Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst will ich für die SPD-Fraktion, aber auch für mich persönlich ganz deutlich sagen, lieber Kollege Herrmann: Es ehrt Sie, dass Sie auf die schrecklichen Ereignisse in Bagdad Bezug genommen haben, und Sie treffen durchaus auf unsere Zustimmung, wenn Sie sich zur religiösen und gesellschaftlichen Vielfalt in der Bundesrepublik Deutschland und in Nordrhein-Westfalen bekennen.
Auch die Tatsache – das wird Sie womöglich überraschen –, dass Sie im Wesentlichen die Punkte unseres Entschließungsantrages in Ihren Antrag überführt haben und hier erneut zur Diskussion stellen, finden wir nicht nur nicht schlimm, sondern wir halten es durchaus für wünschenswert, dass wir zu diesem wichtigen Thema nicht nur hier im Plenum, sondern auch im Fachausschuss die Diskussion und den Dialog fortsetzen.
Für uns ist eines klar – das sollte mittlerweile schon Allgemeingut sein –: Eine wirksame Konzeption zur Bekämpfung des gewaltbereiten Salafismus muss zwei Elemente haben, nämlich nicht nur ein repressives, sondern insbesondere auch ein präventives. Das bedeutet einerseits die gezielte Bekämpfung aller terroristischen Bestrebungen durch die Sicherheitsbehörden und andererseits die Verhinderung
von Radikalisierung sowie der Ausstieg aus extremistischen Bestrebungen. Beides dient mit gleicher Gewichtung dem Kampf gegen politischen Extremismus sowie dem religiös orientierten Fundamentalismus und dem Terrorismus.
Ja, wir haben vor über einem Jahr einen Antrag gestellt, dessen Zielsetzung klar umrissen war. Vorsichtig ausgedrückt, gibt es in einigen Punkten auch aus unserer Sicht sicherlich noch Handlungsbedarf. Ein paar Punkte kann man jedoch nicht so stehenlassen, Herr Herrmann.
So bin ich der Meinung, dass wir uns im Zusammenhang mit dem Programm „Wegweiser“ in die richtige Richtung bewegen.
All das aber, was wir von betroffenen kommunal Beteiligten, von Institutionen und Organisationsstrukturen, die mit diesem Programm zu tun haben, hören, widerspricht Ihren Vorurteilen und Vorbehalten gegen die organisatorische Verankerung des Programms beim Ministerium für Inneres und Kommunales. Das will ich mal ganz deutlich sagen, lieber Herr Kollege!
Wir befinden uns in einer Situation, wo wir eine gesteigerte Nachfrage aus den Kommunen, aus den Regionen des Landes verzeichnen. Das macht sehr deutlich, dass wir richtig unterwegs sind und auch tüchtig an Tempo zulegen. Allerdings haben wir unser Ziel noch lange nicht erreicht, nämlich das gesamte Land mit Angeboten dieser Art zu versorgen. Daran arbeiten wir. Wir befinden uns jedoch – und da darf ich Ihnen ganz deutlich widersprechen – auch hinsichtlich der Prävention auf dem richtigen Weg.
In Richtung der anderen Seite des Hauses sage ich Folgendes: Auch die Tatsache, dass sich drei dringend Tatverdächtige bei dem Attentat auf den SikhTempel im Umfeld eines „Wegweiser“-Programms befanden, bietet in keiner Art und Weise Anlass zur Kritik oder gar zur Diffamierung des Projekts „Wegweiser“.
Die Tatsache, dass es da Menschen gibt, die als mögliche Straftäter in Erscheinung getreten sind, zeigt, dass sich das Programm tendenziell in die richtige Richtung bewegt. Gerade solche Menschen wollen wir erreichen. Es ist schade und in jedem einzelnen Fall traurig, wenn es Menschen gibt, die trotz allem nicht umkehren, und die wir trotz allem nicht erreichen. Das bedeutet aber nicht, dass präventive Bestrebungen falsch wären – aus unserer Sicht ist vielmehr das glatte Gegenteil der Fall.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt ein paar andere Punkte, über die wir uns gerne fachlich austauschen möchten, zum Beispiel die Frage, wie wir auf die verstärkte Radikalisierung über das Internet angemessen reagieren – nicht nur mit staatlichen Mitteln, sondern auch zivilgesellschaftlich. All das kann im Rahmen einer Erörterung innerhalb des Ausschusses vertieft werden.
