Protocol of the Session on March 17, 2016

Ich komme zum Schluss. Die Landesregierung muss jetzt ihr politisches Gewicht in Berlin und Brüssel für echten Grundrechteschutz im Privacy Shield einsetzen. Mitte April dieses Jahres wird die Debatte zum Privacy Shield wieder hochkochen, wenn die Datenschutzgruppe der EU ihren Bericht zum Privacy Shield vorlegt. Bis dahin sollte der Landtag hier ein klares Signal für den Schutz der Bürger aussenden.

Meine Damen und Herren, mit dem aktuellen Privacy Shield soll eine perforierte Plastikplane als Metallschild verkauft werden – mit coolem Namen und schnittigem Logo. Bei diesem Marketing-Gag der EU machen wir Piraten nicht mit. Sie sollten es auch nicht. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Münchow.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nico Kern, ich gebe Dir durchaus recht, dass Amerika nicht gerade ein Vorbild für Datenschutz ist und in der Tat die Vereinigten Staaten von Amerika dauernd illegal Daten abgreifen. Das brauchen wir hier nicht zu diskutieren. Ich will auch gar nicht so sehr ins Detail des Antrags gehen. Das ist nämlich leider so und wird wahrscheinlich auch so bleiben.

Ich befürchte, dass wir nicht viel daran ändern werden. Ein gutes Beispiel ist das Abhören des Handys der Kanzlerin, was noch nicht so lange her ist. Das ist nur ein Baustein unter vielen. Aber Datentransfer zwischen Europa und den USA muss nun einmal sein. In einer globalisierten Welt funktioniert es anders nicht.

Der Europäische Gerichtshof hat am 8. Oktober 2015 die Entscheidung zu Safe Harbor für ungültig erklärt. Ich glaube, dass das ein richtiger Schritt war. Der Europäische Gerichtshof sieht es in der Tat so, dass er der Hüter der europäischen Daten gegenüber den Amerikanern ist. Jetzt ist natürlich eine neue Regelung notwendig.

Als Kritik an dem Antrag der Piraten muss ich feststellen – das ist eben bei einem ganz anderen Thema schon einmal angesprochen worden –: Der Deutsche Bundestag – ich weiß: Die Piratenfraktion

ist natürlich nicht im Deutschen Bundestag vertreten – wäre aber der richtige Ort, um das ganze Thema zu diskutieren, und nicht der Landtag Nordrhein-Westfalen,

(Michele Marsching [PIRATEN]: Wofür gibt es hier noch einmal den Europaausschuss?)

weil in der Tat einzig und allein der Bund dafür zuständig ist – und nicht der Europaausschuss des Landtags. Das ist so.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Dann brau- chen wir den Europaausschuss nicht!)

Wenn Sie jetzt beantragen wollen, ihn abzuschaffen, Herr Marsching, dann machen Sie das doch.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Anscheinend wollen Sie das ja!)

Fakt ist ganz einfach, dass der Bund zuständig ist. Ich bin mir aber sicher, dass auch die Landesregierung des Landes Nordrhein-Westfalen die Verhandlungen weiter begleiten wird und in der Tat versucht, die Interessen von Nordrhein-Westfalen zu wahren; denn natürlich haben auch wir in Nordrhein-Westfalen kein Interesse daran, dass unsere Daten in den USA irgendwo gelagert werden oder damit irgendwelcher Missbrauch getrieben wird, der uns nicht gefällt.

Ich möchte gerne die innenpolitische Sprecherin der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Birgit Sippel, aus der S&D-Fraktion im Europaparlament zum Thema „EU-US Privacy Shield“ kurz zitieren. Sie sagt – das ist nur ein kleiner Auszug –:

„Ein schicker neuer Name – Privacy Shield statt Safe Harbor – macht noch keinen Grundrechtsschutz für EU-Bürger. Auf Basis dessen, was bisher über den Deal bekannt ist, scheint ein erneutes Scheitern vor dem Europäischen Gerichtshof sehr wahrscheinlich.“

Ich persönlich gehe auch davon aus, dass auch diese Vereinbarung vor dem Europäischen Gerichtshof scheitern wird. Dann wird es wohl noch einmal neue Verhandlungen geben müssen. Das sehe ich auch so.

