Protocol of the Session on May 12, 2016

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Töns das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Man kriegt ja selten Lob von der Piratenfraktion für das, was man öffentlich äußert. Ich bin mir auch nicht sicher, ob Sie am Ende meiner Rede noch so viel Lob für mich haben, wie Sie es zu Beginn hatten. Darauf kommen wir dann zurück.

Freihandelsabkommen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind ja grundsätzlich nicht des Teufels.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Freihandelsabkommen können dazu dienen, Globalisierung und Handel den richtigen Rahmen zu geben. Aber die Frage ist: Was ist der richtige Rahmen in dem Zusammenhang?

Die Frage ist auch: Was wurde eigentlich veröffentlicht? Da muss ich dann auch sagen: Es war für mich nicht neu. Ich glaube, ich bin der Einzige im Raum, der sagen kann, dass es für ihn nicht neu war. Das war für mich deshalb nicht neu, weil ich den Leseraum in Brüssel betreten darf und das auch tue. Diesen Verhandlungsstand kannte ich.

Ich habe immer gesagt: Wenn das so ist und wenn das so bleibt, wird es kein TTIP geben. Deshalb ist das auch keine neue Haltung von mir gewesen.

Aber warum wurde das veröffentlicht, was da veröffentlicht wurde? Darauf kann man auch eine Antwort geben. Es gibt ja nicht wenige, die sagen, das war ein Insider der Europäischen Kommission, weil die sich einfach massiv über den Verhandlungsstand geärgert haben, weil sie nicht weiterkommen in der Frage, was denn da verhandelt wird. Und das hat viel damit zu tun, dass die Haltung der US-Seite eine knallharte Haltung ist, die überhaupt nicht übereinstimmt mit den Forderungen und mit den Überzeugungen, die wir in Europa oder in Deutschland haben.

Dann sage ich ganz deutlich – da will ich gerne mal unseren Bundeswirtschaftsminister zitieren, denn das passt ganz gut –: TTIP so wie es sich die Amerikaner vorstellen, darf und wird es nicht geben. Das will niemand. – Das hat er gestern in der Bundestagsdebatte gesagt.

Genauso ist das. Wenn das so kommt – das habe ich meiner Partei auch empfohlen –, dann wird es keine Zustimmung der Sozialdemokraten geben. Dann wird es keine Zustimmung der Sozialdemokraten geben.

(Beifall von der SPD)

Das hat auch eine Basis. Wir haben einen Parteitagsbeschluss zuletzt noch im Dezember 2015 bekräftigt und angeschärft, in dem wir deutlich machen: Wir wollen keine privaten Schiedsgerichte. Wir wollen einen internationalen Handelsgerichtshof. Wir wollen keine regulatorischen Maßnahmen. Wir wollen Demokratie sichern. Wir wollen keine Einschränkungen von Verbraucherschutz oder Vorsorgeprinzip, weil das nicht in die europäische Verfassung, in die europäische Gesamtgesellschaft passt.

So ist das zum jetzigen Zeitpunkt nicht zustimmungsfähig, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Jetzt will ich auf Ihren Antrag eingehen, weil das, glaube ich, ganz interessant ist. Sie schreiben in der Überschrift „TTIP muss ausgesetzt werden!“ Das würde für ein Moratorium sprechen. Dem könnte ich

mich ja noch anschließen. Aber Sie schreiben dann – ich finde das sehr widersprüchlich –:

„Der Landtag fordert die Landesregierung dazu auf, sich auf allen politischen Ebenen für ein Ende der aktuellen TTIP-Verhandlungen und einen demokratischen, transparenten und zivilgesellschaftlich getragenen Neustart einzusetzen.“

Neustart heißt: Sie sagen, Ende und Abbruch.

Da sage ich Ihnen an dieser Stelle ganz deutlich: Das ist ein Widerspruch im Antrag und es ist auch politisch naiv. Wenn jemand bei dem Verhandlungsmandat von 28 Mitgliedstaaten und bei dem Verhandlungsmandat, dass man sich mit den USA darauf verständigt hat, verhandeln zu wollen, glaubt, dass man auf diplomatischem Wege jetzt mal sagt: „Machen wir Stopp und dann kommen wir in Neuverhandlungen!“, halte ich das für politisch naiv und auch nicht für durchführbar.

Ich plädiere allerdings für eine Verhandlungspause, weil deutlich geworden ist, dass die amerikanische Seite ja nicht ernsthaft verhandeln will. Hier muss man unseren Freundinnen und Freunden auf der anderen Seite des Atlantiks auch mal deutlich sagen: Freunde, so wird das nichts! Weil das so nichts wird, brauchen wir eine Pause! – Ich fordere eindeutig ein Moratorium.

Dann will ich noch eine Bemerkung machen. Denn eines halte ich für vollkommen schädlich an dieser Stelle. Das geht auch in Richtung der Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Im Übrigen, wie Sie ja wissen: Auch 60 % Ihrer Parteimitglieder sind gegen TTIP oder sehr kritisch eingestellt.

Aber wenn wir das mal betrachten: Frau Merkel und Herr Obama sagen, das muss bis Ende des Jahres fertig werden. Wir wissen, es gibt kaum konsolidierte Texte, es gibt eigentlich nichts, was fertig ist. Wie will man bis Ende des Jahres fertig werden? Aber man macht Zeitdruck.

