Protocol of the Session on June 9, 2016

geworden sind. Wenn zum Beispiel die Abfindung von Vorgriffstunden erfolgt ist, weil dort nicht Stellen Unterricht gegeben haben, sondern Arbeitszeitkontenansprüche gelöscht worden sind, und daraus haben Sie in der Summe aller Einzelmaßnahmen 14.000 Stellen, die zunächst einmal für Neuaufgaben zur Verfügung stehen. Wenn es keinen doppelten Abiturjahrgang mehr gibt, brauche ich auch nicht mehr – jedenfalls für diese Aufgabe – diese Stellen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Für neue Aufgaben!)

Vielleicht brauche ich sie für andere Aufgaben im Bildungsbereich.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Vielleicht! Sehen Sie!)

Herr Kollege, Sie haben als Landesregierung seit Ihrer Amtsübernahme in Nordrhein-Westfalen über 8.000 Stellen aufgebaut, und wir sagen, das hätten Sie nicht gemusst. Denn die neuen Aufgaben bei Bildung und bei innerer Sicherheit hätten Sie aus den Stellen finanzieren können, die an anderer Stelle frei geworden sind. Das ist dann eben die Frage der Prioritätensetzung.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Der Kollege hat eben gesagt, das ist alles zu wenig!)

Genau das habe ich gemeint. Dann müssen Sie sich einmal bestimmte Fragen stellen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ja oder nein!)

Wenn wir wie durch die Vielzahl der Flüchtlinge, die im letzten Jahr zu uns gekommen sind und auch in diesem Jahr noch kommen werden, solche immensen humanitären Aufgaben haben, dann müssen Sie sich die Frage stellen, ob es entscheidend ist, dass Nordrhein-Westfalen die größten Überstandards beim LPVG hat oder ob nicht vielleicht das, was im bundesweiten Mittel den anderen Bundesländern in der Mitbestimmung ausreicht,

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

im Rahmen der Prioritätensetzung auch ausreichen kann. Das sind politische Entscheidungen, die Sie, Herr Kollege, treffen müssen.

Deshalb lade ich Sie schon für die nächsten Haushaltsberatungen, die Sie angesprochen haben, ein:

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Prüfen Sie mit mehr Gewissenhaftigkeit unsere Vorschläge, sowohl was Einsparpotenziale als auch Finanzierungsnotwendigkeiten angeht.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Dann lesen Sie es mal vor!)

Mit diesem Nachtragshaushalt beweisen Sie, dass Sie jedenfalls einen Teil der von uns vor einem hal

ben Jahr vorgeschlagenen Maßnahmen als Ihre eigenen ausgeben. Vieles von dem hätten wir schon vor einem halben Jahr haben können. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Witzel. – Für die Piratenfraktion spricht nun Herr Schulz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und daheim! Königsrecht des Parlaments ist das Haushaltsrecht. Ganz ehrlich, wir beraten hier und heute in erster Lesung einen Nachtragshaushalt, den zweiten für dieses Jahr. Der Kollege Zimkeit eben gesagt hat, das lege Schwerpunkte fest.

Die Schwerpunktfestsetzung erfolgt normalerweise, und da gebe ich dem Kollegen Witzel durchaus recht, in den generellen Haushaltsberatungen zu einem Haushaltsjahr, und das ist 2016. Die Haushaltsberatungen waren im Dezember des letzten Jahres abgeschlossen. Was jetzt kommt, ist unabhängig von der Aufgabenerfüllung im Bereich Flüchtlinge nichts weiter als ein Bauchladen.

Man muss sich das einfach mal ansehen. Und die Menschen, die uns im Lande zuhören und etwas von einem Nachtragshaushalt hören, gehen erst einmal so landläufig davon aus, dass da etwas vergessen worden ist. In der Tat, es scheint einiges vergessen worden zu sein, wenn man bedenkt, dass Schwerpunktsetzungen erfolgen sollen, wie wir schon im Bereich Schule, und hier im Bereich der Inklusion gerade erörtert haben.

Der vorliegende Nachtragshaushalt sieht 300 Stellen für Sonderpädagogen vor. Das hatten wir heute Morgen ja schon in der Aussprache zur Aktuellen Stunde mehrfach gehört. Verehrte Damen und Herren, diese 300 Stellen sind 0,75 Stellen pro Kommune in Nordrhein-Westfalen oder 0,05 Stellen pro Schule. Bei einer Annahme von 40 Arbeitsstunden ist das ein Mehrwert von zwei Mann bzw. Frau pro Stunde in der Woche pro Schule. Bei durchschnittlich 416 Kindern pro Schule sind das gut 17 Sekunden Unterstützung pro Schüler in NRW im Bereich der Inklusion.

Wir fragen hier noch gar nicht, woher, Frau Ministerin Löhrmann, die qualifizierten Menschen kommen sollen, die das leisten. Aber dass die Landesregierung hier und heute hervorhebt, dass es für 17 Sekunden pro Woche und Schüler eine sonderpädagogische Unterstützung geben soll, ist peinlich!

(Beifall von den PIRATEN)

Da hilft auch nicht die von Ihnen, Frau Ministerin Löhrmann, angesprochene „Schrittigkeit“, die hier im

Nachtragshaushalt dokumentiert wird. Dieser Nachtragshaushalt im Bereich Schule hinkt mal wieder hinter allen Anforderungen, auch was die Schwerpunktsetzung in die Zukunft gerichtet angeht, her.