Die Vereinigten Staaten haben wohl schriftlich versichert, dass sie keine Massenbespitzelung europäischer Daten durchführen werden.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Ui, ui, ui!)

In der Tat, das ist wirklich eine Pointe, über die man lachen kann. Das muss ich Ihnen zugestehen. Ich wollte das auch nur einmal aufführen. Ich halte das genauso wie Sie für einen Popanz. Das wird wohl nicht so gemeint sein, wie es hinterher gehandelt wird. Das ist sicherlich kein wirkungsvoller Rechtsschutz für uns in Europa.

Wir werden trotzdem diesen Antrag ablehnen, aber wir wollen auch, dass die Vorgaben des „Safe-Harbor“-Urteils des Europäischen Gerichtshofs umgesetzt werden. Sicherlich werden wir dieses Thema immer wieder auf der Tagesordnung haben, aber vor allen Dingen im Deutschen Bundestag, der dafür zuständig ist und wo es hingehört. Hier gilt für mich und meine Fraktion, dass die Abkommen mit anderen Ländern generell intensiv zu prüfen sind. Im Fall von CETA und TTIP sind wir durchaus in vielen Punkten einer Meinung, dass sie mit den Standards des europäischen Rechts zusammenpassen müssen. Das muss gewährleistet sein. Das gilt auch für dieses Abkommen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Münchow. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin von Boeselager.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Kern, ich kann mir vorstellen, dass Sie als Scheich eine gute Figur abgeben würden. Allerdings fehlt Ihnen das Öl. Sie haben nur die Glasperlen. Das ist das Problem in dieser Diskussion.

Wir diskutieren heute über Ihren Antrag. Wer könnte einem Schutzschild für den Datenaustausch mit den USA nicht zustimmen? Auch dass die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger noch stärker gesichert wird, stimmen wir alle zu. Ich bin sicher, dass sich die Landesregierung ganz entschieden dafür einsetzen wird. Aber damit hört bezüglich des vorliegenden Antrags die Gemeinsamkeit leider auch schon auf.

Ich wundere mich, dass Sie mit Ihren Anträgen immer den Untergang des Abendlandes verkünden.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Nur des Daten- schutzes!)

Das ist etwas übertrieben. Zur Antragsfrist hat die Artikel-29-Gruppe überhaupt noch kein Votum abgegeben, das Komitee der nationalen Experten auch noch nicht.

Die eigentliche Substanz des Angemessenheitsbeschlusses ignorieren Sie offenbar absichtlich. Die Kommission hat die Aspekte des EuGH abgearbeitet. Dazu gibt es ein ganz erhebliches Entgegenkommen auch vonseiten der USA. Jetzt kann man sich trefflich darüber streiten, ob das eingehalten wird oder nicht, aber es ist nun einmal so.

Sie haben nun diesen Antrag „kalt“ geschrieben. Bevor überhaupt die Fakten auf dem Tisch liegen, vermuten Sie schon, dass die Grundwerte verraten werden, dass man vor der Wirtschaftslobby einen Bückling macht. Das sind Unterstellungen. Die können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht akzeptieren.

(Beifall von der CDU)

Sicherlich ist richtig, dass der Datenschutz zukünftig ganz stark ausgearbeitet werden muss und dass wir hier in Europa aufgrund unserer Erfahrungen über Jahrhunderte hinweg eine Datenschutzkultur entwickelt haben. Das ist uns bewusst. Die ist ganz anders als in den Vereinigten Staaten.

Die Rechtsunsicherheit muss zukünftig aufhören. Wichtig ist, dass wir belastbare Instrumente haben, um das mit unseren amerikanischen Partnern zu vereinbaren; ein Instrument, das den Kriterien des EuGH entspricht und zur stabilen Brücke für unsere hohen europäischen Ansprüche wird. Ein solcher Austausch gewährleistet die Freiheit, die sich im digitalen Zeitalter entfalten muss mit der Chance, weltweit zu kommunizieren. Wir sind nun einmal heute soweit, dass wir weltweit kommunizieren wollen, zum Beispiel im Chatroom, ob das politisch ist, ob das interkulturelle Kontakte sind usw. Hier muss tatsächlich eine Sicherheit geschaffen werden. Sonst ist das ganze System infrage zu stellen.

