Protocol of the Session on March 17, 2016

Aber wir müssen uns zum Ersten darüber unterhalten: Wie reagieren wir auf die Notwendigkeit der jetzt durch Gerichte angemahnten Handlungsschritte und das, was die EU mit Vertragsverletzungsverfahren von uns fordert? – Das ist kurzfristig nötig.

Zum Zweiten stellt sich mittelfristig die Frage: Wie können wir einen Übergang zu emissionsfreier Mobilität gestalten? Müssen wir nicht auch über Nachrüstung und insbesondere Förderprogramme für Nachrüstung nachdenken?

Die Technologien sind gerade im Hinblick auf Stickoxide vorhanden. Gerade die Hersteller mit Sitz in Nordrhein-Westfalen warten darauf, diese Technologien, genauso wie es beim Katalysator oder den

Feinstaubfiltern war, auch für Stickoxide in den Markt zu bringen. Hier brauchen wir ein Bundesprogramm, das die Umstellung fördert. Das scheint möglich zu sein.

Herr Minister Remmel.

Dazu müssen aber politische Entscheidungen getroffen werden.

Zum Schluss, meine sehr verehrten Damen und Herren …

Herr Minister Remmel, bevor Sie zum Schluss kommen – nicht dass ich es versäume –: Der Kollege Moritz würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Ich würde den Gedanken gerne zu Ende führen und dann die Zwischenfrage.

Gut, okay.

Zum Schluss, meine sehr verehrten Damen und Herren: Für die Transformation des Mobilitätssektors braucht es in der Tat eine politische Leitentscheidung in der Bundesrepublik, des Bundestages. Wann wollen wir emissionsfreie Mobilität in Deutschland haben?

Ich meine, wir sollten das für 2030 anstreben. Dann müssen wir aber auch die entsprechenden gesetzlichen Systematiken zur Einführung von emissionsfreier Mobilität auf den Weg bringen. Das werden weder die Mineralölkonzerne für uns entscheiden noch die Automobilkonzerne. Wir brauchen Markteinführungsstrategien bis hin dazu, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie unsere Steuersysteme in Zukunft funktionieren; denn ein Großteil des Haushalts wird durch die Mineralölsteuer bestimmt.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Wenn das ab 2030 anders ist, dann müssen wir auch da etwas verändern.

Ich plädiere hier für Anlagen nach dem kalifornischen Modell, Ansprüche gegenüber den Herstellern zu formulieren, Transformation von den Automobilherstellern gesetzlich einzufordern. So werden wir, glaube ich, mehr erzielen, als wenn wir alleine auf Kaufprämien setzen.

Jetzt aber Ihre Frage.

Ich schalte das Mikrofon frei. Bitte.

Herr Minister, ich möchte den Hinweis auf die Nase zu Beginn Ihrer Rede aufgreifen. Können Sie uns bitte mitteilen, ob Sie selber ein Elektroauto fahren, um mit gutem Beispiel voranzugehen? Wenn das nicht der Fall ist, frage ich: Warum nicht?

Wir haben in der Landesverwaltung in der Zuständigkeit meines Ministeriums, insbesondere beim LANUV, der Umweltbehörde, in den letzten Jahren verstärkt auf die Anschaffung von Elektrofahrzeugen gesetzt, und im Ministerium gibt es auch zusätzliche Elektrofahrzeuge.

Im täglichen Gebrauch meines Dienstfahrzeugs kann ich leider noch nicht auf ein Elektrofahrzeug zurückgreifen.

(Marcel Hafke [FDP]: Weil?)

Im innerstädtischen Verkehr mache ich das, in Düsseldorf und wo immer es geht, aber wenn ich über Land fahre, reicht es noch nicht.

