Protocol of the Session on June 9, 2016

Herzlichen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Stein, willkommen im 21. Jahrhundert! Ich finde, dieser Antrag ist nach der ernsten Debatte heute Morgen gut dazu geeignet, ein wenig Heiterkeit ins Parlament zu tragen.

Dieser Antrag fängt beispielsweise mit der bahnbrechenden Neuigkeit an, dass der technische Fortschritt voranschreitet und damit auch die Digitalisierung der Gesellschaft und – jetzt kommt die absolut neue Erkenntnis – dass diese Digitalisierung alle Lebensbereiche umfasst.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Auf so etwas wären wir nie gekommen, wenn wir nicht die CDU hier im Landtag hätten, meine Damen und Herren.

Lieber Herr Stein, ich hab mir einmal den Spaß erlaubt und von meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach E-Government-Initiativen der CDU suchen lassen, die Sie in dieser Legislaturperiode angestoßen haben. Das Ergebnis ist: null Anträge, null Gesetzentwürfe.

Dann habe ich mir gedacht, dann müsse doch etwas in der letzten Legislaturperiode gewesen sein. Wenn man so umfassend Kritik übt wie in Ihrem Antrag, muss man doch früher eigentlich schon alles gewusst haben. Auch hier war das Ergebnis der Suche: null Anträge, null Gesetzentwürfe.

Dann habe ich gesagt: Dann muss dieses Wissen oder diese Erkenntnis schon viel früher gereift sein; suchen Sie doch bitte noch im Zeitraum von 2005 bis 2010. – Ergebnis: null Anträge, null Gesetzentwürfe.

Heute, im Juni 2016, liegt uns ein Antrag mit dem Datum 31. Mai 2016 vor. Das ist die erste Befassung mit der Frage der Digitalisierung durch die CDU. Ich sage ja: Willkommen im 21. Jahrhundert! – Das zum einen.

Zum anderen: Sie reden über Estland. Da wundert man sich, welche Folgen so mancher Klassenausflug hat. Es bedurfte des Besuchs von Ihrem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Kollegen Laschet, dass Ihre Fraktion überhaupt mal auf das Thema „Digitale Verwaltung“ gestoßen ist.

Ihre Kollegen in Estland sind da in der Tat Jahrzehnte voraus. Was ist in Estland geschieht, ist wirklich großartig – gar keine Frage. Aber Estland kann man nun einmal nicht mit Nordrhein-Westfalen vergleichen. Estland hat 1,3 Millionen Einwohner, Nordrhein-Westfalen bekanntermaßen 18 Millionen Einwohner, Deutschland 80 Millionen Einwohner. Das geht einher mit einem Staatsaufbau von Bund, Ländern und Kommunen. Ich denke, jedem leuchtet ein, dass das Ganze in Deutschland etwas komplizierter ist als in Estland.

Letzter Punkt: Was tut die Landesregierung?

(Zuruf von der CDU: Wie immer nichts!)

Anscheinend ist unser Gesetzentwurf ein bisschen an Ihnen vorbeigegangen. Das gilt übrigens auch für die vom Kollegen Guido van den Berg vorhin zitierte

Expertenanhörung. Der Tenor dieser Expertenanhörung: breite Zustimmung.

Herr Stein, ich habe meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gebeten, auch einmal nachzuschauen, wie viele kritische Nachfragen Sie denn gestellt haben und wie viele gute Vorschläge Sie denn gemacht haben. – Kritische Nachfragen: null. Gute Vorschläge – jetzt raten Sie einmal –: auch null.

(Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, wir hätten ja versuchen können, im Ausschuss eine kritische Auseinandersetzung zu diesem Thema zu führen. Das geht bedauerlicherweise nicht, weil der Antrag heute zur direkten Abstimmung gestellt worden ist. Das finde ich aber auch gar nicht so schlimm.

(Zuruf von der CDU: Sagt der Pannenminis- ter!)

Es tut diesem Antrag wirklich gut, dass er heute direkt abgestimmt wird und nicht mehr fachlich im Ausschuss beraten werden muss.

(Zuruf von der CDU: Meine Güte!)

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Jäger.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der CDU hat direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt dem Antrag zu? – Die CDUFraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne und Piratenfraktion. Wer enthält sich? – Es enthält sich die FDP-Fraktion. Es hilft alles nichts – der Antrag Drucksache 16/12126 ist mit breiter Mehrheit abgelehnt.

Damit kommen wir zu:

4 Inklusion qualitativ gestalten – Kinder und Ju

gendliche mit Sprachbehinderung angemessen unterstützen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/12110

Ich eröffne die Aussprache und erteile Frau Kollegin Gebauer von der FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über das große Thema „Inklusion“, speziell über die schulische Inklusion, über die Zustände an unseren Schulen und die Befindlichkeiten unserer

Lehrerinnen und Lehrer haben wir heute Morgen schon gesprochen, und das nicht zum ersten Mal.

In dieser Debatte werden wir heute nicht zum letzten Mal darüber sprechen; auch beim nächsten Tagesordnungspunkt werden wir uns mit der schulischen Inklusion befassen. Gleichwohl – lassen Sie mich auch das sagen – bin ich erneut erstaunt darüber, wie sehr doch die verschiedenen Reaktionen, die wir heute Morgen schon vernehmen konnten, immer wieder an dieser Landesregierung abprallen.

Ich hoffe doch, dass wir das große Thema „Nachsteuerung“ nun endlich auch angehen, so wie es uns immer versprochen wird. Das würde mich im Hinblick auf die Chancen aller Kinder freuen, aber natürlich ganz besonders im Hinblick auf die Chancen unserer Kinder mit Handicaps. Chancen gibt es ja noch, und bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Von daher bin ich gespannt, was seitens der Landesregierung noch an Nachbesserungen kommt.

