Protocol of the Session on May 12, 2016

Man muss natürlich – das ist, glaube ich, die Folie, welche die FDP immer aufmacht; ich sage gleich noch etwas zu den Motiven – darüber diskutieren: Macht man das rein privat, oder wählt man einen staatlichen Anbieter? Mit Ihnen über die Frage „Privat oder Staat“ zu diskutieren, ist so ähnlich, wie mit Margot Honecker über die DDR zu reden. Es ist auf jeden Fall kontrovers. Und man muss damit rechnen, nicht auf Einsicht zu stoßen.

Ich will dennoch einige Punkte nennen, mit denen ich begründe, warum das in staatlicher Hand anders als in privater Hand funktioniert. Vor allen Dingen möchte ich auf den Aspekt Spielerschutz eingehen.

Herr Wirtz, Sie und ich waren zu einer Diskussion der Automatenwirtschaft in Ihrer Heimatstadt Essen eingeladen. Da sprach ein Forscher, der Folgendes sagte: Die Trümper-Studie hat festgestellt, dass 50 % der Gewinne bei den privaten Spielhallenbetreibern beim privaten Glücksspiel Verluste von Spielsüchtigen seien. Er halte das für viel zu wenig; er gehe von 80 % aus.

Wir müssten uns dann einmal anschauen, was WestSpiel alles unternimmt, um Spielerschutz zu gewährleisten. Das geht über Kooperationen mit Verbänden bis hin zu einer Kooperation mit der Uni Mainz, die ein eigenes Zentrum zur Erforschung von Spielsucht hat. Und natürlich gibt es auch eine Kooperation mit dem Initiativkreis Spielsucht hier in Nordrhein-Westfalen. Es gibt regelmäßige Evaluationen der Konzepte, und es gibt Beratungsangebote für die Spielerinnen und Spieler.

Ich folge jetzt einmal einen Moment lang Ihrer betriebswirtschaftlichen Logik: Sie kritisieren, WestSpiel habe einen Fehlbetrag. Und Sie – so war das in der Zeitung zu lesen – würden favorisieren, das an Private abzugeben.

Würde es nicht betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, dann auf das Personaltableau zu schauen, um Kosten zu sparen? Würde der Private nicht als Erstes genau die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen, die die Spieler davon abhalten, mehr zu spielen?

Herr Witzel, es ist fadenscheinig, dass Sie ein Dutzend Kleiner Anfragen stellen, dass Sie immer wieder WestSpiel aufs Tableau heben, dass Sie Mitarbeiterfeste skandalisieren. Das Motiv, das dahinter steht, ist vielleicht darin zu suchen, dass Ihre Partei in der Vergangenheit sehr eng mit einem großen Anbieter aus der Automatenwirtschaft verbunden war, nämlich mit Herrn Gauselmann.

Ich habe mir das noch einmal herausgesucht und zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus der „Süddeutschen Zeitung“ vom 9. September 2012:

„FDP soll verdeckte Millionenspende erhalten haben“

Überschrift am 10. März 2012:

„Liberale Leibwächter für den König der Automaten“

Auch das Forum LobbyControl hat am 24. September 2012 darüber berichtet. Das sind übrigens alles Artikel, bei denen es keine Gegendarstellungen, auch von Ihrer Seite nicht, gab.

Im September 2012 mussten Sie dann einräumen, dass der Bericht des Magazins „Monitor“ stimmt, dass die FDP über eine Tochterfirma von der Gauselmann AG mehrere Millionen Euro erhalten hat. Offenbar fühlen Sie sich jetzt verpflichtet, immer wieder nachzulegen und lassen keine Gelegenheit aus, die staatliche WestSpiel …

(Zuruf von der FDP: Sie versuchen gerade hier, den Maulkorb zu verteilen!)

Nein, ich zitiere ja nur die …

Herr Kollege Abel, würden Sie eine Zwischenfrage vom Kollegen Witzel zulassen?

Sehr gerne.