Wir würden aber empfehlen, nicht nur auf Elektrofahrzeuge zu setzen, sondern insbesondere für Nordrhein-Westfalen auch Wasserstofffahrzeuge in den Blick zu nehmen. Wir haben eine tolle Infrastruktur mit einem Wasserstoffnetz, das sich über 240 km erstreckt. Es gibt schon Fahrzeuge, im Übrigen auch innerhalb der Landesverwaltung, mit denen man mit Wasserstoff emissionsfrei und klimaneutral mobil sein kann. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Das war dann auch der letzte Redebeitrag zum Tagesordnungspunkt 5. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/11416 an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr – federführend – sowie an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die abschließende Abstimmung wird dann im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Ist jemand gegen die Überweisung? – Enthaltungen? – Das ist beides nicht der Fall. Dann haben wir so überwiesen.

Ich rufe auf:

6 Ungleichbehandlung von Menschen unter 25

Jahren im SGB II abschaffen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/11424

Ich eröffne die Aussprache. Frau Kollegin Jansen hat für die SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Fördern und Fordern“, das ist der Grundsatz des SGB II nach der Reform, die unter Gerhard Schröder verabschiedet wurde. Das ist nicht nur eine Überschrift oder eine Kurzform, sondern auch Name des ersten Kapitels des SGB II. Der Betroffene, also die erwerbsfähige Person, muss mithelfen, seine Situation zu verbessern.

Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch unterliegen nun einmal Gesetzen, die es zu befolgen gilt. Deswegen bejahen wir grundsätzlich das Prinzip „Fördern und Fordern“; denn wenn Fehlverhalten nicht sanktioniert wird, ist dies kein angemessener Weg der Mitwirkung.

Unzweifelhaft ist es wie folgt: Sanktionen bzw. Absenkungen nach § 31a SGB II sollen verhaltenssteuernd wirken und eigene Anstrengungen des oder der Arbeitslosen einfordern. Auf der anderen Seite müssen wir auch ganz klar maßhalten; denn Sanktionen bzw. Leistungskürzungen müssen innerhalb eines existenzsichernden Leistungssystems stattfinden. In der sogenannten Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Pflichten müssen auch erfüllbar bleiben.

Angesichts dieser Diskussionen müssen wir aber auch ehrlich bleiben. Auch mich fragen viele Besuchergruppen: Wie viele Menschen verstoßen denn überhaupt gegen ihre Eingliederungsvereinbarung? Wie viele Sanktionen werden denn verhängt? – Es handelt sich tatsächlich nur um eine Minderheit der Leistungsberechtigten, gegen die überhaupt Sanktionen verhängt werden; denn das Ziel bleibt natürlich Integration in den Arbeitsmarkt und ist nicht Schikane.

Damit sind wir beim Thema. Gerade bei jugendlichen Leistungsempfängern – damit meine ich die unter 25Jährigen – liegt die Sanktionsquote im Jahr 2014 bei 4,6 %. Wenn wir allerdings annehmen, dass es sich nur um eine geringe Anzahl von Menschen handelt, stellt sich die Frage: Warum sprechen wir dann überhaupt darüber? – Meine Damen und Herren, wir sprechen deshalb darüber, weil die Auswirkungen dieser Sanktionen teilweise fatal sind.

Stellen Sie sich folgenden Fall vor: Sven, 23, abgebrochene Maurerlehre, seitdem Hilfstätigkeiten auf

dem Bau, auf SGB II angewiesen. Kino mit Freunden? Nicht drin! Seine Freundin heiraten? Nicht drin! Deswegen wieder Streit – und Versäumnis des Termins im Jobcenter. Hierfür erleidet er direkt bei der ersten Pflichtverletzung eine Sanktion; denn die Leistungen werden dann beschränkt. Wenn sich ein solcher Fall innerhalb von zwölf Monaten wiederholt, kann sogar das gesamte ALG II inklusive Leistungen für Unterkunft und Heizung gestrichen werden.

Meine Damen und Herren, diese Sanktion konterkariert natürlich den Eingliederungsprozess und hat eventuell sogar Wohnungslosigkeit oder den Abbruch des Kontakts zum Jobcenter zur Folge.

Bei vielen Gesprächen mit Arbeitslosenberatungsstellen stelle ich immer wieder fest, dass es eine sehr große Scham der Betroffenen gibt, überhaupt über ihre Situation zu sprechen. Oftmals sind die Betroffenen erst nach mehreren Besuchen überhaupt in der Lage, sich zu öffnen und ihre Probleme zu benennen: Schulden, Privatinsolvenzen, natürlich auch gesundheitliche Probleme, die auftreten.

