesregierung.

Es gibt auch eine Reihe von Dinge, die in München passieren, die aber dennoch nicht Leistung der Bayerischen Staatsregierung sind. Vielmehr ergeben sie sich aus Standortvorteilen und geschichtlichen Entwicklungen. Das hat sich so ergeben; und diese beiden Länder werden an anderer Stelle verpflichtet, die Standortbedingungen in anderen Ländern mit zu verbessern.

Diese Grundidee verfolgt das Grundgesetz mit den Artikeln, die sich dem Länderfinanzausgleich widmen. Auf dieser Basis haben wir den Kompromiss erzielt.

Vielen Dank. Herr Lürbke zu seiner zweiten Nachfrage, und damit ist dann auch sein Fragerecht erschöpft.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Finanzminister, ich würde meine zweite Frage gerne noch ein bisschen zuspitzen. Um es mal ganz konkret zu fassen: Wie sieht denn jetzt der ak

tuelle Verhandlungsstand zwischen Bund und Ländern aus? Ganz konkret: Wann rechnen Sie denn mit einer Einigung? – Herzlichen Dank.

Ich bin derzeit bei den Tippspielen zur Europameisterschaft grandios schlecht. Unter den 20 Teilnehmern, die dabei mitmachen, liege ich nicht gut im Rennen. Daher würde wohl eine Rolle als Prophet für morgen Abend nicht dem gerecht, was ich eigentlich zu tun habe.

Ich kann Ihnen nur sagen: Es gibt unterschiedliche Interessen. Es kann sein, dass sich die Regierungschefs in ihrer versammelten Weisheit zu einer gemeinsamen Lösung durchringen.

Es kann auch sein, dass sie am Ende auseinandergehen und sagen: Auf dieser Grundlage, die der Bund bereit ist, mit darzustellen, kommen wir hier nicht zusammen. Das kann reichen von einer Lösung, die morgen auf einen späteren Zeitpunkt in dieser Legislaturperiode vertagt wird, es kann aber auch darüber hinausgehen. Ich kann das nicht abschätzen. Das wird man sehen müssen.

Ich sage dazu: Mich macht die Frage, wann eine Lösung zustande kommt, wesentlich weniger nervös als eine ganze Reihe anderer Länderfinanzminister, die für ihre mittelfristige Finanzplanung auf das, was bei diesem Kompromiss für sie herauskommen muss, wesentlich mehr angewiesen sind als wir. Insofern sehe ich das mit einer gewissen Gelassenheit, gleichzeitig aber mit dem dringenden Wunsch, jetzt nicht eine Lösung, die viel Zeit und Schweiß gekostet hat, wieder verwässern zu lassen. Deswegen wünsche ich mir schon, dass man morgen auch zu einem Ergebnis kommt.

Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Kollege Alda stellt seine zweite Frage. Damit ist auch sein Fragerecht erschöpft.

Frau Präsidentin! Herr Minister Dr. Walter-Borjans, abseits von Ihrer Selbstkritik bei den Tippmöglichkeiten bei der EM interessiert mich: Welches sind die wichtigsten Unterschiede zwischen den Modellvorschlägen des Bundesfinanzministeriums und den Ihrigen? – Danke.

(Zuruf von der SPD: Stellen Sie doch eine Große Anfrage!)

Ich habe das eben schon gesagt. Wir können das verkürzen auf den Nenner, dass der Bund natürlich versucht, mit weniger Anteil dabei herauszukommen, was dann dazu führt, dass es eine geringfügige Verschiebung in den Anteilen gibt, aber am Ende so,

dass sich die Länder schlechter stehen. Das wird die Grundlage sein.

Sie selbst wissen doch auch: Wenn diskutiert und verhandelt wird, war es bisher immer eine Neigung des Bundesfinanzministers, nicht ein Paket allein zu behandeln, sondern möglichst viele zusammenzubringen. Das heißt: Morgen wird auch über Flüchtlingshilfe und noch ein paar andere Punkte geredet.

Dann wird man aufpassen müssen – und das ist immer die Vorsicht, die ich walten lasse, wenn ich mit dem Bundesfinanzminister und den anderen Kolleginnen und Kollegen der Länder rede –, dass nicht eine Zahl genannt wird, die dadurch, dass andere Zahlen mit in den Topf gerührt worden sind, schön aussieht, aber am Ende schlecht wirkt.