Herr Kollege Witzel, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Abel, ich weise in aller Form Ihre schäbigen Unterstellungen hier zurück und kann Sie nur auffordern, sich zu erkundigen, was Ihr früherer grüner Fraktionschef Priggen zum Thema „Umgang mit Lobbyismusvorwürfen unter Abgeordneten“ in dieser Legislaturperiode gesagt hat.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Herr Präsident, das geht so nicht!)

Angesichts der Tatsache, dass es verschiedenste Regierungen gibt, auch mit grüner und roter Regierungsbeteiligung in anderen Bundesländern, die ausdrücklich andere Modelle haben, die es Privaten ermöglichen, sich auch mit an dieser Stelle einzubringen, frage ich: Halten Sie diese anderen Regierungen für gewissenlos? Ist in diesen anderen Bundesländern Spielerschutz kein Thema?

Vielen Dank, Herr Witzel, dass Sie mir die Gelegenheit geben, das klarzustellen. Natürlich gibt es in anderen Ländern andere Modelle, die zum Teil auch anders historisch gewachsen sind. Die Behauptung, die Sie immer wieder im Zusammenhang mit WestSpiel aufstellen, ist ja, dass es für das Land ein Verlustgeschäft ist.

(Ralf Witzel [FDP]: Das ist in jedem Jahresbe- richt nachzulesen!)

Dass es im Bereich des Spielerschutzes keinen Unterschied zu den Privaten gibt, habe ich eben versucht …

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Sie müssen mir auch zuhören, wenn Sie mir eine Frage stellen, sonst ergibt das Frage-Antwort-System keinen Sinn. Sie müssen tatsächlich aufpassen, wenn es um den Bereich Spielerschutz geht. Bei den privaten Anbietern gibt es mehrere unabhängige Untersuchungen, woher der Großteil der Einnahmen erwirtschaftet werden: Sie stammen aus den Spielverlusten der Spielsüchtigen. Das zum Bereich Spielerschutz.

Zweitens. WestSpiel ist kein Verlustgeschäft für das Land. Der Kollege Zimkeit hat es schon gesagt. Wir haben nicht nur die Zuführung zur Stiftung Wohlfahrtspflege in Höhe von 8 Millionen €, sondern wir haben auch die Spielbankenabgabe. Das müssen Sie in die betriebswirtschaftliche Betrachtung einbeziehen, wenn Sie über den Fehlbetrag reden.

Bei der Frage, die ich Ihnen gestellt habe, vermuten Sie ja immer wieder, dass ich Ihnen unterstelle, dass Ihnen Spielerschutz nicht so wichtig ist wie Spendenfluss. Das kann auch damit zu tun haben, dass es da in der Vergangenheit einen Zusammenhang mit dem Verhalten Ihres früheren Bundeswirtschaftsministers Rösler gab, der jeden Vorstoß der Suchtbeauftragten

der Bundesregierung innerhalb von fünf Minuten revidiert hat. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Ralf Witzel [FDP]: Peinlich!)

Danke, Herr Kollege Abel. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Schulz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und daheim! Ich habe gerade eben Herrn Wirtschaftsminister Duin und Herrn Finanzminister Walter-Borjans Arm in Arm in der Regierungsbank sitzen sehen – bei diesem doch so tragenden Thema.

(Beifall von den PIRATEN und der SPD)

Ich glaube – auch wenn dies hier kein Ort von Glaubensbekenntnissen sein soll, wie wir gestern von unserem Verkehrsminister hörten –, dass das auch so gut ist und so sein muss, und zwar aus zweierlei Gründen:

Erstens. Glücksspiel in Nordrhein-Westfalen, insbesondere im Zusammenhang mit WestSpiel, bedarf einer Statusaufnahme, vielleicht auch verschiedener Änderungen, auf die ich noch zu sprechen komme, und andererseits bedarf es selbstverständlich auch einer Behandlung der Spielbankenabgabe vor dem Hintergrund der Zuführung für soziale Zwecke, zum Beispiel auch an die Stiftung Wohlfahrtspflege.