Dann sage ich: Dann geht hier Gründlichkeit vor Schnelligkeit, wenn man verhandelt. Dann geht es darum, es auch richtig zu verhandeln. Wenn man das nicht will, dann wird man am Ende des Tages vielleicht zu einem Abbruch kommen.

Ich sage: Jetzt brauchen wir mehr Zeit. Man sollte sich eine Verhandlungspause gönnen.

Die Redezeit.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Ich will das nur noch einmal betonen. Nach meiner Überzeugung brauchen Freihandelsabkommen Regeln und Leitplanken, um Globalisierung zu steuern. Wer keine modernen Regeln für Arbeitnehmerinnen und Verbraucherinnen und soziale

Standards festlegen will, betreibt nach meiner Überzeugung neoliberalen Anarchismus. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Hovenjürgen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Töns, in Teilen kann ich Ihnen ja zustimmen. Ganz so negativ sehe ich die Dinge aber nicht, wie Sie sie dargestellt haben. Ich widerspreche aber ganz entschieden dem Kollegen Paul.

Ja, wir brauchen einen freien Handel in der Welt, und wir brauchen Standards für diesen freien Handel. Diese Standards kann man nur erreichen, wenn man miteinander spricht. Wer nicht miteinander spricht, wer nicht miteinander verhandelt und wer nicht nach gemeinsamen Wegen sucht, der wird diesen Weg nicht erreichen können.

Dass gerade wir in Nordrhein-Westfalen auf einen freien Handel angewiesen sind, wissen wir mit unseren Unternehmen. Der Wirtschaftsminister wird ja nicht müde, die Hidden Champions dieses Landes zu loben. Wenn ich diese Hidden Champions als solche behalten will, muss ich ihnen ermöglichen, an den Märkten tätig zu sein.

Herr Kollege.

An diesen Märkten kann man nur tätig sein, wenn man das in Gemeinsamkeit erreichen kann. Das ist ohne Gespräche nicht möglich. Deswegen ist das Verweigern von Gesprächen das Ende von Möglichkeiten, die man auch erreichen kann, um Standards zu setzen, die jetzt zum Beispiel in den USA nicht gelten.

Herr Kollege Hovenjürgen, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Fricke würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Herr Kollege Hovenjürgen, Sie sprechen von gemeinsamen Standards. Ist Ihnen bekannt, dass es in den USA noch nicht einmal möglich ist, gemeinsame Standards zwischen den 50 amerikanischen Bundesstaaten zu schaffen gerade in den für unsere Industrie wichtigen Bereichen, etwa Automobil- und Maschinenbau? Wie soll es dann im TTIP möglich sein, wenn die amerikanische

Bundesregierung nicht durch TTIP in diese Kompetenzbereiche der Staaten hineinregieren kann?

Ja, lieber Kollege, danke für Ihre Frage. Ich stelle Ihnen eine Gegenfrage: Wie soll es möglich sein, gemeinsame Standards zu erreichen, wenn man nicht miteinander spricht? Dann erreiche ich sie gar nicht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Insofern muss man schon miteinander im Gespräch bleiben, wenn man überhaupt etwas erreichen möchte.

Die Notwendigkeit, dass gerade die Unternehmen in unserem Land auf den Weltmärkten agieren können, habe ich beschrieben.

Meine Damen und Herren, das, was der Whistleblower im Bereich TTIP für Greenpeace ermittelt hat bzw. was durch Greenpeace veröffentlicht worden ist, ist wirklich nicht neu. Da hat der Kollege Töns auf jeden Fall Recht. Das sind die Dinge, die bekannt waren. Das sind die Maximalforderungen der Amerikaner.

Unsere Aufgabe ist es, unsere Standards durchzusetzen. Unsere Aufgabe ist es, unserer Regierung deutlich zu machen, den Verhandlungspartnern in Brüssel deutlich zu machen, dass wir Wert auf diese Standards legen und dass in Deutschland Zustimmung nur dann erreicht werden kann, wenn wir diese Standards wahren und wenn wir Gemeinsamkeiten mit den Amerikanern erarbeiten können. Dies mache ich nicht in einem blinden Antiamerikanismus, sondern dies mache ich in Gesprächen, in denen ich den Partnern deutlich mache, welche Vorteile diese Standards im Verbraucherschutz bringen, was sie für die Menschen bedeuten. Dafür sind Gespräche zwingend notwendig.

Es macht eben keinen Sinn, permanent in Richtung Amerika zu schimpfen, zu schießen und zu sagen: Es ist alles schlecht, alles fürchterlich.

Man lobt dann erst einmal die Whistleblower, die das endlich zutage gefördert haben. Da frage ich mich: Wie sieht das eigentlich mit den Whistleblowern aus, die im Bereich des Silvesterausschusses Informationen gegeben haben?

(Beifall von Werner Jostmeier [CDU])

Da suche ich nach Tätern, und im anderen Fall bin ich mit einem Lob unterwegs. Wenn man Whistleblower schützen will, dann sollte man es für alle tun und die Öffentlichkeit informieren. Ich finde gut, dass diese Dinge in der Öffentlichkeit diskutiert werden können.

Diejenigen, die mit einer massiven und teilweise vollkommen überzogenen Kritik unterwegs sind – hier spreche ich auch die Grünen an –, sollten sich einmal

überlegen, mit wem sie dort Arm in Arm unterwegs sind: mit der AfD, mit Donald Trump, mit den Piraten.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Das wird jetzt unverschämt! Vorsicht!)