Der Verband Bildung und Erziehung forderte von der Landesregierung schon vor einigen Monaten die Sicherstellung einer weitgehenden Doppelbesetzung aus Sonderpädagogen und Regelschullehrkräften in inklusiven Lerngruppen von round about 7.000 Stellen. Sie kommen heute und hier in dem Nachtragshaushalt, in dem zweiten für das Jahr 2016, mit 300 Stellen um die Ecke. Das ist ein Tropfen auf einen heißen Stein.

Sie legen im Nachtragshaushalt Ausgaben für den Bereich Integration fest. Die Hauptkritik aus integrationspolitischer Sicht ist grundsätzlicher Natur. Der Nachtragshaushalt kann in der vorliegenden Version nur unvollständig sein. Dies alleine schon deshalb, weil hier im Landtag Nordrhein-Westfalen quer durch alle Fraktionen, quer durch diesen Landtag ein Integrationsplan für NRW debattiert, erörtert, erarbeitet werden soll. Mit diesem Integrationsplan werden also weitere finanzielle Verpflichtungen einhergehen müssen. Der dritte Nachtragshaushalt sollte damit also quasi schon vor der Tür stehen.

Dann muss man auch wissen, dass dieser Nachtragshaushalt eben weitere Schwerpunkte bzw. politische Prioritäten setzt wie zum Beispiel im Verfassungsschutz zwei Planstellen.

Und dann kommen wir zur Polizei. Auch da mag es sein, dass der Nachtragshaushalt in gewisser Weise auf die internationale Sicherheitslage Rücksicht nimmt. Da ist von Terrorabwehr für den Wach- und Wechseldienst die Rede. Dann sollen aber 2.500 Maschinenpistolen gemäß Verpflichtungsermächtigung angeschafft werden, demnächst 460 Maschinenpistolen für die Bereitschaftspolizei, 40 Präzisionsschützengewehre, 150 Mitteldistanzwaffen, Ausbau- und Zentralisierung der Server zur verdeckten Beobachtung durch Spezialeinheiten. Was wird hier vom Innenministerium geplant? Krieg? – Also, die Militarisierung der Polizei ist quasi auch eine Einschüchterung der Bevölkerung, wenn Polizisten mit Maschinenpistolen durch die Städte patrouillieren, und ist ein Witz!

(Beifall von den PIRATEN)

Sprechen Sie doch einmal vonseiten der Landesregierung mit Polizisten auf der Straße, was die davon halten. Ich sage es Ihnen, ich habe es nämlich getan: nichts. Es gibt kein Mehr an Sicherheit durch das, was Sie hier durch den Nachtragshaushalt an Schwerpunkten setzen möchten.

Es gibt noch zahlreiche andere Punkte wie zum Beispiel – das wurde schon angesprochen – die Frage der Refinanzierung und auch die Problematiken BLB und Darlehnsrückzahlungen. Das werden wir sicher

im Haushalts-und Finanzausschuss – weil die Redezeit hier zu kurz ist –

(Zuruf von den GRÜNEN: Oh!)

im Detail erörtern können.

Aber einen Punkt noch zum Abschluss: Auch für die Finanzverwaltung der Zukunft legt dieser Nachtragshaushalt etwas vor: 3,2 Millionen € zur Ausstattung aller Anwärter mit speziellen Laptops. Herr Finanzminister, die Frage, die ich stelle, ist aus der Anhörung zum Haushalt 2016 im Bereich Personal: Gibt es eigentlich in der Zwischenzeit WLAN in Nordkirchen? – Das war zu diesem Zeitpunkt nämlich nicht der Fall. Diese Frage würde ich gerne im Ausschuss in den Detailerörterungen beantwortet wissen.

Einer Überweisung dieses Nachtragshaushalts an den Haushalts-und Finanzausschuss stimmen wir selbstverständlich zu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Schulz. – Jetzt liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit kommen wir zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/12117 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend –, an den Unterausschuss Personal, an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung, an den Rechtsausschuss, an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung, an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend, an den Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation sowie an den Innenausschuss. Alle fünf Fraktionen haben sich in der Zwischenzeit darauf verständigt, den Gesetzentwurf an diese Ausschüsse sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik zu überweisen. Wer stimmt dem so zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist alles nicht der Fall. Damit ist einstimmig so überwiesen worden, und es wird so verfahren.

Wir kommen nun zu:

3 Nordrhein-Westfalen soll das Land des digita

len Aufbruchs in Deutschland werden: Landesregierung muss Digitalisierungsstrategie entwickeln

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/12126

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDUFraktion Herrn Stein das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Nordrhein-Westfalen soll das Land des digitalen Aufbruchs in Deutschland werden. So steht es in der Überschrift unseres Antrags

(Matthi Bolte [GRÜNE]: Und dann kommt nichts mehr!)

und so, konnte der geneigte Zuhörer meinen, sei auch die Regierungserklärung von Frau Kraft vom 29. Januar 2015 zu verstehen gewesen.

Doch trotz aller blumigen Worte und großen Ankündigungen in dieser Regierungserklärung stellen wir heute fest: Die Landesregierung muss noch immer eine tragfähige Digitalisierungsstrategie entwickeln. Sie verschläft dabei vollkommen die Möglichkeiten des digitalen Wandels für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung.