Protocol of the Session on November 7, 2012

Die Schulen stehen vor großen Herausforderungen. Deshalb sind Schulentwicklungsprojekte so wichtig. An solchen Projekten sind die Kommunen als Schulträger der öffentlichen Schulen immer beteiligt. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, dass Kommunen in diesem Bereich weniger Mittel aus dem Landesetat bekommen sollen. Die Haushaltssituation in vielen Kommunen ist katastrophal. Die Kommunen müssen an allen Ecken und Enden sparen. Aus Köln war beispielsweise neulich zu hören, dass die Stadtverwaltung ihre Bediensteten deshalb in Zwangsurlaub schicken will. Ich denke, dass das eigentlich alles sagt.

Auch die Kommunen brauchen mehr Geld für die Schulen – vor allem dann, wenn der Prozess der Inklusion gelingen soll.

Wir sehen an den Schulen noch weitere Probleme und werden diese hier zur Sprache bringen. Wir müssen uns zum Beispiel auch dem Problem der ungleichen Bezahlung und unterschiedlichen Unterrichtsverpflichtungen von Lehrern widmen. Diese führen zu Unzufriedenheit und Konflikten in den Kollegien. Die Entwicklung einer inklusiven Schule wird dieses Konfliktfeld vermutlich weiter verschärfen. Auch hier werden wir eher mehr als weniger Geld brauchen.

Nicht zuletzt ist es nötig, über die vielen fehlenden Schulleiter zu sprechen. Besonders betroffen sind die Grundschulen. Es geht um einen Job mit hoher Arbeitsbelastung und Verantwortung. Diese stehen in keinem angemessenen Verhältnis zur Bezahlung. Es ist zu befürchten, dass sich auch diese Entwicklung verschärft. Die neuen Aufgaben auf dem Weg zur inklusiven Schule werden zu noch höherer Belastung führen. Da ist der Schulleiterjob alles andere als ein Traumjob.

Fazit: Wir brauchen mehr Geld im Bildungssystem von NRW. NRW steht im Bundesvergleich bei den Pro-Kopf-Ausgaben an hinterster Stelle. Die Klassenfrequenzen sind im Vergleich zu anderen Bundesländern immer noch viel zu hoch. Da wird auch der Demografiegewinn nicht ausreichen.

Bildung ist eine Investition in unser aller Zukunft. Wir dürfen uns nicht über einen Mangel an Ingenieuren beschweren, wenn wir nicht genügend Schüler auf ein solches Studium vorbereiten. Und wir dürfen uns vor allem nicht über den Mangel an studierten Fachkräften beschweren, wenn es nicht genügend Studienplätze gibt. Wir brauchen eine Bildungsoffensive. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Pieper. – Für die Landesregierung erteile ich nunmehr Frau Ministerin Löhrmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bildungskonferenz und der Schulkonsens zwischen Regierungsparteien und Opposition haben den Weg bereitet, die Schullandschaft in Nordrhein-Westfalen weiterzuentwickeln, und wir agieren systematisch angelegt, schrittweise und nachhaltig mit einer Gesamtkonzeption, in der die verschiedenen Gesetze und Haushaltsmaßnahmen ineinandergreifen.

Die Bildungskonferenz, der Schulkonsens und die hieraus resultierenden und schon erfolgten Änderungen des Schulgesetzes und der Landesverfas

sung sind eine große politische Gemeinschaftsleistung und beleben die Schullandschaft in NordrheinWestfalen, indem sie eine pragmatische, innovative Schulentwicklung vor Ort möglich machen.

Es gibt einen Unterschied in den Debattenbeiträgen der CDU. Während Herr Kaiser diesen Haushalt, der im Wesentlichen der gleiche ist wie der in der 15. Legislaturperiode eingebrachte, im Schulausschuss als faire Umsetzung des Schulkonsenses bezeichnet hat – da war die CDU teilweise unser Partner, weil wir Minderheitsregierung waren –, ist diese positive Aussage jetzt von der CDU – jetzt will sie sich in der Opposition schließlich etwas deutlicher artikulieren – nicht mehr getätigt worden. Die Grundlagen im Einzelplan 05 sind aber nach wie vor die gleichen.

