Protocol of the Session on April 21, 2016

Große Anfrage 17 der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/10043

Antwort der Landesregierung Drucksache 16/11412

Ich erteile für die SPD-Fraktion dem Kollegen Becker das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuallererst möchte ich mich persönlich wie auch im Namen meiner Fraktion ganz herzlich bei der Landesregierung – den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der betreffenden Ministerien, die ja teilweise auch hier sitzen – für die Beantwortung unserer Großen Anfrage bedanken.

186 Fragen zu Zahlen, Fakten, Hintergründen und Grundlagen der Radverkehrspolitik auf 93 Seiten zu beantworten, ist sicher an erster Stelle eine enorme Fleißarbeit. Ich lege aber großen Wert darauf: Das war keine Beschäftigungstherapie, sondern eine unerlässliche Grundlagenermittlung für den Bereich der Radverkehrspolitik, die für die Mobilität der Menschen in den Städten und Gemeinden unseres Landes immer wichtiger wird.

Die erste Erkenntnis, die es festzuhalten und zu betonen gilt, ist: Nordrhein-Westfalen ist das Fahrradland Nummer eins in Deutschland.

Wir haben eine eigene Förderung für die Nahmobilität eingerichtet, die die Förderung für den Radwegebau in vielfältiger Art und Weise erhöht. Im Haushalt 2016 wird auch der Bau von Radschnellwegen verankert.

Ich könnte diese Erkenntnis jetzt locker mit zahlreichen Zitaten aus der Antwort der Landesregierung belegen. Allerdings ist mir der Blick auf eine zweite Erkenntnis wichtiger; denn wir wissen auch:

Wir können uns nicht auf dem Erreichten ausruhen. Wir wollen das auch gar nicht. Wir wollen unsere Position als Fahrradland Nummer eins ausbauen und den Radverkehrsanteil von 10 auf 25 % erhöhen. Das Potenzial dafür ist auch da, wenn wir bedenken, dass bei uns im Schnitt 380 km pro Person und Jahr auf dem Rad zurückgelegt werden. In Holland sind das – nicht unerwartet – deutlich mehr, und zwar rund 1.100 km. Aber auch in Dänemark – damit wird nicht jeder rechnen – sind es rund 950 km, die statistisch jeder Däne pro Jahr mit dem Fahrrad zurücklegt.

Wir wollen diese Potenziale auch in unserem Land erkennen und heben. Auch hierzu bieten die Antworten der Landesregierung viele und gute Ansätze.

Hierbei ist Geld natürlich nicht unwichtig und mit Sicherheit nie genug. Wir wissen: Jeder in den Ausbau von Radwegen investierte Euro ist ein gut investierter Euro. 1 km Radweg an Landesstraßen ist für rund 200.000 €, 1 km Radschnellweg für rund 500.000 € zu haben. Dagegen stehen rund 3 Millionen € für 1 km Landstraße und 5 Millionen € für 1 km Bundesstraße, also das Zehnfache.

Vor diesem Hintergrund freuen wir uns, dass die Landesregierung in diesem Jahr 9,4 Millionen € für Radwege an bestehenden Landstraßen, auf stillgelegten Bahnstrecken und für Bürgerradwege zur Verfügung stellt.

Letztere, die Bürgerradwege, sind eine einzige Erfolgsgeschichte. Allein in den vergangenen zehn Jahren sind darüber 250 km Radweg unbürokratisch und zügig gebaut worden. In diesem Jahr kommen 18 Projekte mit knapp 16 km dazu.

Dennoch dürfen wir das eine nicht gegen das andere ausspielen. Zukunftsorientierte Verkehrspolitik

braucht Straßenbau ebenso wie Radwegebau. Radwegebau braucht Bürgerradwege ebenso wie Radschnellwege. Und alles – damit das nicht in Vergessenheit gerät – braucht auch die Investition in die Schiene, insbesondere um die Verkehrsträger miteinander zu verknüpfen.

