Wir Grünen bedauern zutiefst, dass das Bundeskabinett die Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Abschaffung der verschärften Sanktionen bei den U25-Jährigen nicht übernommen hat.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle grundsätzlicher werden. Die angestrebten Rechtsvereinfachungen bei Hartz IV führen aus grüner Sicht zu keinen Verbesserungen bei den Sanktionen. Einmal abgesehen davon, dass der Hartz-IVRegelsatz mit 404 € zu niedrig ist, wird dieser Betrag derzeit als Existenzminimum angesehen. Ich frage Sie, meine Damen und Herren:
Wie kann es sein, dass man ein Existenzminimum um bis zu 30 % kürzen kann und bei den U25-Jährigen sogar, wie bereits ausgeführt, um 100 %? Wie kann es sein, dass das Sanktionssystem noch verschärft wird? Nun wird auch noch der angebliche Tatbestand „sozialwidriges Verhalten“ eingeführt – als weitere Begründung, Erstattungsansprüche an Betroffene durchzusetzen.
Es handelt sich hierbei um ein Grundrecht. Ein Grundrecht, meine Damen und Herren, muss man sich nicht verdienen.
Im Hartz-IV-System rücken leider allzu oft die persönlichen Schwächen der Menschen in den Vordergrund – ihre Defizite in der Qualifizierung, ihre Defizite in der Lebensführung.
Mit den Sanktionen wird noch einiges draufgesetzt. Es wird demotiviert und gedemütigt. Sanktionen sind unnötig und kontraproduktiv. Aus grüner Sicht ist hier ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel notwendig. Wir müssen positiv motivieren, positiv verstärken statt negativ sanktionieren.
Wir brauchen eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit fairen Regeln auf Augenhöhe. Der richtige Weg ist, die Stärken und eigenen Bemühungen der Betroffenen zu fördern: durch Zusatzleistungen bei Bemühungen um einen Arbeitsplatz, durch Zusatzleistungen bei Qualifizierungsanstrengungen, durch Zusatzleistungen bei der Bereitschaft, seine persönliche Situation zu klären.
Meine Damen und Herren, Sanktionen führen in der Praxis zu existenzieller Not, insbesondere bei den unter 25-Jährigen. Sanktionen bei Hartz IV gehören abgeschafft. Wir Grüne setzen auf Förderung und Unterstützung. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu dem, was hier zu diesem Thema schon ausgeführt wurde, kann man nur sagen, dass niemand Sanktionen fürchten muss, wenn er sich an die geltenden Regeln hält.
Meine Damen und Herren, mit großem Einsatz sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern dabei, Arbeitslose wieder in Beschäftigung zu bringen. Für diese Aufgabe stehen ihnen zahlreiche und vielfältige Förderinstrumente zur Verfügung, die mit Blick auf die individuelle Lage einsetzbar sind.
Das ist auch richtig so, weil es eben den Arbeitslosen nicht gibt. Jeder Mensch ist anders, und jeder Fall ist anders gelagert. Deshalb brauchen die Jobcenter die Möglichkeit, auf unterschiedliche Situationen unterschiedlich reagieren zu können. Kommt es bei einem eher darauf an, in einer schwierigen Lebenssituation zu stabilisieren und Hilfestellung zu geben, gibt es andere, die hochmotiviert auf die Förderinstrumente zurückgreifen, um möglichst schnell und eigeninitiativ die Lage zu verbessern. Und es gibt wieder andere, die auch Druck brauchen, um sich zu bewegen.
All diese und noch viel mehr konkrete Fälle gibt es in der Wirklichkeit dort draußen, jenseits dieses Plenarsaals. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter könnten ganze Bücher über das schreiben, was sie tagtäglich erleben.
Richtigerweise gehört zu den Werkzeugen, die die Jobcenter haben, auch die Möglichkeit, Sanktionen zu verhängen, wenn Leistungsempfänger Verpflichtungen nicht einhalten.
Meine Damen und Herren, Ihr Antrag geht auf die unterschiedlichen Sanktionsmöglichkeiten für über und unter 25-Jährige ein. Diese unterschiedlichen Sanktionsmöglichkeiten abzuschaffen, ist Teil eines Gesamtpaketes gewesen, über das eine Bund-LänderArbeitsgruppe verhandelt hat …,
… eine Maßnahme von vielen, und diese Maßnahme wird von Bayern nicht mitgetragen. Ich gehe davon aus, dass auch diese Debatte daran nichts ändert. Deshalb sehen wir auch keinen Grund, Ihrem Antrag zuzustimmen.
Herr Kollege Kerkhoff, Entschuldigung, Herr Kollege Sommer würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
haben gerade auf den positiven Aspekt von Sanktionen abgehoben. Dazu hätte ich gerne gewusst, ob Ihnen eine Studie bekannt ist, die den positiven Einfluss von Sanktionen darauf, Menschen wieder in Arbeit zu bekommen, darlegt, eine wissenschaftlich anerkannte Studie, die genau diese Aussage trifft.