(Zuruf von der CDU: Was?)

Um die Entwicklung systematisch weiterzuführen, müssen wir den Schulkonsens auch haushaltspolitisch mit Leben füllen. Wir werden die notwendigen Ressourcen sowohl mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf 2012 als auch mit den Haushaltsentwürfen für die Folgejahre bereitstellen. Damit schaffen wir die Voraussetzung, um in dieser Legislaturperiode neue Schulformen – Sekundarschulen, Gesamtschulen – einzurichten, in allen Schulformen – von der Grundschule über die Realschule bis hin zur Gesamtschule und Gymnasium – die Klassengrößen Schritt für Schritt zu verringern und den Ganztag auszubauen. Das sind ganz konkrete Anforderungen, die die Schulöffentlichkeit an die Landesregierung und den Haushaltsgesetzgeber stellt.

Wir – damit meine ich die den Schulkonsens tragenden Fraktionen – haben uns darauf verständigt, dass die Realisierung finanzrelevanter – das heißt: stellenrelevanter – Maßnahmen in dem Maße erfolgen kann, in dem Ressourcen durch zurückgehende Schülerzahlen frei werden. Das sage ich an die Adresse derer, die meinen, alles gehe sofort und alles gehe auf einmal. Wir haben ausdrücklich festgehalten, dass das nicht der Fall ist.

Vielleicht muss man noch einmal an eines erinnern. Wir haben zu Beginn unserer letzten Regierungszeit mit unserem Haushalt erst einmal eine „Lehrerlücke“ schließen müssen. Das waren 1.700 Stellen, die wir zusätzlich geschaffen haben, um eine hohe Ausgangslage zu gewährleisten.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Was die Schulentwicklung angeht, so will ich Folgendes auch noch einmal sagen: Frau Gebauer, natürlich gibt es an der einen oder anderen Stelle Streit über die kommunale Schulentwicklung. Aber das hat nicht mit dem Schulkonsens angefangen. Das hat es schon immer gegeben. Es hat Bürgerbegehren für oder gegen bestimmte Schulformen gegeben, und dass es an der einen oder anderen Stelle Streit gibt, stellt doch nicht diese Erfolgsbilanz unserer Regierungsarbeit infrage. Mittlerweile sind

nämlich über 70 neue Schulen des längeren gemeinsamen Lernens aufgrund großen Konsenses vor Ort geschaffen worden. Also, das setzen Sie damit nicht außer Kraft, und ich kann mir vorstellen, dass es Sie nach wie vor ein bisschen ärgert, dass Sie im Grunde nicht mit dabei sind.

Im Haushaltsentwurf 2012 werden die demografischen Effekte wie folgt eingesetzt: erstens für den Mehrbedarf der neu zu gründenden Sekundarschulen, zweitens für den ersten Schritt zur Absenkung des Klassenfrequenzrichtwerts an Grundschulen von 24 auf 23,75, drittens für 35 neue Ganztagsschulen in der Sekundarstufe I – davon sind etliche Gymnasien; das betone ich in Richtung FDP –, viertens für den Ausbau offener Ganztagsschulen im Primarbereich um 10.000 Plätze und fünftens für den Mehrbedarf beim Ausbau des gemeinsamen Unterrichts und die Umsetzung der UN

Behindertenrechtskonvention.

Frau Ministerin, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Stamp zulassen?

Wenn Sie die Uhr anhalten, gerne.

Ich interpretiere das als klares Ja.

Frau Ministerin, ich habe folgende Nachfrage: Sie haben den Aufwuchs der Schulen des längeren gemeinsamen Lernens gerade noch einmal als Erfolg herausgestellt. Jetzt war im Zusammenhang mit der Abstimmung in Castrop-Rauxel über Realschule und Sekundarschule klar erkennbar, dass die kommunalen Vertreter dort vor Ort argumentiert haben, dass der entscheidende Vorteil die Ausstattung der entsprechenden Schulen sei. Wird das Ihrem pädagogischen Anspruch als Schulministerin gerecht, wenn sich diese Schulen nur aufgrund der entsprechenden Ausstattung durchsetzen?

