Nun ist die Frage: Besteht überhaupt eine Funktionsstörung bei einem Rat, bei mehreren Räten? Besteht Bedarf, zu handeln? Nach Auffassung des Kollegen Mario Krüger, Bündnis 90/Die Grünen, besteht der Bedarf nicht, zumindest bestand er nicht. An dieser Stelle hat er nämlich am 26. September 2013 zum Thema „Sperrklausel“ gesagt – ich zitiere –:
Die Bestätigung dazu hat übrigens die von der SPD zur Anhörung eingeladene Ratsfrau aus der Stadt Köln geliefert, die sich in der Anhörung dahin gehend äußerte, dass eine Funktionsunfähigkeit ihrer Meinung nach nicht festzustellen sei.
Wir von der FDP haben mehrfach von den Antragstellern Nachweise eingefordert, dass über das Gefühl hinaus, dass es immer schwieriger und immer umfangreicher geworden sei, Handlungsunfähigkeit
droht. Ich kann feststellen, dass diese Nachweise bislang nicht zu unserer Zufriedenheit erbracht worden sind. Diese sind Sie schuldig geblieben.
Gestern und heute haben wir gehört, es müsse nicht nur um die abschließende Handlungsunfähigkeit gehen, sondern die drohende Funktionsunfähigkeit reiche aus. Zugegebenermaßen waren die Sachverständigen diesbezüglich in der Anhörung unterschiedlicher Auffassung.
Fest steht aber – und das ist der wichtige Punkt –: Nicht wir, die Nichtantragsteller, sind gefordert, die Funktionsfähigkeit nachzuweisen, sondern Sie, die Antragsteller, müssen die Funktionsunfähigkeit empirisch nachweisen.
Diese Funktionsunfähigkeit hat der Kollege Krüger am 26. September 2013 noch anders gesehen. Damals hat er nämlich in Richtung der Kollegen Körfges und Biesenbach hier gesagt – ich zitiere –:
„Herr Körfges oder Herr Biesenbach, nennen Sie mir aber nur ein Beispiel, wo eine Haushaltssatzung deshalb nicht verabschiedet werden konnte, weil der Rat derart zersplittert war beziehungsweise sich nicht einigen konnte. Ich kenne kein Beispiel.“
Wahrscheinlich ist genau diese Aussage der Grund dafür, warum Herr Krüger weder gestern noch heute in dieser Debatte sprechen durfte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, nach der gestrigen und heutigen Debatte sind Sie wenn schon nicht dem Hohen Hause, aber doch mindestens der Bevölkerung sowie den Wählerinnen und Wählern eine Erklärung dieser 180-Grad-Wende schuldig. Diese ist jedoch ausgeblieben.
Drittens. Grundsatz liberaler Politik und eines unserer Alleinstellungsmerkmale ist es, bei staatlichem Handeln stets nach dem mildesten Mittel zur Zielerreichung zu suchen.
Ich muss feststellen, dass eine solche Suche seitens der Antragsteller gar nicht erst angetreten wurde. An unterschiedlichen Stellen haben wir Freien Demokraten das eingefordert. Viele Sachverständige haben sich ähnlich geäußert. Man könnte zum Beispiel über das Kumulieren und Panaschieren sprechen, über eine Änderung der Geschäftsordnung eine Straffung erreichen, die Position der Bürgermeister stärken, die Bildung technischer Fraktionen erschweren, Fragerechte straffen usw. Prof. Oebbecke hat in der Anhörung hierzu wie folgt ausgeführt:
„Sie sind, was im Übrigen die Verfassung der Kommunen anbelangt, extrem frei in allem Möglichen, und Sie suchen sich dann die Stelle aus, wo Sie am engsten beschränkt sind.“
Im Ziel besteht Einigkeit: die Erhaltung der Attraktivität des kommunalen Ehrenamtes. Aber Sie sind Nachweise der Funktionsunfähigkeit schuldig geblieben, haben mildere Mittel nicht gesucht.
Der Innenminister, der ja auch für den Schutz unserer Verfassung zuständig ist, sagte hier lapidar: „Es ist den Versuch wert“.