Denn das, was aus der Spielbankenabgabe, die man natürlich auch im privaten Sektor mit einfließen lassen könnte, nicht in die sozialen Zwecke fließt, müsste auf der anderen Seite vom Haushaltsminister in irgendeiner Form flüssig gemacht werden. Darauf komme ich später zurück.

Aber der entscheidende Punkt ist: Der Antrag der FDP wird auch im Haushalts- und Finanzausschuss noch eingehend erörtert werden. Möglicherweise, Herr Kollege Witzel, korrigieren Sie mich auch mit einer Anhörung, was dann eventuelle Gutachten- oder Expertengespräche auf Kabinettsebene ersetzt, ergänzt oder was auch immer …

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Nein, nein, andere als wir. – In Ihrem Antrag heißt es:

„Ein Betrieb von defizitären Spielbanken in NRW kann ferner nicht Sinn und Zweck staatlichen Handelns sein.“

Das ist richtig. Dazu haben wir einiges gehört. WestSpiel war in den letzten Jahren vor Abzug der Spielbankenabgabe nicht defizitär, und Konzernfehlbe

träge ergaben sich nach Abzug der Spielbankenabgabe. Und die Höhe der Spielbankenabgabe prozentual an die Höhe der Bruttospielerträge geknüpft, muss man berücksichtigen, dass die Spielbankenabgabe in den letzten Jahren bei WestSpiel rückläufig war. Im Jahr 2008 betrug die Spielbankenabgabe rund 83 Millionen €, im Jahr 2014 waren es nur noch rund 36 Millionen €. Was heißt das im Ergebnis? –

Ich sage Ihnen was, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen: Generell funktioniert das analoge Geschäftsmodell von WestSpiel, was gegebenenfalls noch der Evaluation bedarf, möglicherweise nicht mehr. Das zeigen die deutlich zurückgehenden Bruttospielerträge in den letzten Jahren.

Die Zukunft, verehrte Kolleginnen und Kollegen, des Glücksspiels – möglicherweise auch unter staatlicher Aufsicht, durchaus gut und richtig, wenn wir den Glücksspieländerungsstaatsvertrag betrachten –

liegt im Internet.

Vor diesem Hintergrund erscheint der Bau eines neuen analogen Kasinos in Köln für einen hohen zweistelligen Millionenbetrag äußerst fragwürdig. Es handelt sich definitiv um nichts anderes als um ein Leuchtturmprojekt mit Lokalkolorit.

Völlig unabhängig davon, ob WestSpiel staatlich oder privat ist, müssen die Eigentümer und die Geschäftsführung ein innovatives Geschäftsmodell entwickeln, das in unsere Zeit passt. Gutes Geld schlechtem Geld hinterherzuwerfen und Millionen in ein veraltetes Geschäftsmodell zu investieren, wird die finanzielle Situation von WestSpiel nicht nachhaltig verbessern und auch nicht die Spielbankenabgabe sichern.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP)

Daher wäre es aus unserer Sicht, aus Sicht der Piratenfraktion, sinnvoller, gäbe die Landesregierung ein Gutachten in Auftrag gibt, welches die Potenziale von Onlineglücksspiel für WestSpiel prüft bzw. das Geschäftsmodell von WestSpiel einer kritischen Prüfung unterzieht.

Zwar ist seit Juli 2012 nach dem Glücksspieländerungsstaatsvertrag das Betreiben eines Onlinekasinos für deutsche Unternehmen generell verboten. Aber schauen wir einmal – das wurde ja schon erwähnt – nach Schleswig-Holstein! Im Bundesland Schleswig-Holstein weicht die Gesetzgebung deutlich davon ab; denn dort sind seit Dezember 2012 zwölf Lizenzen für Onlinekasinos vergeben worden.

Auch da muss ich sagen: Es ist keine Frage der Abwägung zwischen privat und/oder staatlich. Es mag durchaus auch auf staatlicher Basis, auf der es jetzt läuft, weitergehen. Aber die Struktur innerhalb des Unternehmens bedarf des Überdenkens.