Ich habe die Gründe, die einen Schulträger dazu bewegen, eine Schule welcher Art auch immer einzurichten, nicht zu bewerten. Wir haben eine klare verfassungsrechtlich vorgegebene Aufgabenteilung. Das Land gibt den gesetzlichen Rahmen für die Schulentwicklung vor, und dann entscheiden die kommunalen Schulträger in eigener Verantwortung. In Nordrhein-Westfalen gelten nämlich die kommunale Selbstverwaltung und das Subsidiaritätsprinzip. Das bedeutet, dass vor Ort entschieden werden soll, wenn vor Ort entschieden werden kann. Diesem Grundsatz folgen wir.

Wir haben einige Anforderungen formuliert, beispielsweise dass der Elternwille zu erfragen ist. Wir könnten lange darüber streiten, warum Eltern ihr Kreuzchen genau an der Stelle machen, wo sie es machen.

Also, das ist in Nordrhein-Westfalen rechtlich gut und vernünftig geregelt, und ich maße mir nicht an, weder die kommunale Entscheidung noch das Elternwahlverhalten zu beurteilen.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Dann können Sie die Realschulen doch genauso ausstatten!)

Die Kommunen, die Bezirksregierungen und das Ministerium entscheiden in Nordrhein-Westfalen nach Recht und Gesetz.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Dr. Joachim Stamp [FDP]: Dann können Sie die Realschulen doch genauso ausstatten!)

Eines haben Sie vielleicht noch nicht verstanden, Herr Stamp.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Ja?)

Vielleicht wäre es schön gewesen, Sie hätten an den intensiven Gesprächen, die Herr Kaiser, Herr Link, der jetzt Oberbürgermeister von Duisburg ist, Herr Röttgen, Herr Laumann, Frau Kraft, Frau Beer und ich führten, teilgenommen. Es gibt einen Grund zum Beispiel für das verringerte Stundendeputat der Lehrerinnen und Lehrer an Gesamtschulen und auch an Sekundarschulen und auch für den Differenzierungszuschlag. Denn Schulformen, die alle Kinder annehmen und nicht differenzieren, um welche Kategorie von Kind es sich handelt, haben einen erhöhten Vorbereitungs- und Differenzierungsbedarf, um der individuellen Förderung, die im Schulgesetz steht, gerecht werden zu können. Das ist der Grund.

Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten im Ergebnis nicht weniger, sie haben nur eine unterschiedliche Ausgangsberechnung zur Grundlage. Das können wir gerne vertiefen. Das ist der Hintergrund für diese Entscheidung. Ich finde es fahrlässig, wie Sie versuchen, sozusagen einen Spalt in die im Großen und Ganzen breit akzeptierte Entwicklung zu treiben, die wir Gott sei Dank in Nordrhein-Westfalen eingeleitet haben.

Meine Damen und Herren, neben dem Schulkonsens und der Inklusion sind auch die Ergebnisse der Bildungskonferenz in den Haushaltsentwurf 2012 eingeflossen. Ich möchte hier die Erhöhung der Leitungszeit für die Schulleitungen, für die wir 224 Stellen einsetzen, und den Ausbildungskonsens, den wir mit 70 Stellen unterstützen, nennen. Auch hier die Prioritätensetzung: Wir investieren erst einmal in das neue Übergangssystem, nämlich 70 Stellen, und dann gehen wir davon aus, dass wir Jugendliche, was im Übrigen auch die FDP fordert, schneller in die duale Ausbildung bringen. Und wenn sie in der dualen Ausbildung sind, dann brauchen sie kei

ne vollzeitschulische Ausbildung. Und dann kann man auch diese Stellen, ohne dass es irgendeinen Qualitätsverlust für die jungen Leute hätte, absetzen.

Darüber hinaus erhöhen wir die Mittel für die Lehrerfortbildung um 750.000 €. Damit folgen wir ebenfalls einer Anregung der Bildungskonferenz.

Das Integrations- und Teilhabegesetz sieht die Umwandlung und Ausweitung der regionalen Arbeitsstellen vor. Für den flächendeckenden Ausbau haben wir 50 Lehrerstellen vorgesehen.