Herr Kollege, es gibt eine Studie des IAB. Selbst die Sanktionierten stimmen in einer Befragung durch das IAB der Aussage zu, dass Sanktionen nötig seien, weil sich viele sonst überhaupt nicht bewegt hätten. Das sagen selbst die Sanktionierten.
Zur Sache selbst: Es gibt ca. 66.000 Arbeitslose unter 25 Jahren in Nordrhein-Westfalen. Erfreulicherweise sinkt diese Zahl seit 2013.
Bei zweieinhalb Prozent dieser Personengruppe der unter 25-jährigen Arbeitslosen mussten Sanktionen verhängt werden. Auch in Ihrem Antrag geht es um Zahlen, die deutlich unter 5 % liegen. Das Thema „Sanktionen“ ist in der Gesamtbetrachtung ein Randthema und in seiner Dimension völlig überschätzt. Ich meine, wir sind gut beraten, das Thema „Sanktionen“ nicht zu überhöhen, aber eben auch nicht zu unterschätzen. Ich habe gerade auf die Studie hingewiesen. Zudem wissen wir nicht, wie die Lage ohne Sanktionsmöglichkeiten aussehen würde.
Herr Kollege Kerkhoff, Entschuldigung, dass ich Sie schon wieder unterbreche. Diesmal ist es die Frau Kollegin Maaßen, die Ihnen eine Frage stellen möchte.
Vielen Dank, Herr Kerkhoff. – Sie haben eben gesagt, die Leute haben kein Mitleid verdient. Wie stehen Sie dazu, dass unter das Existenzminimum gekürzt wird, auch wenn es nur bei einer kleinen Prozentzahl ist?
Ich wiederhole gerne, was ich eben gesagt habe, nämlich dass mein Mitleid begrenzt ist, wenn der Betrag bei jemandem, der sich nicht an die Regeln hält, entsprechend gekürzt wird. Jeder hat die Möglichkeit, diese Sanktionen zu vermeiden, wenn er sich an das hält, was verabredet ist. Ganz einfach!
Sie beschreiben in Ihrem Antrag, was alles mit Personen passieren kann, die sanktioniert werden: Verschuldung, Mangelernährung, Obdachlosigkeit. Solche Fälle mag es geben.
Ich habe aber die Erwartung, dass sich alle SGB-IIBezieher, egal ob über oder unter 25, an die getroffenen Vereinbarungen halten, nicht mehr und nicht weniger. Diese Erwartung haben wahrscheinlich auch diejenigen, die mit ihren Steuern und Beiträgen diese Leistungen finanzieren, und im Übrigen wahrscheinlich auch die Arbeitslosen, die selber jeden Tag alles dafür tun, um wieder in Beschäftigung zu kommen. Rechte und Pflichten gehören zusammen.
Meine Damen und Herren, ich würde mich noch viel mehr freuen, wenn Sie die Energie, die Sie hier aufwenden, wenn es darum geht, Sanktionen für diejenigen zu senken, die sich nicht an die Regeln halten, bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Nordrhein-Westfalen aufbringen würden. Dann wären wir ein ganzes Stück weiter. Unser Bundesland ist Schlusslicht: mehr Arbeitslose, weniger wirtschaftliche Dynamik, weniger Wachstum als im Bundesdurchschnitt. Wenn das alles besser wäre, dann hätten auch die, die Sie hier vor Sanktionen in Schutz nehmen, bessere Chancen im Alltag und auf dem Arbeitsmarkt.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktionen von SPD und Grünen bringen wieder einmal einen Antrag zu einem bundespolitischen Streitthema ein. Das hatten wir gestern erst. Der Hintergrund ist doch klar: Andrea Nahles dachte, sie könnte
nicht aufregen! – zusammen mit der SPD-Mehrheit in den Ländern die Abschaffung der besonderen Sanktionen für Jugendliche durchsetzen. Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz hatte es beschlossen: Der Entwurf des Gesetzes zur SGB-IIRechtsvereinfachung sollte es beinhalten. Doch dann hat die CSU ihr Veto gegen diesen Punkt eingelegt.
Mit diesem Antrag bringen Sie also den Streit in der Großen Koalition in Berlin hier in den Landtag NRW. Ich frage mich: Was soll das bringen? Die Position der Landesregierung und der Mehrheit hier im Land
tag ist in Berlin bekannt. Auch eine erneute Bekräftigung wird aber nichts daran ändern, dass die CSU eine diametrale entgegengesetzte Ansicht vertritt. Das hat der Kollege Kerkhoff gerade auch schon dargestellt. Sie wollen nur noch mal Ihren vergeblichen Einsatz ins Schaufenster stellen.
Zur inhaltlichen Frage möchte ich noch Folgendes anmerken: Sicher ist eine komplette Streichung aller Leistungen problematisch. Gerade wenn Jugendliche im Haushalt der Eltern leben und auch die anteiligen Kosten der Unterkunft gestrichen werden, dann werden die Eltern mitbestraft. Sie können eventuell die Miete nicht zahlen.