Wir sollten uns die Arbeit, die die Regierung in so vielfältiger Weise leistet, vorstellen lassen, auch bezogen auf die Koordination dieser verschiedenen Bestrebungen. Denn eine Erkenntnis teilen wir alle gemeinsam: Prävention kann man nicht in einem Fachbereich alleine bewerkstelligen; Prävention ist nur ressort- und fachbereichsübergreifend möglich.
Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg. Aber nicht zuletzt deshalb, weil wir den Weg mit Ihnen noch eingehend diskutieren möchten und für Anregungen offen sind, freuen wir uns auf die Beratungen im Ausschuss. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Extremistische Bestrebungen haben in Nordrhein-Westfalen zurzeit Hochkonjunktur. Das hat nicht zuletzt der NRW-Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2015, den der Innenminister in der vergangenen Woche vorgestellt hat, mehr als deutlich in unser Bewusstsein gerückt. Egal ob Salafismus, Linksextremismus, Rechtsextremismus oder Wirtschaftsspionage – die Kerndaten des Verfassungsschutzberichts weisen in nahezu allen Extremismusbereichen steigende Fallzahlen auf.
Vor diesem Hintergrund ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass die Piratenfraktion in ihrem vorliegenden Antrag ein ganzheitliches Präventionskonzept von der Landesregierung fordert. Irritierend in diesem Zusammenhang sind aus Sicht der CDUFraktion allerdings zwei Punkte:
Erstens. Auf Seite 2 des Piratenantrags werden Personalverstärkungen bei Polizei und Verfassungsschutz sowie der geplante Ausbau der Videoüberwachung kritisiert. Stattdessen sollen nach Ansicht der Piraten lieber zivilgesellschaftliche Projekte gefördert werden.
Derart einseitige Lösungsvorschläge sind aus Sicht der CDU-Fraktion nicht zielführend. Wir sagen ganz deutlich: Lassen Sie uns das eine tun, ohne das an
dere zu lassen. Um verfassungsfeindliche Bestrebungen zu bekämpfen, bedarf es der richtigen Mischung aus Repression und Prävention. Wie auch in anderen Bereichen brauchen wir beides: wachsame und gut ausgestattete Sicherheitsbehörden sowie tragfähige Präventionskonzepte.
Dass die Piraten die Repression offenbar komplett einstellen wollen, gleichzeitig aber ein ganzheitliches Handlungskonzept fordern, ist bereits ein Widerspruch in sich. So haben wir es jedenfalls aufgefasst.
Zweitens. Gerade im Bereich der links- und rechtsextremistisch motivierten Straftaten gab es in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr ganz erhebliche Zuwächse. So ist die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten um 35 % gestiegen, die der linksextremistischen gar um 70 %.
Die Zahl der linksextremistischen Gewalttaten ist in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr sogar um mehr als 100 % gestiegen. Das bedeutet nicht nur eine Verdopplung der Gewalttaten seit 2010, sondern zugleich der Höchststand an linksextremistisch motivierter Gewalt im Zehnjahresvergleich.
Vor diesem Hintergrund ist nicht klar, weshalb das Thema „Extremismus“ in dem vorliegenden Piratenantrag ausschließlich im Hinblick auf den Salafismus behandelt wird.
Wir als CDU fordern demgegenüber ein konsequentes Einschreiten gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen jeder Art, und zwar unabhängig davon, ob sie vom rechten oder vom linken Rand des politischen Spektrums ausgehen,
oder aber ob sie religiös-fundamentalistisch motiviert sind. Dieser Aspekt kommt aus unserer Sicht im vorliegenden Piratenantrag zu kurz.
Er kommt aus unserer Sicht zwar zu kurz; aber selbstverständlich werden wir der Überweisungsempfehlung durch den Ältestenrat folgen. Außerdem freuen wir uns auf eine konstruktive Diskussion mit Ihnen im Ausschuss. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Korte. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Bas.
