Ob anonyme Briefkastenfirmen zur Steuerhinterziehung genutzt werden oder nicht, ist für Kubicki keine – Zitat –: „Frage der Konstruktion, sondern eine Frage der Integrität derer, die sie nutzen.“ – Also mehr Moral bitte, liebe Inhaberinnen und Inhaber von Briefkastenfirmen, aber bloß weiterhin keine staatliche Kontrolle und kein Licht ins Dunkel dieser Schattenkonstrukte!
Sie müssen sich dann die Frage stellen, ob das schon die neue FDP ist oder ob es noch die alte Mövenpick-FDP ist.
Ja, ich habe mich über das Interview auch sehr aufgeregt. Von daher ist das völlig legitim. Aber vielleicht klären Sie das einmal mit Herrn Kubicki. Was Sie jetzt vorlegen, passt nicht ganz ins Wording.
Meine Damen und Herren, dass wir heute überhaupt über Panama Papers sprechen, haben wir einem mutigen Menschen, einem Wistleblower, zu verdanken, der sich hinter dem Pseudonym John Doe verbirgt.
Die Grünen-Fraktion und auch meine Partei werden weiterhin auf allen Ebenen dafür kämpfen, dass Hinweisgeber geschützt werden, die uneigennützig dazu beitragen, Unrecht aufzudecken.
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie wichtig unabhängiger und kritischer Journalismus für eine Demokratie ist, dann ist das durch die herausragende Arbeit des Journalistennetzwerkes zu den Panama Papers endgültig erbracht.
Lieber Kollege Henning Höne, ich weiß nicht, wie Sie das empfinden. Aber ich finde es immer amüsant, wenn Amerikaner in den Berichten zum Vorwahlkampf, aber auch in Nachrichtensendungen versuchen, „Süddeutsche Zeitung“ zu sagen. Aber man muss anerkennen, dass in den USA eine Diskussion darüber entbrannt ist, wie man unabhängiges Verlagswesen, wie man unabhängige Medien erhalten kann. Darauf bin ich auch ein bisschen stolz.
Meine Damen und Herren, zum Schluss: Wir sind den Journalisten und dem Recherchenetzwerk zu Dank verpflichtet, dass es aufgearbeitet wurde. Es ist jetzt an uns, daraus Konsequenzen zu ziehen. Wir haben unsere Vorschläge vorgelegt. Sie liegen auf dem Tisch. Lassen Sie uns gemeinsam konsequent gegen Steuerhinterziehung und gegen Geldwäsche vorgehen. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und daheim! Was hörten wir? Oh wie schön ist Panama! – Nichts ist schön in Panama. Man muss aber auch sagen: Nichts ist schön in Deutschland.
Die Panama Papers sind Begleiterscheinungen eines insgesamt dysfunktionalen Steuersystems. Wir sprechen über eine Unterrichtung zu den Konsequenzen aus den Panama Papers. Es heißt im Titel dieser Unterrichtung: Ein Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit.
Mit Verlaub, Herr Finanzminister, dazu habe ich von Ihnen nicht viel gehört. Sie reden natürlich darüber, was man alles international tun kann. Aber wir sind hier in Nordrhein-Westfalen. Nordrhein-Westfalen ist unser Anliegen. Dazu habe ich außer den Verdiensten um die Ankäufe von Steuer-CDs nichts gehört.
Zugegebenermaßen: Das ist beachtlich. Aber das hat wiederum nichts mit den Panama Papers zu tun. Wo, liebe Landesregierung, war und ist eigentlich hier und heute im Rahmen der Unterrichtung des Parlaments die Neuheit? Gehört habe ich nichts.
All das, was heute hier gesagt worden ist, ist kalter Kaffee, hat in der „Süddeutschen“ und sonstwo gestanden, wurde bereits international kommentiert und diskutiert, auch in Deutschland selbstverständlich. Und Sie, Herr Finanzminister, waren dabei an vorderster Front, nicht zuletzt auch im Bundestag.
Es ist schön, dass Sie im Bundestag geredet haben. Ich freue mich da für Sie. Die Unterrichtung hier im Landtag Nordrhein-Westfalen ist – ich möchte mal sagen – ein zeitraubender Faktor. Ich glaube, wir haben hier im Land Nordrhein-Westfalen genügend andere Probleme. Zu den Problemen, die Sie, Herr Finanzminister, in unserem Land zu bearbeiten hätten, komme ich selbstverständlich noch im weiteren Verlauf meiner Rede.