Ja, Geld ist nicht unwichtig. Aber Geld ist auch nicht alles. Es kommt auf Netzwerke an. Hier ist die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Kreise und Gemeinden in NordrheinWestfalen – kurz AGFS – von herausragender Bedeutung. Mit 13 Mitgliedern 1993 an den Start gegangen, hat die Arbeitsgemeinschaft aktuell 76 Mitglieder. Ziel ist, bald die 100er-Marke zu knacken. Fast könnte man sagen: Die Geschichte der AGFS ist der Beleg für die gute Radverkehrspolitik in unserem Land. Ich kann versichern: Wir werden die AGFS in ihrem Tun auch weiter unterstützen.

(Beifall von Arndt Klocke [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, unsere Große Anfrage zur Radverkehrspolitik in Nordrhein-Westfalen und ihre Beantwortung durch die Landesregierung macht deutlich: Es gilt, den eingeschlagenen Weg konsequent und beharrlich weiterzugehen; denn Kopenhagen, London oder auch New York und andere machen es uns vor. Ohne einen höheren Radverkehrsanteil wird es in Zukunft keine Mobilität in den Metropolen geben.

Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam weitergehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Klocke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für einen historischen Augenblick sind zu wenige Leute im Plenum, obwohl viele auf den Zuschauerbänken sinken. Das Fahrrad – mit der Antwort auf die Große Anfrage zum Radverkehr unterstreicht die Landesregierung dies noch einmal – ist das Verkehrsmittel der Zukunft. Das mag vielleicht

nur grün klingen. Aber da gibt es unter allen Verkehrsexpertinnen und -experten zum Glück keinen Streit. Das Fahrrad hat in dem künftigen Mobilitätsmix einen großen Stellenwert. Vor allen Dingen wächst der Radverkehr in den letzten Jahren massiv, und zwar nicht, weil das in irgendeiner Weise regierungsmäßig verordnet worden wäre, sondern, weil die Leute umsteigen, weil sie schnell von A nach B kommen wollen, weil sie sich bewegen wollen, weil natürlich die Frage von Parkraum in den Innenstädten eine große Rolle spielt und weil es neue Modelle gibt. Mit den E-Bikes, mit den Falträdern, mit den Lastenrädern gibt es unglaublich interessante neue Angebote.

Deswegen greifen viele Menschen in den letzten Jahren zunehmend auf das Fahrrad zurück. Im Modal Split der Bundesrepublik ist der Anteil in den letzten fünf Jahren von 9 % auf 14,5 % gewachsen. Es gibt hier in Nordrhein-Westfalen einige Städte mit hohem Radverkehrsanteil. Münster ist natürlich der absolute Vorreiter mit nah an 40 %. Aber es gibt auch andere Großstädte wie Köln oder Düsseldorf, wo man die 15-%-Marke knackt.

Das Fahrrad ist also überhaupt kein Nischenverkehrsmittel mehr, sondern wird immer mehr zum Trendverkehrsmittel. Ich habe kürzlich einen Trendforscher im ZDF-Kulturmagazin „aspekte“ gehört, der sagte: Wer modern sein will, fährt heutzutage Fahrrad.

Damit wir als Landesregierung diesen Trend, der natürlich gut ist, verstärken können, haben wir diese Große Anfrage zum Radverkehr gestellt, um – das hat eben der Kollege Becker schon ausgeführt – Fakten- und Datenmaterial zu bekommen, was in Nordrhein-Westfalen im Bereich Radverkehr in den letzten Jahren und Jahrzehnten schon passiert ist und wo es Handlungsbedarf gibt, um es auszuwerten und zu prüfen, was man in den Häusern der Landesregierung, in den Ministerien, in den Kommunen, in den Regionen machen kann, um diesen Trend zum Rad und zum Radverkehr zu unterstützen.

Für uns ist ganz klar, dass der Umstieg auf das Fahrrad eine vernünftige Infrastruktur benötigt. Immer mehr Menschen sind bereit, umzusteigen. Es muss aber vernünftige Möglichkeiten dazu geben. Dafür braucht es vernünftige Radwege, vernünftige und sichere Radabstellmöglichkeiten, vernünftige Ladestationen für die E-Bikes etc.

Wir haben hier in Nordrhein-Westfalen mit der AGFS ein Netzwerk, um das uns andere Bundesländer, und zwar alle Bundesländer, beneiden. Die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher

Städte, Kreise und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen hat – ich hätte gesagt: gut 75; Andreas Becker wusste die genaue Zahl – mittlerweile 76 Mitgliedsstädte und -kreise. Und es werden immer mehr. Wir haben in jedem Monat eine Bereisung, wo wir uns

neue Städte angucken. Demnächst sind wir in Bochum unterwegs.