Wir erhöhen die Mittel für die privaten Ersatzschulen in Nordrhein-Westfalen um beinahe 43 Millionen €. Alle Maßnahmen des Schulkonsenses werden auch in der Finanzierung der privaten Ersatzschulen berücksichtigt.

Meine Damen und Herren, ich habe bei den Haushaltsberatungen im Ausschuss für Schule und Weiterbildung erneut mehr Zustimmung und wenig Kritik erfahren. Prinzipiell sind alle Fraktionen mit dem Haushaltsentwurf 2012 für den Einzelplan 05 weitgehend zufrieden. Die Piratenfraktion hat Änderungsanträge gestellt, die darauf abzielen, die Zahl der Lehrerstellen um 369 zu erhöhen. Frau Pieper, es ehrt Sie sehr, dass Sie selber hier im Grunde die Sinnhaftigkeit Ihrer Forderung ein bisschen infrage stellen, indem Sie sagen, Sie wollen im Grunde nur ein Signal geben, wissend, dass das eigentlich nicht mehr vernünftig verausgabt werden kann.

Meine Damen und Herren, trotz der angespannten Finanzlage des Landes steigen die Ausgaben des Schuletats um knapp 600 Millionen €. Wir haben im Koalitionsvertrag verabredet, dass die sogenannte demografische Rendite im Schulsystem bleibt. Die Ministerpräsidentin hat in ihrer Regierungserklärung deutlich gemacht, dass wir freiwerdende Bildungsressourcen nicht streichen, sondern für noch bessere Bildung einsetzen wollen. Ich bin sehr dankbar, dass uns dies trotz der schwierigen Haushaltslage gelungen ist.

Damit ist für mich aber auch klar, dass es nicht mehr um mehr Lehrerstellen gehen kann. Es geht darum, in Zeiten schwieriger Haushaltslagen die vorhandenen Ressourcen gezielt einzusetzen. Ja, dafür müssen Prioritäten gesetzt werden. Diese sind in erster Linie durch die Vereinbarungen zum Schulkonsens und durch die Erfordernisse der Inklusion vorgegeben. Ich sehe daher im Moment keine weitergehenden Spielräume, etwa um die Wünsche der Piraten zu erfüllen.

Frau Vogt, wenn Sie beklagen, dass wir heute nicht genug Sonderpädagogen haben, dann frage ich Sie: Wann hätten dafür denn an den Universitäten Kapazitäten geschaffen werden müssen? Es war und es ist doch nicht möglich, ohne zusätzliche Ressourcen die sonderpädagogischen Kapazitäten auszubauen, weil ein Pinkwart’sches Hochschulfreiheitsgesetz es verunmöglicht, dass wir hier steu

ernd eingreifen können. Da liegt doch die Problemlage. Und zusätzliches Geld haben Sie den Universitäten nicht gegeben.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wir haben das im 2012er-Haushalt noch nicht drin. Aber Kollegin Schulze und ich haben im Kabinett durchgesetzt, dass wir für 2013 eine Ausweisung der sonderpädagogischen Kapazitäten vorsehen. Das kann ich an dieser Stelle vorgreifend sagen. Also bitte bei der Wahrheit bleiben, damit klar ist, wer zu verantworten hat, dass wir jetzt die Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen nicht haben!

Meine Damen und Herren, Änderungsanträge von FDP und CDU zum Einzelplan 05 hat es nicht gegeben. Es sind gleichwohl noch Wünsche geäußert worden. Es ist gesagt worden: Eigentlich ist es gut, dass Bildung diese Priorität hat. – Also kann man doch jetzt erwarten, dass CDU und FDP bei den folgenden Reden zu den anderen Einzelplänen einmal Gegenfinanzierungsvorschläge machen,

damit trotz der Priorität für Bildung die Neuverschuldung gesenkt werden kann. Ich habe bei den ersten Debatten gut zugehört, aber keinen einzigen Einsparvorschlag vernommen.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Studienbeiträge!)

Es gab auch keine in den Bereichen Kommunen und Polizei. Überall habe ich nur den Wunsch nach mehr Geld gehört. Das werden wir schön weiterverfolgen und am Ende der Debatte natürlich zusammenführen. Dann wird nämlich deutlich, dass Sie in Bezug auf die Gesamtverantwortung unredlich agieren.