Protocol of the Session on June 8, 2016

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, klar.

Der Herr Sieveke hat eine Frage. Bitte schön.

Frau Düker, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich bin auch weiterhin auf Ihre Ausführungen gespannt. Sie haben gerade auf die Verfassung abgestellt. Unterstellen Sie, dass die Bundesländer, die eine weiter gehende Videobeobachtung ermöglichen, wie Rheinland-Pfalz und Niedersachsen, nicht auf der Grundlage der Verfassung stehen? Das wäre ja der Umkehrschluss, wenn Sie sagen, wir hätten die Verfassung zu beachten. Wir fordern ja nichts anderes, als dass wir es genauso machen wie andere Bundesländer.

Selbstverständlich gehe ich davon aus, dass das verfassungskonform ist. Nur, was Sie da hineininterpretieren und was Sie politisch wollen, ist auch durch andere Gesetze nicht gedeckt, nämlich eine flächendeckende anlasslose Videoüberwachung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Von daher hätte ein Hinweis auf die Verfassung meines Erachtens auch der CDU gut angestanden. Aber das findet sich ja mit keinem Wort in Ihrem Antrag. Das ist das, was ich kritisiere.

Was ist denn nun unser Maßstab? Unser Maßstab ist, Videoüberwachung nicht als Selbstzweck oder für ein vermeintlich subjektiv vermitteltes Sicherheitsgefühl – auch das steht in Ihrem Antrag als Ziel – zu installieren. Das reicht uns nicht aus. Wenn etwas passiert, muss der Gesetzgeber, muss die Polizei dann auch gewährleisten, dass eingegriffen wird. Das heißt, es muss kurze Interventionszeiten geben. Das heißt auch, dass jemand dauernd hinter dem

Bildschirm sitzt und auch eine Wache in der Nähe ist, um schnell vor Ort zu sein und einzugreifen.

In der Düsseldorfer Altstadt funktioniert das sehr gut. Die Wache ist um die Ecke, und es gibt Interventionszeiten von unter eine Minute. Aber Düsseldorf zeigt auch, Herr Sieveke – und deswegen zieht auch Ihr Beispiel Köln nicht –, dass hier zwar die Interventionszeiten kurz sind, dass man auch schnell vor Ort ist, wenn etwas passiert, und dass eine Eskalation verhindert wird, aber die Kameras – das zeigen die Zahlen der Kriminalitätsbelastung – schrecken nicht ab, insbesondere nicht bei Gewaltdelikten. Das wissen wir aus den Zahlen der Düsseldorfer Altstadt.

Und Köln hier als Beispiel zu nehmen für mehr Videobeobachtung: Ich weiß nicht, wie viele Kameras im Kölner Hauptbahnhof hängen; ich glaube, es sind 80. Die haben doch diese schrecklichen Taten nicht verhindert. Wie können Sie das denn hier als Begründung für mehr Kameras anführen? Sie verkaufen doch den Leuten hier einen Sicherheitsgewinn, den es überhaupt nicht gibt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Und auch die hohen Umfragewerte sind doch kein Beleg dafür. Die Menschen wollen mehr Sicherheit, sie wollen keine Scheinsicherheit.

Zweitens. Kriminalität – das ist unser Maßstab – muss an den Ort gebunden sein, da wo Videobeobachtung eingesetzt wird. Verdrängung bringt insgesamt nicht mehr Sicherheit und muss ausgeschlossen werden.

Drittens. Wir brauchen Gesamtkonzepte. Das heißt, das muss mit Polizeipräsenz auf der Straße und auch mit kommunalen Maßnahmen verknüpft werden.

Viertens. Wir wollen auch, dass die positive Wirkung auf Kriminalitätsentwicklung nachweisbar ist. Deswegen steht ja auch im Gesetz, dass bis 2018 endlich einmal wissenschaftlich unabhängig evaluiert wird, um einfach diesen Sicherheitsgewinn tatsächlich nachweisen zu können.

Mein Fazit: So richtig schlüssig, Herr Sieveke, haben Sie heute keine Begründung dafür angeführt, warum § 15a in unserem Gesetz nicht ausreicht und man mehr Kameras haben möchte.

Im Übrigen – und das finde ich auch wichtig zu erwähnen; Kollege Stotko hat auch darauf hingewiesen –: Selbst, wenn wir diesen Begriff „Kriminalitätsbrennpunkt“ irgendwie ersetzen würden … Im Übrigen steht der auch so im bayerischen Gesetz; Sie zitieren doch immer die Bayern und sagen, dass das alles besser sei. Im bayerischen Gesetz steht: „Kriminalitätsbelastete Örtlichkeiten (Kriminalitäts

schwerpunkte)“. Egal.

Nehmen wir einen anderen Gefahrenbegriff – ich glaube nicht, dass wir hier in Nordrhein-Westfalen

mehr Videobeobachtung bekommen wollen, bekommen werden.

(Daniel Sieveke [CDU]: „Wollen“ war genau richtig!)