Antrag der Piratenfraktion befasst sich mit dem geforderten ganzheitlichen Präventions- bzw. Handlungskonzept gegen die Radikalisierung junger Menschen in Richtung hin zum gewaltbereiten Salafismus.
Als ich diesen Antrag das erste Mal gesehen habe, habe ich gedacht: Das könnte auch eine Kleine Anfrage sein; denn damit hätten wahrscheinlich auch viele der Fragen beantwortet werden können, welche die Piratenfraktion jetzt aktuell aufwirft.
Um es vorab zu sagen: Ich finde es gut, dass sich auch die Piratenfraktion mit diesem dringenden Thema befasst und mit ihrem Antrag den Weg der Prävention unterstützen möchte.
Auch möchte ich an dieser Stelle die Differenzierung bei den Begrifflichkeiten des Salafismus lobend erwähnen; denn das gelingt nicht allen politischen Akteurinnen und Akteuren, wenn sie über dieses Thema sprechen.
Jeder junge Mensch, den wir vor einer Radikalisierung in Richtung gewaltbereiter Salafismus bewahren oder den wir da herausholen können, bedeutet einen wichtigen Sieg gegen eine menschenverachtende und gewaltbereite Ideologie, die derzeit unter dem Deckmantel des Glaubens von sich reden macht.
Ich muss sagen, dass mir die vielen während des Ramadans begangenen Attentate sehr ans Herz gegangen sind und dass sie mich schwer aufgeschreckt haben. Diese Taten zeigen, dass die Terroristinnen und Terroristen letztlich keinen Respekt vor der Religion haben und sie die Religion im Grunde nur ausnutzen. Die grausamen Anschläge des sogenannten IS zeigen, dass wir alle unter Handlungsdruck stehen.
Bereits im März 2015 haben wir deshalb zu Recht mit den Stimmen der rot-grünen Koalition in einem Antrag ein ganzheitliches Handlungskonzept gefordert, welches wir baldigst erwarten.
Nun aber zum Antrag der Piratenfraktion. Liest man diesen Antrag, entsteht der Eindruck, dass die Landesregierung bisher kaum etwas an Maßnahmen gegen den gewaltbereiten Salafismus in die Wege geleitet hätte. Erfolgreiche Präventionsprogramme wie „Wegweiser“ werden kaum gewürdigt. Lediglich die Andockung an den Verfassungsschutz wird hier erwähnt. Auf der einen Seite kann ich dies nachvollziehen. Auf der anderen Seite aber war es letztendlich das Innenministerium, welches im Hinblick auf den Aspekt der Prävention zuerst nach vorne gegangen ist.
Maßnahmen gegen den gewaltbereiten Salafismus müssen immer den Dreiklang „Prävention, Ausstieg und Repression“ beinhalten. Vor diesem Hintergrund sind die einzelnen Ministerien in unterschiedlicher Weise schon länger unterwegs. Das gerade schon
beschriebene „Wegweiser“-Programm wird in diesem Jahr in NRW von sieben auf insgesamt 13 Beratungsstellen – unter anderem im Münsterland und in OWL – ausgeweitet.
„Wegweiser“ hat bisher rund 3.000 Beratungskontakte gehabt. Wöchentlich wenden sich etwa 50 Hilfesuchende an diese Stellen. Diese Kontakte umfassen telefonische Gespräche mit bis zu 100 jungen Menschen, die sich in intensiver Einzelbetreuung befinden. Neben der Sozialarbeit gehört auch das Einbeziehen von muslimischen Gemeinden, Schulen und Jugendämtern dazu, ebenso das Ausstiegsprogramm „Islamismus“, welches derzeit etwa 25 Personen beim Ausstieg aus der Szene behilflich ist.
Im Bereich der Forschung – auch das war eine Frage im Antrag – haben wir für die erste Anschubfinanzierung im Bereich der religiösen Radikalisierung Gelder bereitgestellt. Hier finden derzeit Gespräche mit den Hochschulen statt.