Protocol of the Session on March 16, 2016

Meine Damen und Herren, jeder von uns weiß, dass Herr Putin und der Kreml zurzeit nicht gerade ein hilfreicher Friedensfaktor weltweit sind. Und vor allen Dingen durch die Propaganda, die von diesen Stellen ausgeht, werden weltweit sehr viel Schaden anrichtende Wirkungen erzielt, nicht zuletzt auch bei uns in der Bundesrepublik Deutschland.

Diese Art der Propaganda richtet sehr viel Schaden an – bei uns, bei den Spätaussiedlern, bei den Deutschen, die aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion kommen und hier bei uns in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen heimisch geworden sind.

Es werden beachtliche Summen für Schauspielerinnen und Schauspieler bezahlt, die im postsowjetischen Fernsehen Dinge über uns, über Deutschland und die Aussiedler, über die Flüchtlingssituation verbreiten, die mit der Wahrheit nichts zu tun haben und

die nur ein Ziel haben: unsere Gesellschaft zu destabilisieren und zu spalten.

Sie kennen wahrscheinlich alle das Beispiel des angeblich vergewaltigten Mädchens aus Berlin-Marzahn, einer Spätaussiedlertochter. Am 1. Februar 2016 hatten die Staatsanwaltschaft, die Familie und das Mädchen selber gesagt: Nein, ich bin nicht vergewaltigt worden; ich war in der Nacht bei meinem Freund. – Noch fünf Tage später hat Außenminister Lawrow es zugelassen, dass diese Lüge, das Mädchen sei hier vergewaltigt worden, durch die Propaganda weiter verbreitet worden ist.

Meine Damen und Herren, diese Propaganda hat natürlich bei den bei uns lebenden Spätaussiedlern auch eine ganz gehörige Wirkung. Ich bin Herrn Staatssekretär Klute sehr dankbar dafür, dass er Vorschläge der Aussiedler, der Deutschen aus Russland, bei einer Sondersitzung des Landesbeirates für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen aufgegriffen hat, zu der er die Parteien auch eingeladen hat. Dort ist dieses Thema in der sogenannten Düsseldorfer Erklärung zusammengefasst worden. Darin haben die Verantwortlichen der 620.000 Spätaussiedler, die wir in NRW haben, deutlich gemacht: Nein, wir wollen uns von dieser Propaganda hier nicht spalten lassen. Wir wollen dafür sorgen, dass wir zusammenbleiben.

(Beifall von der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

Ich bin deshalb dafür dankbar, meine Damen und Herren, weil es bei uns in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland keine andere in den letzten Jahrzehnten eingewanderte Gruppe gibt, die so gut integriert ist, die in Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur so gut Fuß gefasst hat und die einen so wertvollen Beitrag geleistet hat, wie es die 620.000 Spätaussiedler bei uns in Nordrhein-Westfalen tun und getan haben.

Deshalb ist es uns, der CDU, ein Anliegen, das aufzugreifen, was dort unter Leitung von Staatssekretär Klute einstimmig verabschiedet worden ist, parteiübergreifend verabschiedet worden ist, und auch im Landtag Nordrhein-Westfalen ein entsprechendes Signal zu setzen und zu sagen: Wir wollen es nicht zulassen, dass die Spätaussiedler über diesen Kamm geschert werden, dass sie hier schlechtgemacht werden und so getan wird, als seien das alles verkappte Nazis.

Es gibt keine Gruppe – ich kann mich da nur wiederholen –, die so gut integriert ist. Wir möchten die Arbeit der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler bei uns würdigen. Wir möchten mit diesem Antrag ein Zeichen setzen und es nicht zulassen, dass diese wertvolle, willkommene Gruppe bei uns weiterhin durch politische Kräfte so instrumentalisiert wird, wie sie es nicht verdient hat.

Deswegen wäre ich dankbar für eine Zustimmung aller Fraktionen. Ansonsten können wir dieses Thema im Hauptausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen behandeln. Ich hoffe und wünsche nicht – ich weiß es ja nicht –, dass es dazu auch Entschließungsanträge der anderen Parteien gibt. Wenn doch, wäre ich auf die Begründung schon sehr gespannt. – Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Jostmeier. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Müller-Witt. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit 1950 sind rund 4,5 Millionen Spätaussiedler in die Bundesrepublik eingewandert. Diese große Gruppe der Bevölkerung ist heute, wie schon zuvor Millionen Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg, integriert und selbstverständlich Teil der hier lebenden Bevölkerung. Allein in NordrheinWestfalen haben weit mehr als 600.000 Spätaussiedler eine neue Heimat gefunden.

Angesichts des selbstverständlichen Miteinanders ist es umso befremdlicher, wenn versucht wird, diese Menschen zu instrumentalisieren und für eigene Ziele zu missbrauchen. Die jüngste Eskalation aufgrund von Behauptungen in sozialen Medien zeigt, dass die alleinige Information vieler Menschen über diese Medien zu einer völligen Desinformation bis hin zur üblen Nachrede führen kann. Der Pressekodex des Deutschen Presserates gilt zwar für journalistische Onlineveröffentlichungen, erfasst aber nicht die teilweise anonymen Einzelpersonen, die diese Nachrichten verbreiten.