Substanz für diese freie Gesellschaft ist unsere Individualität. Privatsphäre und Substanz für souveräne Menschen – das muss gewährleistet werden.

Es ist doch selbstverständlich, dass der neue Shield nur funktioniert, wenn man das, was man vereinbart hat, auch einhält. Deshalb kommt es jetzt darauf an, dass die Partner die richtigen Prämissen stellen und dass wir uns auf Bundesebene – wir auf Landesebene haben wenig damit zu tun – und auf europäischer Ebene ganz stark dafür einsetzen. Wenn das nicht gesichert ist, dann kann es auch kein Abkommen geben. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau von Boeselager. – Für die Fraktion der Grünen spricht Herr Kollege Engstfeld.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Datenschutz ist für uns Grüne ein hohes Gut. Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, zu erfahren, was mit ihren Daten geschieht. Sie haben ein Recht darauf, zu erfahren, wer ihre Daten einsehen kann und wohin sie weitergegeben werden. Vor allem haben Sie ein Recht darauf, dieser Praxis auch zu widersprechen.

Darum haben wir ausdrücklich begrüßt, dass der Europäische Gerichtshof das Safe-Harbor-Abkommen im vergangenen Oktober für ungültig erklärt hat. Dies war eine wichtige und aus unserer Sicht auch richtige Entscheidung für den europäischen Datenschutz. Dem Juristen und Datenschutzaktivisten Max Schrems, der gegen die Übermittlung seiner Daten in die USA geklagt hatte und dem die Richter am EuGH

recht gaben, danke ich im Namen meiner Fraktion für seinen Einsatz.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind eben kein sicherer Hafen für die Daten europäischer Bürgerinnen und Bürger, wie es der Name aber suggerieren will. Das Abkommen blieb letztlich eine wirkungslose Vereinbarung zulasten der Grundrechte. Zwar gingen die beteiligten Unternehmen eine Selbstverpflichtung ein, nach der sie ein den europäischen Standards entsprechendes Schutzniveau für die Datenverarbeitung in den Vereinigten Staaten gewährleisten. Allerdings war diese Selbstverpflichtung durch das Fehlen wirksamer Aufsicht oder funktionierender Sanktionsmöglichkeiten zu keinem Zeitpunkt mehr als ein zahnloser Tiger.

Nach dem Ende des Safe-Harbor-Abkommens galt es, die richtigen Konsequenzen zu ziehen und einer weiteren Verwässerung des Datenschutzes entgegenzutreten.

Ich nenne Ihnen zwei davon:

Erstens die Einführung eines hohen und bindenden Datenschutzniveaus, das konsequent überprüft wird und die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt und

zweitens die Schaffung eines stabilen Rechtsrahmens für Unternehmen.

5.500 Firmen haben sich dem Safe-Harbor-Abkommen angeschlossen, viele darunter kleine und mittelständische Unternehmen, denen anders als Facebook, Apple & Co. die Möglichkeiten fehlen, eine große Rechtsabteilung zu unterhalten. Diese Unternehmen sind auf einen einfachen Rechtsrahmen angewiesen, der ihnen Rechtssicherheit gewährt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die jetzt vorliegende Grundsatzeinigung, der sogenannte „EU-US Privacy Shield“ erfüllt aus unserer Sicht diese Anforderungen nicht. Bürgerinnen und Bürger sind den USSicherheitsbehörden in Sachen Datenschutz weitgehend wehrlos ausgeliefert. Zwar sind die Zugriffsrechte eigentlich eingeschränkt, die genannten Berechtigungen für Datenauswertungen sind jedoch so weit gefasst, dass sie jedenfalls potenziell weite Teile des Onlinelebens umfassen.

Einklagbare Rechte sind nicht vorgesehen. Stattdessen soll eine Ombudsperson eingesetzt werden, die die Verarbeitung von Daten europäischer Bürgerinnen und Bürger in den USA beobachten und Beschwerden nachgehen soll. Unter einem wirksamen Sanktionsregime, wie wir es eigentlich bräuchten, verstehe ich etwas deutlich anderes.

Liebe Piratenfraktion, lieber Kollege Kern, Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass das Legislativpaket „EUUS Privacy Shield“ noch nicht verabschiedet worden