Bekommen werden! Und ich möchte es auch nicht. Aber warum nicht? Das finde ich beruhigend: weil nicht wir hier im Parlament die Videokameras beschließen, sondern der Behördenleiter vor Ort.

(Daniel Sieveke [CDU]: Ja!)

Die Behördenleiter, die am Ende entscheiden, sind da viel pragmatischer und rationaler,

(Daniel Sieveke [CDU]: Weil sie die Paragra- fen kennen!)

als es Ihre ideologischen Ausführungen hier sind, und weil auch Sie wissen, dass sie mit Präsenzkonzepten auf der Straße viel mehr erreichen, als wenn Polizisten hinter dem Bildschirm sitzen und den Menschen nicht wirklich mehr Sicherheit bringen.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Deswegen ist das in NRW gut geregelt, und ich sehe keinen Anlass, daran etwas zu ändern.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Düker. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Dr. Stamp das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Düker hat gerade zu Recht darauf hingewiesen, dass die informationelle Selbstbestimmung ein Bürgerrecht ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Für uns als Bürgerrechtspartei gilt das selbstverständlich.

(Beifall von der FDP)

Aber ich sage Ihnen: Das Recht auf die Unversehrtheit von Leib und Leben ist eben auch ein Bürgerrecht.

(Beifall von der FDP und der CDU – Minister Ralf Jäger: Wie bei der Vorratsdatenspeiche- rung!)

Wer geschlagen oder getreten wird, dessen Grundrechte werden sprichwörtlich mit Füßen getreten. Deswegen müssen wir immer die Verhältnismäßigkeit in den Mittelpunkt rücken. Und deswegen wollen wir Freien Demokraten diese Abwägung zwischen den verschiedenen Grundrechten immer genau prüfen: Wo ist etwas notwendig? Wo muss ich gegebenenfalls auch ein Grundrecht an einer Stelle ein Stück weit beschneiden, um eben ein anderes

Grundrecht zu stärken? Wir haben in verschiedenen Debatten immer wieder dieses Dilemma in dieser Auseinandersetzung.

Deswegen will ich sagen, dass die Videoüberwachung in Form eines generellen Instrumentes einer flächendeckenden Videoüberwachung für uns nicht infrage kommt. Das sage ich ganz deutlich an die Adresse der CDU, die hier so ein bisschen durchscheinen lässt, als sei das der Weg der effizienten Kriminalitätsbekämpfung.

Da sind wir anderer Auffassung. Wir glauben, dass wir hierbei zu viel nehmen und dafür zu wenig bekommen.

Deswegen müssen wir genau sehen, wo das sinnvoll ist. Da gibt es natürlich auch die Möglichkeit, punktuell an Kriminalitätsschwerpunkten etwas zu erreichen. Da sind sicherlich Verbesserungen an der einen oder anderen Stelle notwendig.

Es ist zwar in Ihrem Antragstext nicht so explizit erwähnt, aber in Ihrer medialen Kommunikation haben Sie Ihren Antrag in den Zusammenhang mit dem schrecklichen Tod des 17-jährigen Jungen in Bad Godesberg gesetzt. Ich warne davor, den Bürgerinnen und Bürger an dieser Stelle Salz in die Augen zu streuen,

(Widerspruch von Josef Hovenjürgen [CDU])

dass man mit der großflächigen Ausweitung der Videoüberwachung tatsächlich so etwas verhindern könnte.

Wenn wir das an dem Beispiel von Bad Godesberg betrachten, wissen wir – diejenigen, die Bad Godesberg tatsächlich kennen –, dass es ganz unterschiedliche Bereiche gibt, wo Kriminalität und Jugendkriminalität auftreten und wo man gezielt verhindern muss, dass es zu Übergriffen kommt. Aber Sie können nicht all diese Bereiche mit einer Videokamera überwachen, es sei denn – ich habe das schon im Innenausschuss gesagt –, Sie würden Bad Godesberg oder andere Stadtteile rund um die Uhr mit mehreren Drohnen filmen.

Ich will nicht den Stadtteil Bad Godesberg schlechtreden. Wir haben an vielen anderen Stellen auch das Phänomen, dass Übergriffe und Attacken nicht nur an einzelnen Standorten stattfinden, sondern auch in Parks, wo man vielleicht nicht damit gerechnet hat, oder auf Sportplätzen usw. Sie fanden an ganz unterschiedlichen Orten statt. Insofern sollte man da sehr vorsichtig sein.

Es geht um die Verhältnismäßigkeit. Für uns als Freie Demokraten geht es darum, dass es anlassbezogen sein muss und dass es eben immer eine saubere Abwägung gibt: Was bringt es tatsächlich und was nimmt es umgekehrt an informationeller Selbstbestimmung im Gegenzug?

Das werden wir im Ausschuss in der gebotenen Sachlichkeit weiter beraten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Stamp. – Nun spricht für die Piratenfraktion Herr Herrmann.