Deshalb begrüßt die SPD-Fraktion ausdrücklich die am 5. Februar 2016 verabschiedete und veröffentlichte Düsseldorfer Erklärung. Es ist allerdings bedrückend, wenn in der Erklärung festgestellt werden muss, dass sich viele Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion hier nicht vollständig anerkannt und akzeptiert fühlen. Die Düsseldorfer Erklärung setzt damit in zweierlei Hinsicht ein Signal: einerseits an die gesamte Bevölkerung unseres Landes für mehr Toleranz und Akzeptanz sowie gegen Diskriminierung und andererseits – und das steht im Mittelpunkt des vorliegenden Antrags – ein deutliches Signal an Rechtsextreme und andere interessierte Kreise, dass sich die Spätaussiedler eine Vereinnahmung durch diese Kräfte verbitten und sich ausdrücklich von ihnen distanzieren.

(Beifall von der SPD und Werner Jostmeier [CDU])

Die SPD-Fraktion kennt und schätzt den wirtschaftlichen und kulturellen Beitrag, den die Spätaussiedler

und ihre Nachkommen für Nordrhein-Westfalen leisten – dies in gleichem Maße, wie Nordrhein-Westfalen schon immer ein Land des Willkommens für Zuwanderinnen und Zuwanderer war, woher auch immer sie kamen.

Als Bürgerinnen und Bürger eines Landes der Vielfalt der Kulturen ist es für uns nicht hinnehmbar, dass Menschen ausgegrenzt oder diskriminiert werden. Aus diesem Grund wenden wir uns gegen die Ausgrenzung oder auch die Instrumentalisierung von Minderheiten oder von Zuwanderern, egal aus welchem Land sie kommen.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass die vom Landtag initiierte Befassung mit § 96 BVFG, die auch die Gruppe der Spätaussiedler betrifft, inzwischen in Form eines ersten Konzeptes vorliegt. Dies wurde im Rahmen eines Workshops vom MFKJKS unter Hinzuziehung von Experten ausführlich diskutiert. Dieser Diskurs soll fortgesetzt werden.

Es soll im Rahmen eines partizipativen Prozesses ein neues Konzept erarbeitet werden.

Nun gilt es, der gelebten Willkommenskultur unter Einbeziehung der Betroffenen zeitgemäße Strukturen zu geben, und zwar auch für diejenigen, die sich hier noch nicht richtig willkommen fühlen.

Wir stimmen gern dem Antrag auf Überweisung in den Ausschuss zu.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Witt. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Frau Kollegin Velte das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es gleich vorwegzunehmen: Die Düsseldorfer Erklärung findet auch die grüne Fraktion gut und richtig. Es ist schön, dass sie auf den Weg gebracht worden ist.

(Beifall von den GRÜNEN und Michael Hüb- ner [SPD])

Herr Jostmeier, ich freue mich auch über die Leidenschaft, mit der Sie die hier vertreten haben.

Es ist richtig – das sagt auch der Titel des Antrags –, auf die Leistungen der Deutschen aus Russland und aus den GUS-Staaten explizit hinzuweisen. Denn man muss sich vorstellen: Es waren keine einfachen Zeiten, als sie als sogenannte Aussiedlerinnen und Aussiedler, Spätaussiedlerinnen zu uns nach NRW gekommen sind. Sie teilten damals mit vielen anderen Migrantinnen und Migranten die Erfahrung, teilweise Vorbehalten, Vorurteilen, Unverständnis seitens der hiesigen Bevölkerung ausgesetzt zu sein.

Gleichzeitig mussten sie diese ganze Wanderung und die kulturellen Unterschiede auch bewältigen. Das war nicht einfach und ist den Deutschen aus Russland vorbildlich gelungen.

Mittlerweile leben 620.000 – Sie haben es erwähnt – Deutsche aus Russland in Nordrhein-Westfalen und sind vorzüglich integriert. Wie gut – auch darauf ist hingewiesen worden –, zeigt die Sonderauswertung des Ministeriums für Integration, aus der hervorgeht, dass die Deutschen aus Russland sehr gute Bildungserfolge aufweisen, dass sie sich in manchen Teilbereichen besser integrieren konnten als andere Einwanderungsgruppen und in fast allen Bereichen des öffentlichen Lebens gut integriert sind.

Es gibt auch sehr viele Deutsche aus Russland, die sich im Übrigen – das zeigt auch, welche Leistung es ist – um die Geflüchteten, die jetzt neu zu uns kommen, kümmern.