Meine Damen und Herren, auf Bundesebene liegt nunmehr der Kabinettsbeschluss zu Rechtsvereinfachungen des SGB II vor. Er enthält viele gute Verbesserungen. Es ist leichter, aus dem SGB-II-Bezug in eine Ausbildung zu wechseln. Es gibt eine Gesamtangemessenheitsgrenze; das bedeutet, dass man nicht Wohnung, Unterkunft und Heizung getrennt berechnet, sondern sich insgesamt innerhalb einer bestimmten Summe bewegen kann, sodass unnötige Umzüge womöglich vermieden werden können.

Aber bei Sanktionen für U25-Jährige bleibt der Entwurf leider hinter den Vorschlägen der gemeinsamen Bund-Länder-Arbeitsgruppe zurück. Besonders dramatisch finde ich, dass selbst bei Einsicht in ein Fehlverhalten und einer Verhaltensänderung die Sanktionen nicht aufgehoben werden können. Durch diese Sanktionspraxis wird nicht das Ziel erreicht, die jungen Menschen wieder in die Gesellschaft zu integrieren.

Meine Damen und Herren, wer nicht mehr das Geld für seinen Sportverein hat, wer am Essen spart und wer nicht weiß, ob die Wohnung weiter geheizt wird, der hat erst recht nicht die Kraft, wieder Teil der Gesellschaft und besonders der Arbeitsgesellschaft zu sein.

Deshalb fordern wir in unserem Antrag, dass Leistungsberechtigte unter 25 und über 25 Jahren gleichgestellt werden, dass die Übernahme der Kosten der Unterkunft auf jeden Fall zur Vermeidung von Obdachlosigkeit grundsätzlich sichergestellt wird, dass nachträgliche Bemühungen der Leistungsberechtigten auch zu einer Milderung der Sanktionsfolgen führen und dass ein einheitlicher Minderungsbetrag für jede Pflichtverletzung eingeführt wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Jansen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Maaßen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für Leistungsbezieher unter 25 Jahren sieht der Gesetzgeber weiterhin verschärfte Regelungen bei Pflichtverstößen vor. Bereits bei der einmaligen Pflichtverletzung kann das Jobcenter eine Sanktion in Form des vollständigen Wegfalls der Regelleistungen verhängen. Ein erneuter Verstoß führt zu einem vollständigen Leistungsausfall, der auch die Kosten für die Unterkunft betrifft.

Bis Juni 2015 wurden über 1 Million Sanktionen ausgesprochen. Dies ist keine kleine Zahl, meine Damen und Herren. Besonders hoch ist die Sanktionsquote bei den Jugendlichen bis 25 Jahre. Sie liegt bei den arbeitslos gemeldeten Jugendlichen bei rund 10 %. Die Sanktionen gegen Jugendliche fallen schärfer aus als bei den Erwachsenen. Die Tatsache, dass der Staat seinen arbeitslosen Bürgerinnen und Bürgern die materielle Existenzgrundlage völlig entziehen kann, mutet befremdlich an und ist erschreckend.

Bei jungen Leuten können harte Sanktionen dazu führen, dass sie sich vollständig zurückziehen und den Kontakt zum Jobcenter abbrechen. Verlieren die Jugendlichen noch ihre Unterkunft, drohen Obdachlosigkeit und ein Abrutschen in die Kriminalität. Wohnungslosigkeit, verstärkte Verschuldung, eingeschränkte Ernährung, Verlust der persönlichen Stabilität und seelische Probleme können Folgen sehr hoher Sanktionen sein.

Mit stabilen Verhältnissen, die junge Menschen brauchen, um sich persönlich entwickeln zu können und sich auf ein geordnetes Berufsleben hin zu orientieren, hat dies nichts zu tun.

Wir Grünen bedauern zutiefst, dass das Bundeskabinett die Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Abschaffung der verschärften Sanktionen bei den U25-Jährigen nicht übernommen hat.