Jetzt aber konkret zum Antrag: Dabei geht es um einen zahlenmäßig eher kleineren Schwerpunkt, nämlich den Förderschwerpunkt der Sprachbehinderung. Gleichwohl sollte man nicht die jeweiligen Einschränkungen unterschätzen, die mit einer Sprachbehinderung einhergehen.

Dieser Förderschwerpunkt wird aus Sicht der Betroffenen, aber auch aus unserer Sicht stiefmütterlich behandelt. Wir alle, auch die regierungstragenden Fraktionen, haben ja in den letzten Jahren die Kritik gehört; wir haben die vielen Schreiben der Fachverbände und der Elternvertreter erhalten.

Auch Herr Wirtz hat als Elternvertreter in der Anhörung in der vergangenen Woche noch einmal eindringlich und ausführlich die Probleme dargestellt, auch die Probleme, die es mit dem Ministerium in diesem Zusammenhang gibt. Die Tatsache ist offenkundig, dass diese Gruppe der Betroffenen regelmäßig unter den Tisch fällt.

Bei den von Rot-Grün zusammengefassten Lern- und Entwicklungsstörungen taucht der Förderschwerpunkt „Sprache“ gar nicht mehr auf. Das ist ein wenig schade, weil in den vergangenen Jahren nämlich genau aus diesen Schulen mit dem Förderschwerpunkt „Sprache“ sehr viele Kinder zurück in das Regelsystem geführt worden sind.

Gleichwohl haben sich in diesen Förderschulen die Rahmenbedingungen verschlechtert. In der neuen Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung, die uns in den vergangenen Tagen zugeleitet worden ist, wird der Förderschwerpunkt in der Sekundarstufe II erneut ignoriert. Das ist sowohl in unseren Augen als auch in den Augen der Betroffenen ein eklatanter Fehler; denn auch bei einer Sprachbehinderung muss bedarfsorientiert weiterhin eine entsprechende Förderung möglich sein. Das gilt eben

auch für den Sekundarschulbereich II, also ebenso für die Berufskollegs.

Sie sprechen hier oft – was ich sehr richtig finde und auch unterstütze – von Präventionsketten. Ich kann aber im Umkehrschluss nicht verstehen, dass eine sonderpädagogische Unterstützung im Förder

schwerpunkt „Sprache“ in der Sekundarstufe I automatisch mit dem Abschluss endet – und dann mit dem Satz, den Sie auch nachlesen können: Das gilt bereits heute. – Das ist für mich keine Begründung.

Sprache, nicht nur die deutsche Sprache, sondern Sprache an sich, ist ein elementarer Teil unseres Ausdrucks. Diesen Teil gilt es jederzeit zu fördern und entsprechend zu unterstützen, wo es denn notwendig ist – und das natürlich auch bei uns hier in Nordrhein-Westfalen. Es kann und darf nicht sein, dass Kinder, junge Menschen, junge Erwachsene in andere Bundesländer wechseln müssen, weil es hier an der notwendigen qualitativen Unterstützung in Nordrhein-Westfalen mangelt. Hier muss die Landesregierung sowohl für die allgemeinen Schulen als auch für die spezialisierten Förderschulen der Sekundarstufe II Angebote ermöglichen.

Lassen Sie mich noch eines konkret zum Antrag sagen: Wir haben in diese Forderungen bewusst keine eng gefassten rechtlichen Regelungen aufgenommen, weil wir der Meinung sind, dass seitens Ihres Hauses, Frau Ministerin Löhrmann, noch einmal ganz intensiv mit den Betroffenen diskutiert werden muss, um hier die bestmögliche Regelung zu erreichen.

In diesem Zusammenhang freue ich mich auf die Beratungen im Ausschuss. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Gebauer. – Für die SPD-Fraktion spricht als nächste Rednerin Frau Kollegin SpanierOppermann.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Ja, Frau Gebauer, Sie haben es gerade gesagt – da stimme ich mit Ihnen überein –: Wir haben bei dem Thema „Förderschwerpunkt Sprache“ die höchste und beste Rückführungsquote. Das zeigt uns auch, dass dieser Förderschwerpunkt gut therapierbar ist. Das erlebe ich auch vor Ort – und Sie sicherlich auch. Wenn wir in diese Förderschulen gehen, stellen wir fest, dass sie eine hervorragende und gute Arbeit machen. Dafür können wir den Akteuren vor Ort nur Danke sagen.

Ihr Antrag las sich zunächst wie ein allgemeiner kritischer Rundumschlag zum Thema „Inklusion“. Doch dann, beim weiteren Lesen, fokussieren Sie sich auf den Förderschwerpunkt Sprache. Ich möchte nur

kurz zu einigen Punkten, weil wir ja weiter im Ausschuss debattieren werden, Stellung nehmen.

Sie sprechen zunächst die Festlegung eines einheitlichen Wertes bei der Schüler-Lehrer-Relation für die drei Förderschwerpunkte der Lern- und Entwicklungsstörung an und beklagen letztendlich eine damit einhergehende Verschlechterung der Bedingungen für den Bereich Sprache, wie Sie ja auch eben ausgeführt haben.

In Anbetracht der Abgrenzungsschwierigkeiten der drei Förderschwerpunkte Lernen, emotionale und soziale Entwicklung sowie Sprache als Teil der Lern- und Entwicklungsstörung ist es aus meiner Sicht doch nur folgerichtig, in der Gesamtbetrachtung einen einheitlichen Wert anzusetzen. So tritt insbesondere in Summe für diese Förderschulen, die im Verbund diese drei Schwerpunkte unterrichten, aus unserer Sicht, aus meiner Sicht keine Verschlechterung ein.