Dazu kann ich nur sagen: Für uns Freie Demokraten ist dies kein angemessenes Motto für den Umgang mit unserer Landesverfassung. Das sollte auch nicht der Umgang der Landesregierung bzw. eines Ministers mit unserer Landesverfassung sein. Wir werden uns der Stimme enthalten.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause! Wir reden über das Demokratieabbaugesetz. Ich wiederhole noch einmal aus der Anhörung:
Es geht um den Ernstfall der Demokratie. Die Demokratie ist vom Staatsvolk aus zu denken. Sie ist nicht zu denken vom Arbeitsaufwand von Kommunalparlamenten.
und – leider! – dieses Gesetz mit Ihnen gemeinsam zu verabschieden. Denn hinterher heißt es: Der Landtag war es!
Ich habe lange darüber nachgedacht, aber ich finde keine Antwort darauf, wie es sein kann, dass eine
Meine Damen und Herren, Sie haben es nicht geschafft, in der Anhörung – da können Sie hundertmal das Gegenteil behaupten – auch nur einen einzigen Vertreter aus einem Rat zu finden, der gesagt hätte: Es gibt tatsächlich eine strukturelle Funktionsunfähigkeit. Einzelne lange Sitzungen können dafür nicht herhalten. Einzelne lange Beratungen, wo in einem Rat über Milliardenhaushalte geredet und über 200 Millionen € in einer Stunde entschieden wird, können dafür nicht herhalten.
Sie haben gestern hier gesagt, dass es gar nicht um die tatsächliche Funktionsunfähigkeit geht – was übrigens das Verfassungsgericht sagt –, sondern die drohende Funktionsunfähigkeit würde schon ausreichen. Heute sprechen Sie hier gerade von der Funktionsunfähigkeit. Herr Kollege Mostofizadeh hat versucht, es noch einmal umzudefinieren; denn funktionsfähig ist ein Kommunalparlament nur dann, wenn es auch gestalten kann. Entschuldigung, dann ist das Kommunalparlament in Neuss funktionsunfähig! Denn da wird der neugewählte SPD-Bürgermeister ständig von der CDU blockiert. Wie wollen Sie denn so etwas verhindern? Das schaffen Sie mit einer Sperrklausel auf gar keinen Fall.
Dieses Demokratieabbaugesetz wird Ihnen um die Ohren fliegen. Wenn wir das hier gleich beschließen, werde ich als ein Mitglied der meistbetroffenen Partei aus dem Saal und zu meinem Landesvorstand gehen. Dann werden wir noch heute erste Schritte einleiten, um gegen dieses Gesetz zu klagen.
Ja, da können Sie tausendmal buhen, das ist mir völlig egal. Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie damit durchkommen: Wir sehen uns in Karlsruhe wieder; das kann ich Ihnen hiermit versprechen. Denn die Wahlrechtsgleichheit fußt einzig und allein – das wurde in der Anhörung gesagt – auf Art. 28 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz. Und beim Grundgesetz, meine Damen und Herren, sind wir konservativ.
Sie sagen: Wir haben das ja wissenschaftlich begleitet. Das geschah, indem ein Professor damit beauftragt wurde, die Bürgermeister – nicht die Ratsvertreter – zu fragen, wie es denn in ihrer Stadt so aussieht. Dann wurde ein Fragebogen vorgelegt. Ich habe ein
Beispiel aus der Stadt Köln. Da steht überall auf diesem Fragebogen: „Es ist kein Problem“. Danach kommt eine Abschlussfrage: „Glauben Sie, dass die Funktionsunfähigkeit des Rates gegeben ist?“ – Und wo überall vorher steht „Kein Problem, genug Zeit, alles gut“, wird am Ende angekreuzt: „Ja“.
Wenn das Ihre wissenschaftliche Vorgehensweise bzw. Ihr Beweis für die Funktionsunfähigkeit von Räten ist, meine Damen und Herren, dann weiß ich nicht, was ich noch unter „wissenschaftlich“ verstehen darf.
Meine Damen und Herren, es tut mir leid, ich rege mich darüber auf – und auch in der Anhörung war es so –: Es kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein, die Jasager zu fragen, ob sie „Ja“ sagen wollen.
Das ist eigentlich schade, denn ich würde den Kollegen Nettelstroth gerne noch fragen, wie er denn glaubt, sich vor einer Wahl zusammenschließen zu können, wie er es gestern vorgeschlagen hat: Dann schließen Sie sich doch einfach mit anderen Parteien zusammen, dann kommen Sie über die Hürde! – Meine Damen und Herren, die einzigen, die es schaffen, sich zusammenzuschließen, um über die Hürde zu kommen, kommen vom rechten Rand. Und das sind genau die, die wir nicht haben wollen.