Wir haben heute das Abfeiern über die Steuer-CDs gehört: Alles wunderbar! Sie müssen sich natürlich fragen lassen: Brauchte es dazu die Panama Papers? – Nein, es brauchte sie nicht. Zu wissen, dass es Briefkastenfirmen gibt, und zwar in hunderttausendfacher Anzahl, dafür brauchen wir keine Panama Papers. Das ist bekannt. Das ist dem Land Nordrhein-Westfalen, das ist Ihnen, Herr Finanzminister, selbstverständlich auch bekannt – nicht nur im Zusammenhang mit der WestLB, sondern auch im Zusammenhang mit anderen Beteiligungen des Landes, auf die ich wiederum noch zu sprechen komme.
Am 3. April bekannt gewordene Panama Papers belegen bloß – und das allerdings in einer, was das Ausmaß angeht, unglaublichen Dimension –, wie natürliche und juristische Personen in Geschäfte mit Offshorekonstruktionen verwickelt sind. Der Leak umfasst E-Mails, Urkunden, Kontoauszüge, Passkopien, weitere Dokumente zu rund 214.000 Gesellschaften, vor allem in Panama und auf den Jungferninseln.
Die Panama Papers belegen aber bloß, was längst bekannt ist, wie ich gerade sagte. Laut „Süddeutscher Zeitung“ vom 4. April besitzen auch Tausende deutsche Staatsbürger Briefkastenfirmen oder Stiftungskonstruktionen in Panama, die von der Kanzlei Mossack Fonseca vermittelt und betreut werden. Dabei sollen mindestens 28 – Herr Kollege Witzel hat es auch schon gesagt – deutsche Banken mit Mossack Fonseca bei der Schaffung und Verwaltung von derartigen Offshorekonstruktionen zusammengearbeitet haben. Darunter waren sämtliche deutsche Landesbanken.
Die Auswertung der bisher bekannten Ausschnitte der Panama Papers macht deutlich und belegt: Es hat sich ein paralleles Schattensteuersystem für global agierende Konzerne, Superreiche, Despoten, Terroristen und organisiert Kriminelle etabliert – und das sitzt auch mitten in Deutschland.
All das ist längst bekannt und müsste den deutschen Steuerbehörden längst bekannt sein. Warum es das nicht ist, liegt möglicherweise am Personalaufwand, der betrieben wird im Zusammenhang mit Betriebsprüfungen und Steuerfahndungen.
Während abhängig Beschäftigte, Selbstständige und kleine und mittlere Unternehmen brav ihre Steuern zahlen, sind Superreiche, Konzerne mit sachkundiger Hilfe von Banken und Kanzleien in der Lage, gewollte und ungewollte Steuerschlupflöcher auszunutzen, um ihre Steuerlast systematisch, massiv und aggressiv abzusenken. Dieses parallele Steuersystem hat zur Folge, dass die, die monetär am meisten haben, die geringsten effektiven Steuersätze zahlen.
Die steuerliche Dysfunktionalität wird aber auch dadurch begünstigt, dass in einer globalisierten Welt keine Waffengleichheit zwischen nationaler Steuergesetzgebung und international operierenden Konzernen bzw. Individuen herrscht. Die unterschiedlichen Steuersysteme der Staaten nutzen die Konzerne selbstverständlich gezielt aus, um aggressive Steuervermeidungsstrategien zu betreiben. Die fehlende internationale Steuerharmonisierung führt daher zu Moralarbitrage. Schon innerhalb Europas steckt man noch in den Anfängen fest. Sie werden innerhalb Europas nicht einmal weiterkommen.
Nicht zuletzt innerhalb Deutschlands wird es problematisch, wenn man bedenkt, dass die Steuerverwaltung eine Frage der föderalen Systematik in Deutschland ist. Da gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Nord und Süd, Ost und West. Auch das sollte mal bedacht werden. Davon habe auch ich hier heute nichts gehört.
Der französische Ökonom Gabriel Zucman schätzt, dass aktuell 7,6 Billionen Dollar Schwarzgeld in Steueroasen zirkulieren. Dass damit in den Heimatländern dieser Steuerflüchtigen von diesen Steuerkriminellen Hunderte von Milliarden Dollar Steuern hinterzogen bzw. vermieden werden, dürfte klar sein.
Aber als Konsequenz aus den Panama Papers – das muss man hier mit aller Deutlichkeit noch einmal sagen – haben wir hier, auch Sie, Herr Finanzminister, in erster Linie vor der eigenen Haustür zu kehren. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Forderungen wie „Steuerflucht international wirksam bekämpfen“ oder Ähnliches oder auch solche Forderungen, wie sie in dem Entschließungsantrag von Rot-Grün hier eingebracht sind, von der eigenen politischen Verantwortung und Untätigkeit auf nationaler Ebene ablenken sollen.