Es gibt also eine gute Agentur, die Städte berät, fahrradfreundlich zu werden. Wir haben über 70 Radstationen im Land – das war auch ein rot-grünes Erfolgsprojekt aus der Regierungszeit 1995 bis 2005 –, die Einrichtung der Radstationen an vielen großen Hauptbahnhöfen, hier auch in Düsseldorf, die Möglichkeit, Fahrräder abzustellen, sie reparieren zu lassen, Fahrradwaschanlagen etc., all das, was an Infrastruktur notwendig ist. In Nordrhein-Westfalen ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten enorm viel auf den Weg gekommen.

Wir wollen hier nicht stehen bleiben. Wir wollen diesen Trend verstärken. Wir wollen es unterstützen. Das ist auch ein Projekt für die nächste Legislaturperiode, die hoffentlich SPD und Grüne wieder gemeinsam bestreiten werden.

(Beifall von Minister Michael Groschek)

Dann werden wir vieles, was in der Großen Anfrage Radverkehr skizziert worden ist, umsetzen. Wir werden das, was da an Datenmaterial, an Zahlen auf den Tisch gelegt worden ist, auswerten und in ein gutes Regierungsprogramm stricken.

Vielleicht zum Abschluss: Es ist nicht so, dass wir da weltweite Trendsetter sind. In Deutschland sind wir vorbildlich mit unserer Radverkehrspolitik. Aber wenn man in die Nachbarländer, in die Niederlande, nach Dänemark guckt: Copenhagenize ist das Schlagwort, wenn man für Radverkehrspolitik wirbt – 45 % Radverkehrsanteil im Modal Split. Jedes zweite Fahrzeug quasi, das in der Innenstadt unterwegs ist, ist ein Fahrrad – nicht nur, weil es eine gute Bewegungsform ist, sondern weil es natürlich unsere Innenstädte klimafreundlicher macht, von Schadstoffen entlastet, die Parkraumsituation verändert. Leute bewegen sich, bleiben gesund.

Die großen Metropolen in der Welt haben das entsprechend erkannt. Selbst in New York gibt es jetzt ein großes Radverleihsystem. London investiert in den nächsten 15 Jahren eine Milliarde Pfund in Radwege, in Fahrradinfrastruktur. Wer nach Paris fährt, wer nach Barcelona fährt, nach Wien – überall große Fahrradverleihsysteme, neue Radwege, neue Abstellmöglichkeiten. In der Welt ist da viel auf den Weg gebracht.

Hier in Nordrhein-Westfalen haben wir einiges geschafft, um das entsprechend zu unterstützen, vorantreiben zu können, am liebsten parteiübergreifend, auch mit der Unterstützung der Opposition in vielen Kommunen, die da notwendig ist.

Herr Kollege, Ihre Redezeit.

Ich sehe schon, Herr Schemmer meldet sich. Ich vermute, dass er mir sagen will, dass seine …

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist vorbei.

Nein, nein, er macht das schon. In seinem Ort, im Münsterland ist Fahrradverkehr ganz vorne. Vermutlich will er mir das jetzt noch mitteilen. Ich lasse das natürlich zu, Herr Präsident.

Ja, aber die Redezeit ist lange vorbei.

Oh. Dann hätten Sie mich ja vorher schon einmal daran erinnern können.

Ja, ich habe es leise getan. Ich mache das auf die nette Art und Weise. Aber die Redezeit ist deutlich überschritten, und Sie waren so in Fahrt, dass Sie die kleinen Hinweise nicht wahrgenommen haben.

Ja, das nächste Mal achte ich darauf.

Das kann passieren. Schönen Feierabend noch!

Aber …

Nein, das geht nicht mehr. Die Redezeit ist vorbei.

Gut. Dann bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit und wünsche uns noch eine weiterhin gute Debatte.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Danke. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen. Wir haben noch weitere Redner, zum Beispiel Herrn Kollegen Rehbaum von der CDU-Fraktion.