Umso irritierender sind die jüngsten Ereignisse, wenn plötzlich von einigen, vergleichsweise wenigen, die geleistete Aufbau- und Integrationsarbeit der Altvorderen, der Eltern und Großeltern durch ihre fremdenfeindlichen und ausländerfeindlichen Demonstrationen infrage gestellt werden.

Vor diesem Hintergrund ist es gut, dass schnell reagiert wurde und Staatssekretär Klute dankenswerterweise zu einer Sondersitzung des Landesbeirats eingeladen hat und die Landsmannschaften sich auf dieser Sitzung nach ausführlicher und sehr intensiver Diskussion – wir waren beide dabei; das war eine sehr spannende Diskussion – in der Düsseldorfer Erklärung klar von Ausländerfeindlichkeit und rechtsradikalen Tendenzen distanziert haben. Das war und ist ein wichtiger Schritt.

Wer dabei war, hat auch gesehen, wie sehr die Demonstrationen die Deutschen aus Russland in ihrem Bestreben nach Normalität und ihrem Bekenntnis zu Vielfalt und Demokratie erschüttert haben.

Schwierig und bedenkenswert ist auch die Tendenz in den russischsprachigen Medien, gezielte Desinformationen zu betreiben, und gleichzeitig auch der Umstand, dass es offensichtlich einige gibt, die bereit sind, der Propaganda unreflektiert und entgegen der eigenen Anschauung Glauben zu schenken. Dies lenkt den Blick auch auf die Frage gelingender Demokratieerziehung, mit der wir uns in den Ausschüssen sicher nach der Überweisung noch einmal sehr intensiv auseinandersetzen müssen und werden.

Es ist unser gemeinsames Ziel, dass junge und selbstverständlich auch ältere Menschen in die Lage versetzt werden, klare Unterscheidungen zu treffen zwischen Propaganda, Desinformation und, wie Sie es in Ihrem Antrag nennen, seriöser Berichterstattung und verlässlichen Quellen. Bei der Aufarbeitung dieser Frage können und werden die Deutschen aus Russland sicher wichtige Partnerinnen und Partner

sein und gleichzeitig gemeinsam Flagge gegen rassistische und menschenfeindliche Tendenzen und Organisationen zeigen können.

Auch wenn wir nicht alle Forderungen Ihres Antrags teilen – das betrifft vor allem die Frage der Verbotsprüfung; das ist rechtlich schwierig –, halten wir es doch für wichtig und richtig, dieses Thema in seiner ganzen Komplexität in den beiden Ausschüssen, nämlich im Hauptausschuss und im Integrationsausschuss, zu behandeln, um damit auch noch einmal den Blick auf die Einwanderungsgruppe der Deutschen aus Russland zu lenken. Ich freue mich auf die Diskussion. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Velte. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Dr. Stamp das Wort.

Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident! Lieber Herr Jostmeier! Ich kann für die Freien Demokraten sagen, dass sie jeden Satz, den sie hier gesagt haben, unterstreichen können. Das gilt auch für das Lob an den Staatssekretär. Es gilt dafür, dass Sie hier noch einmal herausgearbeitet haben, auch an dem konkreten Fall, wie die PutinAdministration versucht, Einfluss auf die Gruppe der Spätaussiedler hier in Deutschland zu nehmen. Es gilt auch für die Feststellung, dass rechtspopulistische und rechtsextremistische Kreise versuchen, diese Gruppe zu adressieren.

Das gilt aber auch ganz besonders für die Aussage, die Sie getätigt haben, dass die Spätaussiedler sehr, sehr gut in unserer Gesellschaft integriert sind – und das ist etwas, worüber wir uns, glaube ich, in diesem Hause sehr freuen.

Insofern haben wir bei Ihrem Antrag ein Fragezeichen, und das ist der vierte Punkt Ihres Antrags, in dem Sie darauf verweisen, dass es notwendig sei, die Integrationsarbeit für die Spätaussiedler stärker finanziell zu fördern. Das ist, glaube ich, etwas widersprüchlich, weil es hier bereits eine große Integrationsleistung gibt und wir uns bei beschränkten Mitteln darauf konzentrieren müssen, mit welchen Gruppen es besondere Schwierigkeiten der Integration gibt.

Sehr wohl sind wir der Meinung, dass wir ähnlich der Aktion oder dem Vorschlag, der in der Düsseldorfer Erklärung gemündet hat, von Staatssekretär Klute, weitere Instrumente brauchen, um der Propaganda, sei es der Russen, sei es der Rechtsextremisten und Rechtspopulisten, entgegenzutreten, und dass wir mit guten Argumenten erklären müssen, wie wir hier solidarisch zu der Gemeinschaft der Spätaussiedler stehen.

Dafür brauchen wir Mittel; das ist völlig klar. Hinter die Forderung nach zusätzlichen Integrationsmitteln

machen wir ein Fragezeichen. Wir sind aber gerne bereit, uns darüber im Fachausschuss zu unterhalten.

(Michele Marsching [PIRATEN]: In welchem der Fachausschüsse?)

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)