Wir haben es nämlich mit etwas Besonderem in Deutschland zu tun, nämlich mit einer Steueroase, Steueroase Deutschland. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit stuft Deutschland auf Platz acht der weltweit übelsten Schattenfinanzplätze ein. Damit steht die Bundesrepublik Deutschland in diesem Ranking deutlich vor Panama, das auf Rang zwölf zu finden ist.
So ist es in Deutschland zum Beispiel legal, dass Banken Gelder annehmen und von ausländischen Kunden anlegen, selbst wenn sie wissen, dass diese Gelder aus kriminellen Aktivitäten stammen, wie zum Beispiel im Ausland begangener Steuerhinterziehung, Untreue, Korruption.
Wenn ein Bankkunde als Steuerausländer gilt, verzichtet der Staat auf viele Steuerzahlungen. De facto werden alle Zinserträge, die anfallen, nicht versteuert; denn der deutsche Fiskus geht davon aus, dass der Kunde selbstverständlich in seinem Heimatland Steuern zahlt. Sind Banken bei der Steuerhinterziehung behilflich und werden sie bei dieser Straftat erwischt, haben sie nur in Ausnahmefällen etwas zu befürchten.
Deswegen unterstützen wir die Forderung nach einem Unternehmensstrafrecht nicht nur in Bezug auf die steuerlichen Aspekte, sondern auch in Bezug auf andere Aspekte wie Korruption etc.
Das deutsche Gesetz sieht lediglich vor, gegen Unternehmen ein Bußgeld aufgrund einer Ordnungswidrigkeit zu verhängen. Sie haben es eben selbst so gesagt, Herr Finanzminister. Das ist lächerlich; das darf nicht so bleiben.
Auch außerhalb des Finanzsektors ist die Bundesrepublik Deutschland eine Steueroase und ein Geldwäscheparadies. Da es in Deutschland kein zentrales Immobilienregister gibt und keine zentrale Stelle, die einen Überblick darüber hat, wie viele Offshorefirmen Immobilien besitzen, sind ausländische Firmen in Deutschland in der Lage, Grundstücke zu erwerben, ohne dass ausgewiesen wird, wessen Kapital hinter dem Kauf steckt.
Die „Süddeutsche Zeitung“ hat herausgefunden, dass allein in Berlin 5.000 Grundsteuerkonten existieren, deren Eigentümer formal in Steueroasen sitzen, aber in der Realität wohl häufig Europäer sind. Auch das ist Ihnen sicher bekannt, auch aus Nordrhein-Westfalen, Herr Finanzminister.
Die Bekämpfung von Geldwäsche in Deutschland ist in ihrer derzeitigen Form völlig unzureichend. Die Kontrolle von Geldwäsche in Deutschland ist auf dem Niveau wie in einer Bananenrepublik. In vielen Bundesländern fällt dies in den kommunalen Aufgabenbereich. Unerfahrene kommunale Mitarbeiter stellen keine adäquate Kontrollinstanz für hochspezialisierte Immobilienmakler, Finanzdienstleister jeglicher Couleur, Notare, Anwälte usw. dar, und schon gar nicht für internationale Konsortialunternehmen.
Bei diesen überaus günstigen Rahmenbedingungen ist es nicht verwunderlich, dass viele Diktatoren ihre Gelder gerne auch in Deutschland anlegen. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit geht von 2 bis 3 Billionen € aus, die unversteuert in Deutschland von Steuerausländern angelegt sind. Prof. Kai Bussmann von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg kommt im Rahmen seiner Studie zu dem Ergebnis, dass das gesamte Geldwäschevolumen in Deutschland jährlich rund 100 Milliarden € beträgt. – Hört, hört!
Und da kommen Sie, Herr Finanzminister, mit einer Liste mit 27 Staaten daher, die nach den Ermittlungen deutscher Steuerbeamter im Zusammenhang mit den Steuer-CDs in der Schweiz 93 Milliarden € gebunkert haben – Beträge, die Sie auf Steuerzahlers Kosten bis auf den Cent genau haben ausrechnen lassen, wobei Sie in der Aufstellung auch noch das Volumen des deutschen Vermögens in der Schweiz, welches Sie aus den Steuer-CDs hätten ablesen können, vergessen haben. Bis zur Stunde ist dieser Betrag nicht bekannt.